Seit einem Monat hat Leinfelden-Echterdingen eine neue Kulturamtsleiterin: Carolina Gleichauf will zunächst die Bürger befragen und dann Kultur stärker als bisher in der Stadt verankern. Ihr E-Bike könnte dabei hilfreich sein.

Die korrekte Verwendung von Namenszusätzen ist offenbar nicht nur in Österreich wichtig, sondern auch in Leinfelden-Echterdingen. Carolina Gleichauf (43), seit Anfang Mai die neue Kulturamtsleiterin, erwähnt in ihrem Vergleich nämlich nicht einfach den Dirigenten Simon Rattle, sondern sie stellt seinem Namen den Sir voran: „Im Prinzip ist es ein bisschen so, wie wenn Sir Simon Rattle mit Jugendlichen ein Konzert macht“, sagt Craolina Gleichauf, wenn sie das Modell der Bürgerbühnen beschreiben möchte, die Inszenierung eines Theaterstücks mit einem Regie-Profi und vielen Laiendarstellern. So etwas – ein „großes Theaterstück, das die Geschichte auf unterhaltsame Weise thematisiert“ – schwebt ihr beim Stadtjubiläum im Jahr 2025 zur Feier des 50-jährigen Bestehens vor.

 

Das Stadtjubiläum (mit geplantem Straßentheater) reiht Carolina Gleichauf unter „kulturelle Leuchttürme“ ein – genauso wie den Leinfelden-Echterdinger Kunstpreis für junge Künstler namens Kunsthub. Die „Leuchttürme“ stehen ihrer Ansicht nach am oberen Ende einer „gesunden Bandbreite aus kultureller Grundversorgung und Leuchttürmen“, die sie in der Stadt gewährleisten will. Mit „kultureller Grundversorgung“ meint sie unter anderem „Konzerte in der Filderhalle“, diesbezüglich hat sie spezielle Ideen: „Mein Ansinnen ist es, mal ein Kammerkonzert des Staatsorchesters Stuttgart in die Filderhalle zu holen.“

Geige und Pilates

Die Verbindungen zu den Staatstheatern Stuttgart hat sie ja: Zur Spielzeit 2016/17 übernahm sie die Leitung der Kommunikationsabteilung am Schauspiel Stuttgart, von dort aus bewarb sich die Pressesprecherin als Kulturamtsleiterin in Leinfelden-Echterdingen: „Ich habe davor Kultur verkauft, und ich wollte wieder Kultur mitgestalten, fördern, und stärken – sprich, mehr inhaltlich arbeiten“, so kommentiert sie ihre Entscheidung für den Wechsel.

Sie kommt ja gewissermaßen vom Mitgestalten: „Mir war klar, ich möchte ans Theater, und klassischerweise fängt man als Regieassistentin an“, so erzählt sie vom ersten beruflichen Schritt nach ihrem Theaterwissenschaftsstudium in Berlin. Dorthin ist die gebürtige Freiburgerin mit 19 gezogen, als ihr ihre damalige Heimat „zu klein“ geworden war. Neben dem Studium spielte sie Geige im Orchester der Humboldt-Universität und veröffentlichte Artikel zu italienischen Medienphänomenen in der Wochenzeitung „Der Freitag“. Nach ihrer Zeit als Regieassistentin in Bielefeld wurde sie Kinder- und Jugenddramaturgin in Wilhelmshaven.

Dann wollte sie sich „mehr mit der Stadt vernetzen“ und bekam die Stelle als Pressesprecherin in Stuttgart, wo sie nach wie vor mit ihrer Familie wohnt. Die Kinder sind 8 und 14, zwischendurch macht sie Pilates, und seit dem 2. Mai fährt sie montags bis freitags 35 Minuten mit dem E-Bike nach Leinfelden-Echterdingen. „Man muss in Bewegung bleiben“, sagt sie.

Die Kultur soll zu den Menschen

Wenn man die Wahlstuttgarterin fragt, ob sie Leinfelden-Echterdingen attraktiv findet, antwortet sie so überlegt, wie sie Namenszusätze verwendet: „Die Stadt kann sich attraktiver machen, indem die Kultur noch mehr in den öffentlichen Raum geht und noch mehr sichtbar wird. Ansonsten ist es offenbar attraktiv für Firmen, sich hier niederzulassen. Die Anbindung ist gut, die wird ja auch noch besser.“ Sie hat sich schon umgeschaut: „Gerade für jemanden, der das Ländliche mag – Richtung Musberg – ist es sicher schön, hier zu leben.“

Was ihr Wirkungsfeld betrifft, verspürt Carolina Gleichauf offenbar weniger Notwendigkeit für diplomatische Feinheiten: „Hier gibt es viele unterschiedliche Kulturangebote auf hohem Niveau“, sagt sie, und dass es ihr darum gehe, „Kultur noch mehr in der Stadt zu verankern und größer und sichtbarer zu machen.“ Just hier liege eine ihrer Stärken: „Zu wissen, wie man Plattformen schafft, um die Kultur noch mehr zu den Menschen zu bringen.“

Junge Bands in die Mäulesmühle

Konkretisieren möchte sie dieses Anliegen beispielsweise in der Theaterscheuer Mäulesmühle, wo das Volkstheaterprojekt Hannes und der Bürgermeister im Mai seine letzte Vorstellung gegeben hat. Carolina Gleichauf möchte die „Traditionsspielstätte neu gestalten“, sagt sie. „Künstler, die noch keinen großen Saal füllen“, sollen dort eine Bühne bekommen. Der neuen Leiterin des elf Mitarbeiter zählenden Kulturamts von Leinfelden-Echterdingen schwebt eine „Mischung aus intelligentem Kabarett, Poetry Slam und jungen Bands“ vor.

Aber zunächst einmal möchte Carolina Gleichauf herausfinden, was in der Stadt Leinfelden-Echterdingen überhaupt gewollt wird: „Wir möchten eine Befragung unter den Bürgern und den Kulturschaffenden zum Status Quo der Kultur machen. Wo stehen wir und wo wollen wir hin?“ Kultur, die nicht „andockt“, wie sie das nennt, wolle sie nicht erzwingen, sagt sie. Dann fährt sie mit dem E-Bike zum Treffen mit den Theatermachern und hofft, dass sie schneller ist als das herannahende Gewitter.