Das Tiffany-Blau ist das Markenzeichen des Schmuckimperiums. Ein grünliches Blau schmückt nach langem Umbau die Fassade im Dorotheen-Quartier. Bei einem exklusiven Event wird dies gefeiert. Steht dieser Luxus einer Stadt wie Stuttgart?

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Er ist Franzose, lebt abwechselnd in Monaco oder München, spricht Englisch mit seinen Gästen bei der Party zur neuen Fassade im Dorotheen-Quartier und versprüht lächelnd seinen Charme: Stanislas Kiabski ist der bärtige und gertenschlanke Managing Director von Tiffany & Co. für Nordeuropa. Damit ist er auch der Big Boss für acht Stores in Deutschland. Stuttgart, sagt der 36-Jährige, sei ein ganz wichtiger Standort für sein traditionelles Haus.

 

Einen roten Teppich haben die Tiffany-Leute am Donnerstagabend für die geladenen Gäste des exklusiven Events nicht ausgerollt – aber einen in der Hausfarbe. Die Farbe Türkis ist eine Übergangsfarbe von Blau zu Grün. Stuttgart, so hat Kiabski bereits gelernt, ist keine Wichtigtuer-Stadt. Aber in Stuttgart ist viel Geld, das einem auf Luxus spezialisierten Unternehmen gute Geschäfte verspricht.

Gastgeber Stanislas Kiabski, der Tiffany-Chef für Nordeuropa. Lichtgut/Christoph Schmidt

Laut Statistik leben 4000 Millionäre in Stuttgart

Bisher galt in Stuttgart das Understatement überwiegend als die wahre Stärke. In Stuttgart leben laut Statistik knapp 4000 Millionäre. Im Land sind’s nur in Baden-Baden noch mehr. An Macht, Geld und wirtschaftlichem Einfluss fehlt es in der Mercedes- und Porsche-Stadt Stuttgart nicht, aber die Überspanntheiten, Aufgeregtheiten und Protzereien, wie sie etwa aus den Schickeria-Hauptzentralen München oder Düsseldorf gemeldet werden, sind – darüber freuen sich viele – in der Kesselgemeinde bisher weitgehend fremd geblieben. Der Luxus, so dachte man, mag in Stuttgart vorhanden sein, wird aber lieber versteckt.

Doch jetzt leuchtet die Symbolfarbe für Luxus riesengroß – die Fassade im Tiffany-Blau ist nach monatelangem Aufbau rechtzeitig zum beginnenden Weihnachtsgeschäft fertiggestellt. Über Umsatzzahlen spricht Stanislas Kiabski, der Tiffany-Chef für Nordeuropa, als Gastgeber des Champagner-Events nicht. Auch ist nicht zu erfahren, wie teuer die imposante Fassade mit handgefertigten Keramikplatten in der typischen Farbe ist, die ein wahrer Hingucker sind. Aber der 36-Jährige spricht über die Vorteile einer neuen Architektur.

In vielen anderen Städten ist Tiffany meist in historischen Bauten zuhause – dort verbietet der Denkmalschutz eine Leuchtfassade, wie sie an diesem Abend als weltweit einzigartig im DoQU gefeiert wird. Vor etwa einem Jahr ist das 1837 von Charles Lewis Tiffany in New York gegründete Unternehmen in dieses Gebäude gezogen, war davor im Breuninger-Stammhaus mit weitaus kleineren Räume vertreten.

Das Ausrufezeichen der Vorderansicht des DoQu-Komplexes unterstreicht, dass das einstige US-Imperium, das inzwischen in französischen Besitz übergangen ist, in Stuttgart optimistisch nach vorne schaut, keine Sorge um die oft beklagte Kaufzurückhaltung in schwieriger Zeit hat. Wenn schon der asiatische Markt vor allem in China wegbricht, soll’s in Europa brummen. Der Gastgeber des Events unterstreicht: Luxus verkauft sich auch in schwierigen Zeiten gut.

An der Wand hängt ein Foto von Audrey Hepburn

Andere Luxusläden der City berichten, dass viele Käufer ihre gekaufte Ware quasi in anonymen Taschen mitnehmen wollen, auf denen kein wohlklingendes Branding zu sehen ist, das für Reichtum steht. In der Stadt wollen sie nicht auffallen. Bei Tiffany ist das anders. „Wir haben nur unsere tiffanyblauen Taschen mit dem Firmenlogo“, sagt eine Mitarbeiterin, „Taschen ohne unseren Namen will niemand.“

Auch im Ladeninneren sieht es nach großer Welt aus. An der Wand hängt unter anderem ein Foto von Audrey Hepburn, die in dem Hollywoodfilm „Frühstück bei Tiffany“ von 1961 zum Ruhm des Juwelierkonzerns bis heute wesentlich beiträgt. „A thing of beauty is a joy forever“, hat die 1993 verstorbene Schauspielerin mit Hand in einem Brief zum 150. Geburtstag von Tiffany geschrieben – auch dieser Brief wird hier ausgestellt.

Was ist das billigste Schmuckstück bei Tiffany in Stuttgart?

Alle Erklärungen sind in englischer Sprache an den Vitrinen verfasst. Der Journalist will wissen, was das billigste Schmuckstück ist, das man bei Tiffany & Co in Stuttgart kaufen kann? Mit 500 Euro ist man dabei! So teuer sind Kordelarmbänder mit Diamanten in der Serie „Support Ocean Conservation“. Ein Teil davon wird an eine Organisation gespendet, die sich für die Rettung der Meere einsetzt. Die Kordeln werden aus Plastikflaschen hergestellt, die an den Strand gespült wurden.

Zu Beginn des Events befinden sich drei dieser Kordelarmbänder in der Vitrine. Eine Stunde später ist es nur noch eines. Zwei Exemplare wurde also bei der Feier rasch verkauft. Der teuerste Schmuck von Tiffany – das geht in die Millionen – ist nicht vor Ort. Der Kunde verzieht sich ins Chambre séparée, um dort in Katalogen das Passende auszusuchen.

Bei einem Unternehmen wie Tiffany ist die Sicherheit, versteht sich von selbst, ganz wichtig. Wie die Bewachung genau geregelt ist, wird freilich nicht verraten, ist aber mit einem hohen Personalaufwand auch nachts verbunden.

Tiffany ist quasi verwandt mit dem Modehaus Louis Vuitton, das sich wenige Meter weiter befindet. Im Jahr 2021 hat der französische Luxuskonzern LVMH, zu deren Tochtergesellschaften Louis Vuitton zählt, den Big Player Tiffany & Co für 15,8 Milliarden US-Dollar bei einem spektakulären Transfer übernommen. Bei diesen Summen wird’s einem total schwindelig.

Wenn man an die langen Schlangen in Stuttgart vor den Tafelläden denkt, erkennt man wieder einmal, wie verrückt die Welt ist, wie unfair die Reichtümer verteilt sind und wie hart gleichzeitig die Armut zuschlägt. Wer aber – nicht nur an Weihnachten – für Menschen, die nicht so viel Glück hatten, spendet, kann sich mit der blauen Tiffany-Tasche in der Hand noch viel stolzer fühlen.

K