Die landschaftliche Idylle trügt: Der Schwarzwaldberg Schauinsland bei Freiburg ist ein Dokumentationsort deutscher Luftverschmutzung. Seit 55 Jahren wird hier atmosphärisch gemessen, seit 48 Jahren der Klimakiller CO2 erfasst. Wohl ist es den Wissenschaftlern dabei nicht.

Freiburg - Frank Meinhardt und seine Kollegen merken schnell, wenn die Luft schlecht wird. Mit modernen Messinstrumenten erfassen sie die Luftqualität. Und sind mit ihrer Messstation auf dem Schwarzwaldberg Schauinsland bei Freiburg ein Gradmesser, wie es um die Sauberkeit der Luft bestellt ist. Mit dem Klimawandel gewinnt ihre Arbeit an Bedeutung. Im Blick haben die Wissenschaftler vor allem den Klimakiller CO2. Das ist die chemische Formel für Kohlenstoffdioxid. Nirgendwo anders in Europa wird das Treibhausgas in der Luft schon so lange gemessen wie im Schwarzwald.

 

Die Messstation Schauinsland wird betrieben vom Umweltbundesamt. Sie steht, umgeben von Wald und Wiesen, auf 1205 Metern Höhe. Nach der Zugspitze in Bayern ist sie die zweithöchste Luftmessstation der Republik. Für die Messung der Luftwerte habe sie wegen der exponierten Lage in Deutschlands höchstem Mittelgebirge eine besonders große Reichweite und liefere repräsentative Aussagen, sagen die Wissenschaftler. Vor allem Luftmassen, die weite Wege zurücklegen, können so gut erfasst werden. Als vor zehn Jahren in Island der Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, war Schauinsland die erste Station in Deutschland, die dies nachweisen konnte. Die Vulkanasche legte damals den Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas lahm.

Die Menschen konnten kaum atmen

„Wir messen Luftverschmutzung außerhalb von Ballungsräumen“, sagt Meinhardt, der Leiter der Station. Während Großstädte vor allem Feinstaub, die Stickoxide und Ozon im Blick haben, werde hier eine wesentlich größere Palette an Luftschadstoffen erfasst. Regen und Feinstaubproben liefern die Datenbasis, empfindliche Messgeräte ermitteln die Luft- und Schadstoffwerte. Und können so feststellen, wie es um die Atmosphäre bestellt ist.

Gemessen wird seit 1965, seit 1972 wird auch Kohlenstoffdioxid erfasst. „Für Kohlenstoffdioxid existiert am Schauinsland damit die längste Messreihe Europas“, sagt ein Sprecher des Umweltbundesamtes. Im Blick haben die Wissenschaftler vor allem langfristige Entwicklungen.

„Unsere Messungen sind ein Spiegelbild der jeweiligen Zeit“, sagt Meinhardt, der seit fast 30 Jahren auf dem Schwarzwaldberg arbeitet. Schwefel, Asche, Ruß und Staub sowie als Folge der Saure Regen kennzeichneten die 1960er, 70er und 80er Jahre, sagt er. Das Ruhrgebiet mit seinen Kohlekraftwerken sowie der hohe Braunkohleanteil in den Anlagen der Schwerindustrie der ehemaligen DDR und den osteuropäischen Länder sorgten für Luftverschmutzung. Die Menschen konnten kaum durchatmen. Der Himmel war grau, statt blau.

Seit 1990 seien diese Werte deutlich gesunken, sagt Meinhardt. Die Politik habe zuvor reagiert und Abgasvorschriften drastisch verschärft. Schornsteine und Industrieanlagen bekamen Ruß- und Staubfilter, Autos bleifreies Benzin und Katalysatoren. Die Luft wurde deutlich besser. Die Schadstoffbelastung, vor allem bei den Schwefelverbindungen und dem Feinstaub, ging messbar zurück.

CO2-Werte dramatisch gestiegen

„In den 2000er Jahren hieß es dann: Aus der Luft ist die Luft raus“, sagt der 57 Jahre alte Diplom-Physiker. Luftmessungen wurden infrage gestellt, weil sich die Lage verbessert hatte: „Es ist richtig, dass wir heute - vor allem wegen der verschärften Abgas- und Umweltvorschriften - eine weitaus bessere Luftqualität haben.“ Es sei jedoch eine neue Gefahr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Sorge macht den Wissenschaftlern nun vor allem CO2. Seit Beginn der entsprechenden Messungen vor 48 Jahren sind die CO2-Werte dramatisch gestiegen. Dies lasse sich am Schauinsland belegen. Eine Trendwende sei nicht erkennbar. Im Gegenteil: Die CO2-Belastung werde immer größer, das Tempo nehme zu. „Wenn man sich die Werte und die Entwicklung anschaut, kann man schon pessimistisch werden“, sagt Meinhardt. Mehr Klimaschutz, um die Erderwärmung zu stoppen, sei dringend nötig. Ziel müsse es sein, „Schadstoffquellen großräumig zu reduzieren“. CO2 sei zur inzwischen größten Klimagefahr geworden. Ein Umdenken und mehr Klimaschutz seien dringend nötig.

Ein weiteres Beispiel ist Ozon. Schauinsland habe, wegen der Mittelgebirgslage, deutschlandweit eine der höchsten Werte des giftigen und für die menschliche Gesundheit gefährlichen Gases in der Troposphäre. Vor allem nach längeren Schönwetterperioden im Frühsommer können hier sehr hohe Ozonkonzentrationen auftreten.

Vier Millionen für den Neubau

Für den Schutz von Mensch, Umwelt und Klima biete die Arbeit der Messstationen die fachliche und wissenschaftliche Grundlage, heißt es beim Umweltbundumweltamt. Sie werde fortgeführt. Auch auf dem Berg im Schwarzwald: Das aus dem Jahre 1942 stammende Gebäude, in dem heute vier Beschäftigte arbeiten, soll in den nächsten zwei bis drei Jahren abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Investiert werden in den Neubau den Angaben zufolge vier Millionen Euro.

Der Schauinsland bleibt damit ein Zentrum für Luftmessung. Direkt neben der Messstation des Umweltbundesamt betreibt auf dem Berg das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine Messanlage zur weltweiten Überwachung von Radioaktivität. Nachgewiesen werden können selbst geringste Konzentrationen radioaktiver Stoffe in der Luft. Gemessen wird laut der Behörde Radioaktivität von Atomkraftwerken. Zudem ist die Anlage laut der Behörde die einzige Radioaktivitätsmessstation in Mitteleuropa zur Überwachung des Kernwaffenteststopp-Abkommens. Im Herbst 2018 war sie modernisiert und erweitert worden.