Die Notenbank verlängert den umstrittenen Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Die monatlichen Ausgaben sollen allerdings sinken. Von einem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik will EZB-Präsident Mario Draghi dennoch nichts wissen.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) verlängert ihre umstrittenen Anleihekäufe um neun Monate und pumpt damit weitere 540 Milliarden Euro in den Markt. Das zunächst bis Ende März befristete Programm werde bis Ende Dezemer ausgedehnt, teilte die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mit. Allerdings werde die monatliche Kaufsumme von derzeit 80 Milliarden Euro ab April auf 60 Milliarden Euro reduziert.

 

Diese Nachricht löste an der Frankfurter Börse kurzzeitig Irritationen aus, der deutsche Aktienindex (Dax) knickte vorübergehend ein. Doch angesichts der substanziellen Ausweitung des Gesamtprogramms fing sich das Börsenbarometer schnell wieder und schloss 1,8 Prozent im Plus bei 11 179,42 Zählern.

EZB-Präsident Mario Draghi wollte den Beschluss nicht als Anfang vom Ende der lockeren Geldpolitik verstanden wissen: „Dies ist kein stufenweiser Entzug“, sagte der Italiener. Mit Blick auf die US-Notenbank Federal Reserve, die ihre Anleihekäufe 2014 unter dem Titel „Tapering“ schrittweise auf null zurückgefahren hatte, erklärte Draghi: „Unter Tapering versteht man eine Reduzierung auf null, darüber ist nicht diskutiert worden.“

„Schritt in die richtige Richtung“

Von einigen Kritikern der Anleihekäufe wurde die Reduzierung der monatlichen Ausgaben gleichwohl begrüßt. Der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest, erklärte: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn es besser gewesen wäre, den Umfang der Käufe Monat für Monat noch stärker zu verringern.“ Der Bundesverband der öffentlichen Banken (VÖB) urteilte, die EZB bekenne sich „zu den Grenzen der Wirksamkeit ihrer bisherigen Politik“. DSGV-Präsident Georg Fahrenschon sagte: „Zwar wird bei der extrem expansiven Geldpolitik der EZB noch nicht der Rückwärtsgang eingelegt, aber offensichtlich das Tempo gedrosselt.“

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer dagegen vermutet, die EZB reduziere die monatliche Kaufsumme aus ganz anderen Gründen. Die Notenbank hatte von vornherein festgelegt, maximal ein Drittel der Schuldtitel eines einzelnen Landes zu kaufen, um den Vorwurf der Staatsfinanzierung zu entkräften. Diese Grenze würde mit den nun beschlossenen Änderungen für Deutschland und Italien Anfang 2018 erreicht, schrieb Krämer in einer Analyse. Dann werde die EZB „gezwungen sein, die Käufe schrittweise einzustellen, wenn sie rechtliche rote Linien nicht überschreiten will“. Krämer vermutet allerdings, dass die Notenbank dann zu neuen Mitteln greifen könnte – etwa noch günstigeren Krediten für Geschäftsbanken: „Heute haben wir leider nicht den Einstieg in den Ausstieg aus der viel zu lockeren Geldpolitik gesehen.“

Die EZB behielt sich ausdrücklich vor, das monatliche Kaufvolumen bei einer Verschlechterung der Wirtschaftslage auch wieder zu erhöhen. „Die Botschaft ist: die EZB bleibt im Markt und übt weiterhin Druck auf die Preise aus“, sagte Draghi.

Die Notenbank will die Inflationsrate in die Höhe treiben

Zu diesem Zweck will die Notenbank anders als bislang auch Staatsanleihen erwerben, deren Rendite noch unterhalb des ihres Einlagensatzes von -0,4 Prozent liegt. Den Einwand eines Journalisten, die für den Kauf der Papiere zuständigen nationalen Notenbanken würden dadurch Geld verlieren, wischte Draghi beiseite: „Die EZB ist nicht dazu da, Gewinne zu erwirtschaften, sondern um Preisstabilität zu gewährleisten.“

Preisstabilität ist laut Definition der Notenbank dann gegeben, wenn die Inflation „unter, aber nahe“ zwei Prozent liegt. Laut der am Donnerstag aktualisierten Prognose ihrer Ökonomen dürfte dieses Niveau aber erst 2019 erreicht werden, die Experten rechnen dann mit einer Teuerungsrate von 1,7 Prozent. Beim Wirtschaftswachstum erwartet die EZB für dieses und nächstes Jahr ein Plus von 1,7 Prozent. für 2018 und 2019 von jeweils 1,6 Prozent.

Banken profitieren von Kursrally

Während die lockere Geldpolitik in der deutschen Öffentlichkeit heftig umstritten ist, bringtsie Aktienanlegern Vorteile. Denn solange die EZB die Zinsen auf Staatsanleihen und Schuldtitel großer Unternehmen drückt, sind Aktien als Alternative besonders gefragt.

Zu den größten Gewinnern im Dax zählten am Donnerstag allerdings auch Banktitel, obwohl die Kreditinstitute unter der Niedrigzinspolitik leiden. Eine mögliche Erklärung für das neu geweckte Interesse der Anleger ist, dass die langfristigen Zinsen in den vergangenen Monaten trotz der EZB-Anleihekäufe leicht gestiegen sind.

Grund dafür sind vor allem die Entwicklungen in den USA: Dort wird die Notenbank Federal Reserve voraussichtlich nächste Woche ihren Leitzins erhöhen. Obendrein erwarten viele Anleger steigende Inflationsraten, weil der designierte Präsident Donald Trump massive öffentliche Investitionen angekündigt hat. Der Anstieg der Zinsen auf US-Treasuries hat auch diesseits des Atlantiks die Renditen langlaufender Staatsanleihen von ihren Rekordtiefs weggezogen.

Wenn die langfristigen Zinsen steigen, die vom EZB-Leitzins unmittelbar beeinflussten Kurzfristzinsen aber niedrig bleiben, ist das für Banken günstig. Denn sie leben unter anderem davon, kurzfristig verzinste Einlagen für langlaufende Kredite zu nutzen. Wenn die Spanne zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen wieder wächst, profitieren die Geldhäuser.