Es war eine schwere Geburt – vor allem für die CDU. Dort brodelt es, nachdem die Liste der Minister und Staatssekretäre verkündet worden ist. Muhterem Aras könnte die erste Frau an der Spitze des Parlaments werden.

Stuttgart - Die Schlaumeier wollen’s natürlich geahnt haben. „Dacht ich mir’s doch, die Hoffmeister-Kraut“, sagt ein CDU-Mann, als am Dienstagmorgen der Name der neuen Wirtschaftsministerin durchsickert. Lag ja auch irgendwie auf den Hand, eine Landtagsnovizin zu berufen, oder? In Wirklichkeit erfahren die meisten Abgeordneten zu dieser frühen Stunde von Journalisten, wer was wird in der neuen Landesregierung. „Ich hab’ bis jetzt keinen Anruf bekommen“, sagt eine Abgeordnete trotzig und entschwindet in den Saal, wo CDU-Parteichef Thomas Strobl die Kabinettsliste bekannt geben will. Bis dahin ist er verschlossen wie eine Auster.

 

Wie groß der Unmut in der CDU-Landtagsfraktion ist, wird am Nachmittag deutlich. Eigentlich sollte nur eine Probeabstimmung für die Wahl des Ministerpräsidenten an diesem Donnerstag stattfinden. Doch die Abgeordneten nutzen das geheime Votum, um ihrem Ärger über die von Strobl präsentierte Kabinettsliste Luft zu machen. Fast ein Drittel verweigert Winfried Kretschmann die Stimme. Entsprechend groß ist das Entsetzen bei den CDU-Oberen. Eindringlich reden Strobl, der neue Fraktionschef Wolfgang Reinhart und sein Vorgänger Guido Wolf den Parlamentariern ins Gewissen: Das könnten sie nicht machen, heißt es beschwörend, am Ende komme es doch noch zu Neuwahlen.

Strobl ist laut Teilnehmern derart erbost, dass er den zweiten Probelauf nicht mehr abwartet. Er stürmt erzürnt aus dem Sitzungssaal. Schlichtweg „dumm“ sei es, was da gerade abgelaufen sei, schimpfte er laut Teilnehmern, dafür stehe er „nicht zur Verfügung“. Die CDU-Abgeordneten versuchen noch, ihren Parteichef aufzuhalten. „Bleib doch da“, rufen sie Thomas Strobl hinterher. Beim zweiten Anlauf immerhin wirken die Standpauken: diesmal gibt es 31 Ja-Stimmen und nur fünf Verweigerer. Aber würden die auch am Donnerstag bei der Stange bleiben, wird sorgenvoll spekuliert, wenn über den Ministerpräsidenten geheim abgestimmt wird?

Der Aufstand gilt Strobl, nicht Kretschmann

Der Aufstand gilt freilich nicht dem Grünen Kretschmann, sondern dem eigenen Parteichef. Erbost sind viele darüber, dass Strobl die Fraktion – in besseren Zeiten das Machtzentrum der Landespolitik – nicht in die Besetzung des Kabinetts eingebunden habe; dort habe er am Vormittag nur noch seine Liste verlesen. Zudem sieht sich die Fraktion personell zu wenig berücksichtigt: nur zwei der fünf CDU-Minister entstammen ihr, gerade mal vierzig Prozent, wie flugs gerechnet wurde, drei kommen von außen. Manche, die vergeblich auf einen Posten gehofft hatten, dürften nun ihr Mütchen gekühlt haben.

Nur mit ganz wenigen hat der Chefunterhändler die heikle Kabinettsbildung besprochen – vor allem, so hört man, mit EU-Kommissar Günther Oettinger, der selbst einmal eine solche Liste erstellt hat. Bei all den unterschiedlichen Erwartungen – von der Frauenquote über den Bezirksproporz bis hin zu Fraktionsinteressen – erschien die Besetzung der fünf CDU-Minister- und vier Staatssekretärsposten schwieriger als die Verhandlungen mit den Grünen.

Woran lag’s? Guido Wolf sei das Hauptproblem gewesen, sagt einer, der es wissen muss. Der glücklose Spitzenkandidat wollte partout Wirtschaftsminister werden und habe erst eingelenkt, als namhafte Verbandsvertreter ihm öffentlich die Eignung dafür abgesprochen hatten. Da der Spott sich bekanntlich gern zum Schaden gesellt, kursiert schnell das Bonmot vom „Problem-Wolf“ – analog zum Problem-Bär, der vor Jahren durch bayerische Wälder geisterte. Schmackhaft gemacht wurde ihm der Happen schließlich durch zwei zusätzliche Aufgabenbereiche: Als Justizminister wird Wolf auch für Europa und Tourismus zuständig sein.

