Nach zehn Jahren hat Jens Stoltenberg sein Amt als Nato-Generalsekretär an Mark Rutte übergeben. Der Neue gilt als äußerst erfahrener Politiker, doch ihn erwarten schwierige Aufgaben.
Jens Stoltenberg ist eher der hölzerne Typ. Doch am Dienstag wurde der Norweger geradezu überschwänglich emotional. Im Brüsseler Nato-Hauptquartier lobte er bei einer Zeremonie zur symbolischen Stabübergabe seinen Nachfolger Mark Rutte als Nato-Generalsekretär in den höchsten Tönen. Er betonte, dass sich beide vor Jahren schon als Premierminister ihrer beider Länder schätzen gelernt hätten.
Der Niederländer nahm diese Hommage lächelnd entgegen und überschüttete den 65-jährigen Stoltenberg seinerseits mit Komplimenten. „Ich kann kaum erwarten, mit der Arbeit zu beginnen“, verriet Rutte, doch die Schuhe seien sehr groß, in die er nun steigen müsse. Stoltenberg hinterlasse die Nato nach seiner zehnjährigen Amtszeit größer, stärker und geeinter. Beide betonten die Einheit und Geschlossenheit unter den 32 Mitgliedstaaten.
Solidarität mit der Ukraine
Solidarität mit der Ukraine
Diese Aussage kann als deutlicher Wink an die Machthaber im Kreml gedeutet werden, die seit Jahren daran arbeiten, die Nato zu spalten. Mark Rutte machte klar, dass die Unterstützung der Ukraine nach dem Überfall Russlands eine der Prioritäten sei. „Wir müssen sicherstellen, dass die Ukraine als souveräne Nation überlebt“, unterstrich der 57-Jährige in Brüssel, das stehe „ganz oben auf der Liste“ seiner Aufgaben. Die Militärallianz müsse in Zukunft noch mehr für die kollektive Verteidigung und die Abschreckung tun. Wie sein Vorgänger wird auch Rutte die Mitglieder dazu drängen, das Nato-Ziel zu erfüllen, dass zwei Prozent der Wirtschaftsleistung ins Militär fließen.
Deutschland hat jüngst erstmals seit drei Jahrzehnten wieder geplante Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes gemeldet. Das entspricht einer Summe von knapp über 73 Milliarden Dollar. In den Jahren des Kalten Krieges hatte die Quote meist bei über drei Prozent gelegen.
Rutte betonte, dass die Nato unter seiner Führung die Partnerschaften mit Drittländern ausbauen werde, „auch in Fernost“. In diesem Fall reagiert die Allianz auf den Druck der USA, das Bündnis deutlich stärker als bislang gegen mögliche Bedrohungen aus China in Stellung zu bringen. Für Rutte könnte das eine schwierige Gratwanderung werden. Europäische Alliierte wie Frankreich und Deutschland stehen dem Kurs der USA in der China-Politik eher kritisch gegenüber. Aber das ändert sich gerade. Peking hat den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bisher nicht öffentlich verurteilt und liefert nach Einschätzung westlicher Beobachter zivil wie militärisch nutzbare Güter an Moskau. Die Nato hatte China zuletzt einen „entscheidenden Befähiger“ Moskaus genannt.
Trump-sichere Zone
Trump-sichere Zone
Die größte Herausforderung dürfte Rutte nach nach einem Wahlsieg Donald Trumps ins Haus stehen. Der Niederländer, der sein Land 14 Jahre unter verschiedenen Regierungskoalitionen durch turbulente Zeiten geführt hat, setzt auf Vermittlung: „Ich bin nicht besorgt, ich kenne beide Kandidaten sehr gut.“ Er habe während Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 vier Jahre lang mit ihm zusammengearbeitet. „Er hat uns zu höheren Ausgaben gedrängt und er hatte Erfolg, denn in der Tat sind wir derzeit auf einem viel höheren Ausgabenniveau als bei seinem Amtsantritt“. Auf der anderen Seite habe die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris eine „fantastische Bilanz als Vizepräsidentin“. Er werde mit jedem Sieger zusammenarbeiten können.
Die Nato hat sich im Fall der Ukraine-Hilfe allerdings bereits auf die mögliche Wahl Trumps vorbereitet. Beim Gipfel in Washington im Juli hatten die Mitgliedsländer eine stärkere Rolle der Militärallianz und ein neues Hauptquartier in Wiesbaden beschlossen, um die Hilfen „Trump-sicher“ zu machen. Denn der Republikaner droht Kiew mit einem Stopp der Milliardenhilfen und behauptet, er könne den Konflikt mit Moskau binnen 24 Stunden befrieden. Bisher sind die USA federführend bei der Koordinierung der internationalen Hilfen.