An diesem Samstag läuft im ZDF eine neue Folge der Krimireihe „Der Kommissar und das Meer“. Miguel Alexandre hat dabei nicht nur Regie, sondern auch die Kamera geführt: Er ist einer der gefragtesten Männer im deutschen Fernsehen.

Stuttgart - Viele Kameraleute führen irgendwann auch Regie, mitunter ergibt sich daraus eine neue Karriere. Aber warum fängt, umgekehrt, ein Regisseur nach fast zwanzig Jahren an, bei seinen Filmen auch die Kamera zu übernehmen? Der Grimme-Preisträger Miguel Alexandre („Grüße aus Kaschmir“) hat eine Vielzahl aufwendiger Fernsehproduktionen gedreht, darunter Mehrteiler wie „Störtebeker“, „Die Frau vom Checkpoint Charlie“, „Die Patin“, „Schicksalsjahre“ und „Der Mann mit dem Fagott“. Demnächst wird RTL das im Frühjahr verschobene Drama „Starfighter“ zeigen, aber schon an diesem Samstag läuft im ZDF „Das Mädchen und der Tod“, Miguel Alexandres zweiter Beitrag für die Reihe „Der Kommissar und das Meer“ mit dem Stuttgarter Schauspieler Walter Sittler in der Ermittler-Rolle.

 

Zum vierten Mal ist Miguel Alexandre nun in Personalunion Regisseur und Kameramann – und tatsächlich ist es nicht zuletzt die starke Bildgestaltung, die den Reiz dieses Samstagskrimis ausmacht: Der Film zeigt ein spätwinterlich düsteres, voller Geheimnisse steckendes Gotland, das so gar nicht wie ein Ferienparadies wirkt.

Bilder sagen mehr als tausend Worte

Im Gespräch mit Alexandre, der zwar in Portugal geboren, aber in Lübeck aufgewachsen ist, stellt sich heraus, dass die Eingangsfrage falsch formuliert ist. Eigentlich müsste sie lauten: Warum hat er die Kamera nicht schon viel früher übernommen? Er hatte „schon immer eine Affinität zum Erzählen mit Bildern“, sagt er: „Ich habe im Alter von zehn Jahren angefangen, Super-8-Filme zu drehen, und die Kamera dabei natürlich selbst geführt.“ Auch während des Regiestudiums in München und bei seinen ersten Produktionen als professioneller Regisseur sei es für ihn selbstverständlich gewesen, die optische Auflösung allein zu erarbeiten: „Wenn ich ans Set komme, habe ich immer eine konkrete Vorstellung, mit welchen Bildern ich eine Geschichte erzählen will, Einstellung für Einstellung, Schnitt für Schnitt.“ Das habe aber nichts damit zu tun, alles unter Kontrolle haben zu wollen: „Nur auf diese Weise kann ich ein Gefühl für eine Geschichte, für die Dramaturgie, den Rhythmus und die Figuren entwickeln. Für mich liegt in dieser Arbeitsweise der Unterschied zu Inszenierungen am Theater, denn dem Film ist das Erzählen mit Bildern ja immanent.“

Als Alexandre zu Beginn seiner Karriere in Irland einen Kurzfilm drehte, lernte er den Kameramann Brendan Galvin kennen. Für den Iren, mittlerweile „Director of Photography“ in Hollywood, sei seine Arbeitsweise überhaupt kein Problem gewesen, zumal sie im angelsächsischen Raum fast selbstverständlich sei. In Deutschland aber sei das anders. Alexandre hat auch seine ersten Langfilme „Nana“ und „Der Pakt“ mit Galvin gedreht und später Kameraleute wie Jörg Widmer oder Peter Indergand gesucht, denen die angelsächsische Sichtweise nicht fremd ist. Andere Regisseure überlassen die Bildgestaltung dagegen dem Kameramann, weil sie sich auf die Arbeit mit den Schauspielern konzentrieren wollen. Auch so „können natürlich wunderbare Filme entstehen, aber man gibt fünfzig Prozent der Inszenierung aus der Hand.“

Lehrjahre an der Super-8-Kamera

Dass Alexandre die Bildgestaltung nun buchstäblich selbst in die Hand genommen hat, ist ausgerechnet dem Sparzwang der Sender zu verdanken: „Bei meinen ersten Filmen hatte ich noch bis zu 29 Drehtage, mittlerweile sind es oft nur noch 21. Das hat mich unglaublich frustriert, denn um eine Geschichte dramaturgisch präzise zu erzählen, ist eine bestimmte Anzahl von Einstellungen nötig, und dafür braucht man Zeit. Die Lösung war eine zweite Kamera.“ Um weitere Ausgaben zu sparen, übernahm er das Schwenken selbst. Wie man mit dem Gerät umgeht, wusste er ja noch aus den Super-8-Tagen. Und dann stellte er fest, dass er auf diese Weise eine viel größere Nähe zu den Schauspielern erlebte: „Das war eine überraschende und regelrecht beglückende Erfahrung. Da habe ich Blut geleckt, das wollte ich nicht mehr missen, weil diese Arbeitsweise zu einer ganz speziellen Symbiose mit den Schauspielern führt.“ 2012 hat er dann Nägel mit Köpfen gemacht und beim ZDF-Film „Eine verhängnisvolle Nacht“ die komplette Bildgestaltung übernommen.

Alexandre gesteht allerdings, dass die Digitalisierung diesen Schritt erleichtert habe: „Man sieht jetzt auf dem Monitor, was man gedreht hat. Das Wissen, welche Blende man in einer Schattenpartie verwenden muss, um eine bestimmte Zeichnung zu erzielen, hätte ich mir früher nicht zugetraut.“ Die Lichtsetzung betrachtet er ohnehin als „wesentliches und oft unterschätztes Element“ der Bildgestaltung, deshalb verlässt er sich bei diesem Aspekt auf das Können seines Oberbeleuchters. Dass er bei „Starfighter“ wieder mit dem Kameramann Jörg Widmer zusammengearbeitet hat, hat einen einfachen Grund: „Der Film enthält so viele visuelle Effekte, dass es mich beruhigt hat, Jörg mit seiner Erfahrung an meiner Seite zu wissen. Aber das Schwenken habe ich mir nicht nehmen lassen, um die Symbiose mit den Schauspielern zu erleben.“