Kretschmann schweigt zu den Querelen bei der CDU

„Tourismus???“ Man blickt in so manches verständnislose Gesicht. Vor allem Juristen schütteln grinsend den Kopf („Wo ist der schönste Knast?“) und lassen sich den Namen auf der Zunge zergehen: Minister für Justiz und Tourismus . . . Aber so soll das Haus ja offiziell nicht heißen, sondern „Ministerium der Justiz und für Europa“. Als Strobl auf der Pressekonferenz danach gefragt wird, fällt ihm die Antwort sichtlich schwer. Europa und Tourismus sei doch naheliegend und eine „sehr schöne Kombination“. Die übrigen CDU-Personalien sind weniger spektakulär. Allenfalls dass Volker Schebesta Staatssekretär bei der neuen Kultusministerin Susanne Eisenmann wird, nicht aber Georg Wacker, der dieses Amt von 2006 bis 2011 inne hatte, sorgt für Erstaunen. Hier hat Eisenmann, die ebenso wie Schebesta ein pragmatisches Verhältnis zu Gemeinschaftsschulen hat, wohl ein gewichtiges Wort mitgeredet. Dass auch CDU-Generalsekretärin Katrin Schütz, die in Karlsruhe ihr Mandat verloren hat, zur Staatssekretärin erkoren wird, war hingegen allgemein erwartet worden. „Jetzt weiß ich, was Schützenhilfe heißt“, lästert ein älterer CDU-Mann. Und einer ätzt: „Man muss Wahlen verlieren, um bei der CDU was zu werden.“ So changiert die Stimmung in der CDU-Fraktion zwischen Dur und Moll. Die einen meckern, der konservative Flügel um Winfried Mack sei nicht bedient worden, andere wiederum räsonieren, der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß habe doch Wirtschaftsminister werden wollen, aber eben leider nicht zur Frauenquote gepasst.

Kretschmann sagt auf der Pressekonferenz am Vormittag zu all dem gar nichts. Personalien des Partners sind in Koalitionen traditionell tabu. Aber über sich selbst gibt er gern Auskunft. „Es wird Sie nicht überraschen, dass ich als Ministerpräsident kandidieren werde“, sagt er. Strobl fügt zu dem Zeitpunkt noch augenzwinkernd hinzu: „Die CDU wird keinen Gegenkandidaten aufstellen.“ Woraufhin der Grüne antwortet: „Das ist ja schon mal beruhigend.“ So plätschert er munter, der grün-schwarze Dialog. Amt für Amt stellen beide die neuen Minister und Staatssekretäre vor, die sich hinter ihnen postiert haben. Und natürlich verteilen sie jede Menge Vorschusslorbeeren. Elite, wohin man blickt. So wird Franz Untersteller (Grüne) zum Minister, der in seinem Ressort „alles selber machen“ könnte, wenn er denn wollte. Kunst-Staatsekretärin Petra von Olschowski „kennt die Kunstszene wie ihre Westentasche“, und Kultusministerin Susanne Eisenmann hat ihre Aufgabe als Stuttgarter Schulbürgermeisterin „glänzend gemeistert“. Wolf lächelt fein, als Strobl seine Expertise hervorhebt. Er sei früher Verwaltungsrichter gewesen, so der CDU-Chef. Jedenfalls werde Wolf ein „hervorragender Justizminister“.

Einen Staatssekretärsposten hat Strobl noch nicht besetzt – offenbar für den Fall, dass der frühere Europaminister Wolfgang Reinhart in der Kampfabstimmung um den CDU-Fraktionsvorsitz unterliegen würde. Dann hätte er ins Justiz- und Europaministerium wechseln können. Das ist nun nicht mehr nötig, denn Reinhart setzte sich am Dienstag gegen Willi Stächele durch und wird neuer CDU-Fraktionschef (siehe unten). Eine Leerstelle hat die Regierung also noch. Im Gespräch ist der frühere Freiburger Regierungspräsident Julian Würtenberger, der derzeit im Bundesfinanzministerium arbeitet und als Vertrauter von Strobl gilt.

Einen Staatssekretärsposten hat Strobl noch nicht besetzt – offenbar für den Fall, dass Ex-Europaminister Wolfgang Reinhart in der Kampfabstimmung um den CDU-Fraktionsvorsitz unterliegt. Dann hätte er ins Justiz- und Europaministerium wechseln können. Das das ist ja nun nicht mehr nötig. Im Gespräch ist nun der frühere Freiburger Regierungspräsident Julian Würtenberger, der bisher noch im Bundesfinanzministerium arbeitet.