Wo früher Gottesdienste stattfanden, ist jetzt die „HuM-Base, ein Ort für Kunst. Kommunikationsdesigner haben aus der Kirche einen Kreativraum gemacht.

Stuttgart - Von außen ist es auf den ersten Blick nicht erkennbar, aber im Eckartshaldenweg 7 unweit des Pragfriedhofs befand sich einst eine Neuapostolische Kirche. Als die Religionsgemeinschaft ihre Gemeinde mit jener in der Einkornstraße im Stuttgarter Osten zusammenlegte, stand das Haus für einige Zeit leer – bis im vergangenen Sommer das HuM-Kollektiv einzog. Die Kommunikationsdesigner Hannah Häußer und Max Borchert haben aus dem Gottes- einen Kreativraum gemacht. An diesem Mittwoch, 10. Juli, eröffnen elf Studentinnen und drei Studenten der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in der HuMBase eine Ausstellung.

 

Unter dem Titel „manual labor“ präsentieren sie Objektideen, die in einem Modul von Susanne Windelen entstanden sind. Die Professorin für Bildhauerei hat sich mit ihrer Klasse in diesem Semester schon mehrfach der Frage gewidmet, welche Wirkung Kunst in unterschiedlichen Räumen entfaltet, zuletzt auf dem „Inter!m Festival“ in Ehingen. Der Ausstellungsfläche im Eckartshaldenweg begegnete ihre Gruppe aber mit einem gewissen Respekt. „Kirchen sind besonders interessant, weil ihre Architektur stark aus der Religion bestimmt ist“, sagt Windelen. Dort, wo einst Gottesdienste stattfanden, sollten ihre Studierenden mittels Materialexperimenten Altes verändern und Neues gestalten. Sie nutzten Watte, Fäden, Bleche, Gips und Folien. Rücksicht nehmen mussten sie nicht. Das Haus ist entwidmet, Kontraste zur alten Nutzung waren erwünscht.

Kirchenraum wird zur Spielwiese für Kunststudierende

Doch nicht nur das Spiel mit dem Raum ist Windelen wichtig. Sie verband mit dem Modul namens „Analoge Techniken in einer digitalen Welt“ auch ein Plädoyer für Handarbeit. „Für viele, die jetzt aus der Schule kommen, ist es nicht mehr selbstverständlich, etwas mit der Hand zu schaffen. Es macht aber einen großen Unterschied, ob du etwas physisch erlebst oder nur rein virtuell“, sagt sie.

Dass sie in der Kirche eine Spielwiese gefunden haben, ist für die Professorin und ihre Modulgruppe ein Glücksfall. Zu verdanken haben sie das den Initiatoren der HuMBase. Hannah Häußer und Max Borchert stießen im Zuge ihrer Diplomarbeit auf das Gebäude und wollten einen Ort aufbauen, an dem künstlerische und kreative Disziplinen aufeinandertreffen und sich gegenseitig befruchten können. Unterstützt durch das Kulturamt etablierte das Duo ein Atelier, eine Werkstatt mit Siebdruckmaschine und Holzbank und ein Aufnahmestudio. Für Veranstaltungen steht der Ort offen – Ausnahme: Partys und Konzerte, den Nachbarn zuliebe. Der Filmwinter und die Kriminächte haben das Angebot schon genutzt.

„Wir wollen die Basis dafür bieten, dass Verbindungen entstehen und Projekte angestoßen werden“, sagt Häußer. Ihre Aufgabe sieht sie weniger als Kuratorin, mehr als Gastgeberin. Dennoch unterstützen die Kommunikationsdesigner ihre Gäste auf Wunsch, etwa bei der Werbung. Für das Kollektiv bedeutete das Projekt einen Sprung ins Ungewisse. Nach knapp einem Jahr fällt die Bilanz positiv aus. „Wir könnten mit unserem Konzept viele Orte bespielen“, sagt Borchert. Die einstige Neuapostolische Kirche habe sich allein deshalb angeboten, weil sie viel Platz und eine spannende Ästhetik biete. Er hofft, der Stuttgarter Kulturlandschaft mit der HuMBase etwas hinzufügen zu können.

Die Rückmeldungen sprechen dafür, dass dies gelungen ist. „Wir haben schönes Feedback bekommen“, berichtet Hannah Häußer. Für diesen Herbst sind Borchert und sie bereits nahezu ausgebucht. Und es sieht so aus, als könnte die temporäre Nutzung noch eine Weile andauern. „Aus unserer Sicht ist das, was dort geschieht, durchaus positiv“, sagt Susanne Raible, die Sprecherin der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland. Langfristig will die Grundstückseigentümerin am Eckartshaldenweg zwar Wohnraum schaffen. Dieses Vorhaben liegt aber bis mindestens ins Jahr 2021 hinein auf Eis. Unter dem Gebäude entsteht im Zuge von Stuttgart 21 ein Tunnel, eine Veränderungssperre verhindert bis dahin bauliche Maßnahmen.