Das Töten männlicher Küken soll nur noch bis Ende des Jahres erlaubt sein. Welche Alternativen gibt es? Der Möhringer Landwirt Lukas Dreyer hält eine Hühnerrasse, die sowohl ausreichend Eier legt als auch genug Fleisch ansetzt.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Möhringen - Lukas Dreyer denkt bei „Coffee and Cream“ sicherlich nicht an einen guten Kaffee am Morgen, sondern eher an ein Frühstücksei. So heißt nämlich die Hühnerrasse, die der Möhringer Landwirt seit gut einem Jahr auf seinem Bauernhof, dem Reyerhof, hält. Knapp 300 Hennen und auch einige Hähne leben in seinem mobilen Stall, einem Anhänger, der jede Woche versetzt wird, damit die Tiere stets frischen Auslauf haben. „Der Dünger verteilt sich gleichmäßig, sie haben immer eine frische Weide, und Parasiten vermehren sich nicht so leicht“, erklärt Dreyer die Vorteile dieser aufwendigen und teuren Hühnerhaltung. „Aber es ist auch die artgerechteste Variante, die Tiere zu halten. Sie haben ein sehr großes Bedürfnis, aktiv zu sein, nach Würmern zu suchen, zu scharren. Der Auslauf ist für sie paradiesisch“, sagt der Bauer.

 

In den nächsten Tagen werden die Hühner allerdings aus ihrem Paradies vertrieben – dann werden aus den 15 Monate alten Tieren Suppenhühner. Kurz darauf kommt der nächste Schwung an 18 bis 20 Wochen alten Legehennen auf den Reyerhof. Auch diesmal hat sich Lukas Dreyer wieder für Coffee-and-Cream-Hühner entschieden. Diese Rasse wurde von der Ökologischen Tierzucht (ÖTZ), einer Initiative der Bioverbände Demeter und Bioland, gezüchtet. Die Tiere werden auch als „Zweinutzungshühner“ bezeichnet. Das soll ausdrücken, dass sowohl die Hennen als auch die Hähne dieser Rasse „genutzt“ werden können, also genügend Ertrag abwerfen. Bundesweit werden bislang etwa 100 000 Hühner dieser Rasse gehalten. Zum Vergleich: In ganz Deutschland gibt es mehr als 40 Millionen Legehennen.

Huhn und Hahn sind beide wirtschaftlich

„Es geht darum, um die Kükentöterei herumzukommen“, erklärt Lukas Dreyer und meint damit die bis heute übliche Praxis, die männlichen Küken der Legehennen gleich nach dem Schlüpfen zu vergasen oder zu schreddern, da sie wenig Fleisch ansetzen und sich ihre Aufzucht wirtschaftlich nicht lohnt. Anders bei den Zweinutzungshühnern: „Bei dieser Rasse hat man einen Kompromiss zwischen ausreichender Legeleistung der Schwestern und ausreichendem Fleischansatz der Brüder.“ Ein Huhn dieser Rasse legt mit 230 Eiern pro Jahr zwar weniger als klassische Legehennen mit bis zu 320 Eiern pro Jahr. Entscheidend ist aber, dass auch die Hähne in angemessener Zeit ein ordentliches Gewicht erzielen, sodass es sich für Landwirte lohnt, sie aufzuziehen.

Bruderhähne setzen zu wenig Fleisch an

Das ist der große Unterschied zu den Bruderhahn-Initiativen, bei der die Hähne über die Hennen subventioniert werden. „Diese Hähnchen haben so wenig Fleischansatz, dass man sie nicht als Brathähnchen vermarkten kann“, erklärt Lukas Dreyer. Ihr Fleisch könne nur verarbeitet werden, zum Beispiel zu Wurst, das sei „besser als nichts“, sagt er. „Aber die Hähnchen sind für sich genommen nicht wirtschaftlich, sie finanzieren sich nur über die gute Legeleistung der Hennen.“

Man müsse sich nichts vormachen, sagt der Möhringer Bauer, Zweinutzungshühner würden nie so profitabel sein wie Legehennen oder Masthähnchen, es gehe um den richtigen Kompromiss. „Das bedeutet natürlich, dass das Fleisch und die Eier teurer sind, anders geht es nicht.“ Bei ihm kostet ein Ei 71 Cent. Eigentlich müsste er 80 Cent verlangen, um kostendeckend zu arbeiten. Dass er trotzdem hinkommt, liegt daran, dass er seinen Hof als solidarischen Landwirtschaftsbetrieb führt und ein Bereich den anderen mittragen kann. Teurer wolle er die Eier nicht verkaufen, er wisse, dass es schon jetzt ein Eliteprodukt sei.

Die neue Rasse muss noch weiterentwickelt werden

Von jedem verkauften Ei spendet Lukas Dreyer einen Cent an die Ökologische Tierzucht – 2020 kamen so 650 Euro zusammen. Er hofft, dass die Initiative die Hühnerrasse weiterentwickelt. Ihm ist zum Beispiel der Futtereinsatz zu hoch. Dabei geht es Dreyer um die Kosten, aber ebenso um eine ethische Frage. Schließlich fressen die Hühner Futter von unseren Brotgetreideflächen – und das nicht zu knapp. „Das sind Hochleistungstiere, sie brauchen sehr konzentriertes, nährstoffreiches Futter mit hoher Eiweißzufuhr. Bekommen sie minderwertiges Futter, geht es an ihre Körpersubstanz, und die Tiere bauen sehr schnell ab“, sagt Dreyer und erklärt auch, warum das so ist. Eine klassische Legehenne frisst etwa 130 Gramm am Tag und legt fast täglich ein Ei mit 70 Gramm. „Das muss man mal im Verhältnis sehen.“

Dreyer möchte deshalb ein wenig experimentieren und herausfinden: Mit wie viel Futter kommt ein Huhn aus und bringt immer noch eine gute Legeleistung? Seine Motivation ist dabei: „Ich möchte eine nachhaltige, zukunftsfähige Lebensmittelproduktion auf allen Ebenen und möchte dabei gemeinwohlorientiert und enkeltauglich agieren. Mit dem Zweinutzungshuhn wird man dem Respekt gegenüber dem Leben vielleicht gerechter.“

Dass das Töten männlicher Küken nur noch bis Ende des Jahres erlaubt sein soll – das Bundeskabinett hat vergangene Woche einen entsprechenden Gesetzentwurf gebilligt –, heißt Lukas Dreyer grundsätzlich gut. „Dass das Thema eine Rolle spielt in der Gesellschaft, würde ich als Erfolg verbuchen“, sagt er. „Ob die Maßnahmen sinnvoll sind, wird sich zeigen.“