Christina Vollmer will im Stadtmuseum nicht nur zurückblicken. Für die Kulturwissenschaftlerin steht das Heute ebenso im Vordergrund wie das Gestern. Ihre erste große Ausstellung befasst sich mit vergessenen Alltagsgegenständen.

Gerlingen - Das Thema ihrer ersten Ausstellung sagt viel aus: „Verschwundene Dinge“ heißt die Schau, die im Alten Schulhaus an der Weilimdorfer Straße vom 3. November an gezeigt wird. Das Telefon mit Wählscheibe wird da ebenso zu sehen sein wie ein Walkman mit Tonbandkassette oder eine Milchkanne. Gegenstände, die früher selbstverständlich genutzt wurden – und die irgendwann nicht mehr gebraucht wurden. Meistens, weil die Technik Fortschritte gemacht hatte. Milchtüte statt Milchkanne.

 

Vom Wirtshaus zum Schulhaus

Christina Vollmer ist seit Juni die neue Chefin im Gerlinger Stadtmuseum; zuvor hatte sie sieben Jahre lang in Benningen das Museum im Adler geleitet. Das Arbeiten im historischen Gebäude verbindet ihre alte mit ihrer neuen Wirkungsstätte. Wobei der Adler, ein altes Wirtshaus in der 6500-Einwohner-Gemeinde am Neckar, ein gutes Stück älter ist als das Alte Schulhaus in Gerlingen. „Der Adler stammt aus dem 17. und 18. Jahrhundert“, erzählt die 39-Jährige. Das ehemalige Schulhaus hat gerade mal 200 Jahre auf dem Buckel – und beide Gebäude haben mit Alltagskultur zu tun.

Das ist das Thema, das die Kulturwissenschaftlerin brennend interessiert. Sie hat in Tübingen beim renommierten Professor Gottfried Korff studiert – der dem legendären Hermann Bausinger nachfolgte und die Empirische Kulturwissenschaft weiterentwickelte. Diese ist weit mehr als das Fach Geschichte. Im Mittelpunkt stehen der Mensch, sein Alltag und die Frage, wie sich dieser entwickelt. Diesen Ansatz verfolgt auch die neue Museumschefin in Gerlingen. Und: „Sammeln ist die eine Aufgabe eines Museums“, sagt sie, „Darbieten ist die andere.“ Dabei müsse die Aura eines Museums und das Authentische seiner Themen bei den Ausstellungen ganz vorne stehen.

Personalisierter Ansatz

Damit ein Gegenstand und dessen Funktion echt wirken, verbindet man ihn am besten mit Menschen. Diesen personalisierten Ansatz der Museumsdidaktik verfolgte auch Vollmers Vorgängerin Catharina Raible, die nach Bietigheim-Bissingen ging. Menschen können Geschichten erzählen – viel besser, als dies Gegenstände vermögen. Wobei viele Dinge nicht nur an eine Person gebunden sind.

Christina Vollmer holt ein Ausstellungsstück, das auch das Titelbild für „Verschwundene Dinge“ abgeben soll: eine Parkuhr. Mit Schlitz für Markstücke und Zehnerle, mit Drehrad und dem roten Schild „Abgelaufen“. Ein Gegenstand, wie ihn viele Autofahrer kennen, ein Symbol für einen Teil des Lebens nach dem Krieg. Andere Gegenstände sucht Vollmer noch: eine Telefonzelle und eine Stempeluhr. Letztere womöglich von einer Gerlinger Firma, und mit den Karten der Menschen, die sie zuletzt benutzt haben. „Das wäre unheimlich schön“, meint die Museumsleiterin. Sie will „einen schönen Querschnitt“ aus dem Leben darbieten.

Was verschwindet als Nächstes?

Zu ihrem Ansatz „vom Gestern zum Heute“ gehört auch das Morgen. „Wir fragen uns auch, was als Nächstes verschwinden wird“, meint Vollmer, „sind es die Autos oder ist es das Bargeld? Wir müssen auch Raum geben zum Nachdenken.“

Jedenfalls dürfe sich ein Stadtmuseum auch mit aktuellen Themen befassen. Ein „Stadtmuseum“ müsse sich von einem „Heimatmuseum“ unterscheiden – im Wort wie im Anspruch. „Im Kern sind wir zwar gleich, wir beschäftigen uns mit Ortsgeschichte.“ Ein Stadtmuseum sei aber größer als ein Heimatmuseum, es habe mehr Zielgruppen und gesellschaftliche Ebenen, zudem eine Leitung mit wissenschaftlichem Hintergrund.

Heimat können viele Orte sein

Apropos Heimat. In Benningen habe sie sich ausführlich mit dem Thema Heimat befasst – wenige Monate, bevor dies Catharina Raible in Gerlingen tat. Heimat könnten für sie mehrere Orte sein. Das sehe sie an sich selbst: Ihre Eltern und eine Oma kommen aus Mannheim, sie selbst wuchs in Neckarrems auf. Jetzt wohnt sie mit Mann und zwei Töchtern in Marbach. Einen Mannemmer Slang hört man aber aus ihrem Mund nicht.