Der Anlagenbauer Eisenmann hat für Mercedes-Benz eine innovative Lackierstraße entwickelt. Sie wird im neuen ungarischen Werk des Autoherstellers erstmals aufgebaut. Der Probelauf hat in Holzgerlingen stattgefunden.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Holzgerlingen - Eisenmann schiebt den Stahlschlitten aufs Abstellgleis. Der Anlagebauer hat ein neues Beförderungssystem für seine Lackierstraße entwickelt und den Trocknungsofen etwas klüger gemacht. Als „Quantensprung für die Lackiererei“ bezeichnet Bruno Caserati die Entwicklung. Damit könnten die Arbeitsprozesse auch umfassend digitalisiert werden, erklärte der Senior Vice President des Geschäftsbereichs Automotive System: Die Systeme würden miteinander sprechen, seien hoch flexibel und intelligent. „Wir sind stolz auf das Projekt“, sagte er. Dem Unternehmen wurde es auch gleich von Daimler abgekauft – für die Erweiterung der Mercedes-Benz-Fabrik im ungarischen Kecskernét. Im Sindelfinger Werk ist noch das alte Schlittensystem im Einsatz.

 

Skid lautet die englische Fachbezeichnung für das rund 220 Kilogramm schwere Stahlgerüst, das bisher standardmäßig die Karosserie durch die Lackierstraße befördert. Aber das schwere Gerät kostet viel Energie, im Trocknungsofen muss es beispielsweise mit der frisch gestrichenen Autohülle aufgeheizt und hinterher wieder abgekühlt werden. Außerdem benötigt der Schlitten Schmierstoffe, um beweglich zu bleiben, auf die Lack wiederum empfindlich reagiert. Im Holzgerlinger Werk von Eisenmann fährt nun eine Lok die Karosserie auf einer schlanken Schiene durch die verschiedenen Stationen, gehalten wird sie darauf von zwei schmalen Trägern. Dabei handelt es sich um den Probelauf für Mercedes-Benz – und der ist geglückt. Der Aufbau der Anlage in Ungarn soll im Januar erfolgen.

Nicht grundlegend neu, aber in der Lackiererei schon

Varioloc heißt das neue System, um seine Flexibilität zu demonstrieren. ,„Die Einschienenbodenbahn ist nicht grundlegend neu“, räumt Jörg Robbin ein. Sie kommt schon zum Transport der Karossen im Rohbau zum Einsatz oder im Bereich von Hochregallagern. Aber in der Lackiererei ist sie laut dem Vice President für Produktentwicklung bei Eisenmann eine Weltneuheit. Im Kombination mit dem Smart Oven, wie der Anlagenbauer seinen verbesserten Trockner nennt, und dem natürlich ebenfalls intelligenten E-Shuttle, das die Karossen in die mit Lack gefüllten Becken taucht, hält er die Bedeutung der Innovation für sehr groß. „Wir sparen Ressourcen und sind interessant im Invest“, erklärt er, „in der Branche haben wir die Nase vorne.“

Im Gegensatz zur bisherigen Ketten-Fördersystem benötigt die Monorailbahn weniger Technik wie etwa Sensoren und somit 38 Prozent weniger Kosten dafür. Es funktioniert wie ein Modellbaukastensystem, Jörg Robbin vergleicht die Schiene mit einer Achterbahn, Wenn eine Lok ausfällt wird sie von der folgenden in die Werkstatt geschoben, ihre Zahl kann ebenso unkompliziert den Produktionszielen angepasst werden. Durch den Ofen fahren sie in einem Tunnel, weshalb nur die Trägerstangen erhitzt werden. Mit Hilfe von besser integrierten Heizaggregaten verbraucht der neue Trockner dann fast 40 Prozent weniger Energie. Neben Daimler hat Eisenmann mit seiner Innovation schon einen weiteren Kunden gewonnen. Im nächsten Schritt soll die Anlage auch autonom fahren können. „Da werden wir die ersten sein“, kündigt Jörg Robbin schon an.

Der Preis wird nicht verraten

Daimler hat den Auftrag als Generalunternehmen-Paket an Eisenmann vergeben. Zwei Jahre war Zeit für die Planung. Wie viel Geld der Automobilhersteller für die neue Anlage ausgibt, verrät Stefan Schubert nicht. Sein Unternehmen wolle bei der Digitalisierung der Produktion eine Vorreiterrolle spielen, erklärt der Manager für die Produktionsplanung, Karosseriebau und Lackierung die Investitionsentscheidung. Und Varioloc sei als Fördertechnik dafür prädestiniert, sich weiterzuentwickeln, lobt er die Entwicklung des Anlagenbauers in Holzgerlingen. „Wir verabschieden uns vom Schlitten aus Stahl“, ist sich Stefan Schubert sicher.