Kim Hofmann hat in Stuttgart Pop-Gesang studiert. Jetzt möchte sie ihre leichtfüßigen, melancholischen Songs auch im Rest des Landes bekannt machen. Die Chancen stehen gut, zudem ist schon ein Anfang gemacht. Ein Treffen am Eugensplatz.

Stuttgart – Die Sonne tanzt über den Eugensplatz. Der Pinguin, dieser wunderbar anachronistische Beweis, dass Eis auch ohne Sesam, Basilikum oder Chili schmeckt, brummt, das Mops-Denkmal wird bestaunt, der Blick über den Kessel ist wie immer unbezahlbar. Mitten unter den Flaneuren und Sonnenanbeter:innen sitzt Kim Hofmann auf der Mauer, den Blick verträumt auf die Stadt zu ihren Füßen gerichtet. Die Sängerin ist eine Erscheinung, viele drehen sich nach ihr um. Und Kim? Blickt in ihre eigene Vergangenheit, könnte man sagen: Ein Stück den Hang hinab reckt sich der runde Turm der Musikhochschule in die Höhe.

 

Dort hat sie Pop-Gesang studiert (und mit Bestnote abgeschlossen), Kontakte geknüpft, Konzerterfahrungen gesammelt. Jetzt hier oben zu sitzen, mit allen seitherigen Erfahrungen, das bringt sie automatisch zum Nachdenken. „Ich hatte eine unglaublich schöne Zeit an der Hochschule“, resümiert sie. „Super oft waren wir oben auf dem Turm und haben auch von dort die Aussicht genossen. Ich merke bei diesen Ausblicken auf die Stadt immer, wie sehr mir Stuttgart ans Herz gewachsen ist. Die Stadt ist ein Dorf, und das auf eine gute Weise. Ich kenne die Stadt, ich kenne so viele Menschen hier, es liegt alles nah beieinander und ist gut erreichbar.“

So selbstverständlich wie atmen

Das Studium war eine logische Konsequenz für die gebürtige Heilbronnerin. Seit sie denken kann, möchte Kim Sängerin werden. Wenn man sich häufig mit Musiker:innen unterhält, bekommt man das oft zu hören; bei ihr, da ist irgendwas anders. Vielleicht liegt es am Blitzen in ihren Augen, wenn sie über Musik redet. Oder an den mit Bedacht gewählten Worten, mit denen sie über Musik redet. „Ich kann mich gar nicht an eine Zeit erinnern, in der ich nicht singen wollte“, lacht sie. „Ich habe Musik nie nur gehört, sondern immer gleich nachgeahmt. Damals noch mit den Mariah-Carey-CDs meiner Schwester, heute längst als Solokünstlerin oder Teil eines Ensembles.

Mit 14 Jahren bekommt sie Gesangsstunden, mit 17 wird sie in Stuttgart von der Künstlerin Fola Dada unterrichtet. „Die Zeit mit ihr war für mich die Initialzündung, erinnert sie sich. Spätestens da wusste ich, dass ich das machen will.“ Sie pausiert kurz. „Oder irgendwie auch nicht, denn eine bewusste Entscheidung war es nie. Das Singen war immer da, war so selbstverständlich wie atmen. Auch wenn das kitschig klingt.“

„Ich schreibe bessere Songs, wenn ich traurig bin“

Vor zehn Jahren kam sie zum Studieren nach Stuttgart und ist geblieben. Der Musik ist sie in dieser Zeit so treu geblieben wie ihrer Hood, dem Osten. „Ich bin in den letzten zehn Jahren fünfmal umgezogen, aber ich habe den Osten nie verlassen“, sagt sie. „Ich mag, dass es etwas rougher ist im Osten, außerdem imponiert mir die Vielfalt hier. Wahrscheinlich würde ich es überall in Stuttgart mögen, aber den Osten kenne ich nun mal am besten. Meine beste Freundin seit Kindertagen wohnt außerdem nur ein paar Häuser weiter, das ist natürlich Luxus.“

Mit anderen engen Freunden spielt sie und schreibt ihre Songs. Ein Team, gegründet auf Freundschaft, bereit für den nächsten großen Schritt. Ihre neue EP „Auf Null“ ist soeben erschienen, bietet fünf Songs lang leichtfüßige, poetische, deutschsprachige Popmusik. Ihre Stimme ist wandlungsfähig, kann verletzlich und zärtlich, aber auch kräftig und selbstbewusst. Geeint wird ihre Musik von einem bittersüßen Grundrauschen. „Melancholie ist für mich ein prägendes Element“, nickt sie. „Ohne eine gewisse bittersüße Aura scheint es bei mir nicht zu funktionieren. Außerdem“, fügt sie mit einem scheuen Lächeln an, „schreibe ich bessere Songs, wenn ich traurig bin.“

Ständchen für Kretschmann

Ein gebrochenes Herz sei eben durchaus inspirierend, wie sie feststellt. „Ich schreibe oft und viel über Herzschmerz, anscheinend habe ich einiges zu verarbeiten. Ich nutze meine Songs deswegen auch dazu, um mir selbst gewisse Dinge begreiflich zu machen. Der Titelsong „Auf Null“ nimmt da noch mal eine Sonderrolle ein: Strophe eins wurde nach einer Trennung geschrieben, dann ließ sie den Song liegen. Irgendwann, nach der nächsten Trennung, bekam das Lied seine zweite Strophe. „Der erste Teil handelt davon, dass ich vielleicht nicht ganz fair war. Der zweite Teil zeigt die andere Seite.“

Leicht ist eine Trennung nie. Bei Kim führen sie wenigstens zu beachtenswerten Exkursen in melancholischer Popmusik. Die haben durchaus das Zeug dazu, schon sehr bald über den Kesselrand hinauszuschauen. In Österreich ist sie im Fernsehen zu sehen, hier stand sie schon mit Joris auf der Bühne. Die Frage, wie groß das denn alles werden soll, führt bei ihr deswegen nur zu einer möglichen Antwort: „So groß wie möglich!“, sagt sie mit einem Strahlen. Landesvater Kretschmann kann das sicherlich bestätigen: Kim sang auf dessen 70. Geburtstag.