Die bisherigen Pläne für den Anschluss der Gäubahn an den Flughafen sollen nicht mehr umgesetzt werden. Dem müssten aber alle Projektpartner zustimmen.
Stuttgart - Das Bahnprojekt Stuttgart 21 steht vor einer gravierenden Veränderung, für die nach der Bundestagswahl erste konkrete Planungsschritte eingeleitet werden sollen. Erstmals müsste dann der umstrittene S-21-Finanzierungsvertrag von April 2009 geändert werden.
Bei Stuttgart 21 sollen die bisherigen Pläne für den Anschluss der Gäubahn an den Landesflughafen und die Landesmesse nicht mehr umgesetzt werden. Die Projektgesellschaft für S 21 hatte sie entsprechend des Finanzierungsvertrags und einer Vereinbarung für ein Zusatzgleis neben der S-Bahn am Flughafen über Jahre ausgearbeitet. Das Regierungspräsidium (RP) hatte dazu im April Betroffene wie die Stadt Leinfelden-Echterdingen und die Schutzgemeinschaft Filder, aber auch private Grundeigentümer gehört. Den Anhörungsbericht will das RP „frühestens gegen Jahresende 2021 an das Eisenbahn-Bundesamt übermitteln“, so die Behörde.
20 Minuten Fahrzeitgewinn
Die Zuführung der Fern- und Regionalzüge aus Zürich/Singen und Freudenstadt soll nun aber nicht mehr über die bestehenden S-Bahn-Gleise, sondern über zwei neue Röhren von Böblingen zum Flughafen laufen. Sie wären etwa zwölf Kilometer lang und könnten mit 160 Kilometer pro Stunde befahren werden, Leinfelden würde wohl unterquert. Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU, Ludwigsburg) hatte die Grobplanung vergangenes Jahr vorgestellt und aus einem Gutachten Kosten von rund 919 Millionen Euro für die Tunnel zum Flughafen genannt. Der gesamte Gäubahnausbau kostet voraussichtlich 2,1 Milliarden Euro, versprochen sind für die Relation Stuttgart–Singen rund 20 Minuten Fahrzeitgewinn.
Die Strecke ist im sogenannten Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans gelistet. Damit zahlt der Bund den Ausbau. Bei S 21 übernimmt er nur einen kleinen Anteil an den Gesamtkosten, die bei 8,2 Milliarden Euro liegen. Projektgegner erwarten, dass die Bahn nach der Bundestagswahl eine Art Offenbarungseid ablegt und Kosten von zehn Milliarden Euro einräumt.
Ringen um die Kostenverteilung
Bevor die Bahn neu plant, „muss eine klare Kostenabgrenzung des neuen Gäubahntunnels gegenüber Stuttgart 21 erfolgen“, so Bilger. Das hatte DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla gefordert. Die Abstimmungsgespräche zwischen dem Bundesverkehrsministerium und der Bahn seien „weit fortgeschritten, so dass mit den Planungen voraussichtlich noch im Herbst begonnen werden kann“, sagte Bilger am Dienstag auf Anfrage. Sobald die Kostenabgrenzung stehe, werde die Bahn „mit den Projektpartnern von Stuttgart 21 die Gespräche aufnehmen“. Land, Stadt, Regionalverband und Flughafen stemmen diverse Finanzierungsanteile. Bilger erinnert daran, dass S 21 „nicht vom Bund gesteuert wird“. Allerdings ist der Bund alleiniger Eigentümer der Bahn AG, eine gewisse Wegweisung könnte also wohl möglich sein.
Als die neuen Überlegungen aufkamen, hatten vor allem Grüne, Verbände wie der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Anliegerkommunen Bedenken geäußert. Bis Züge rollen, würde es laut Gutachten 13 Jahre dauern, Böblingen und Singen Hauptbahnhof (dafür Halt Landesgartenschau) sollen als Halte gestrichen werden. Mit der Inbetriebnahme von S 21 Ende 2025 ist die Gäubahn vom Stuttgarter Hauptbahnhof abgehängt, Reisende müssten also neun Jahre in Stuttgart-Vaihingen oder am Nordbahnhof umsteigen. Im Koalitionsvertrag befürworten Grüne und CDU nun den Ausbau der Gäubahn samt Tunnel zum Flughafen. Den S-21-Finanzierungsvertrag wolle man „ohne Zusatzkosten für das Land“ anpassen.
VCD mahnt Tempo an
VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb erinnert daran, dass am 6. September 1996, also vor 25 Jahren, der Vertrag von Lugano zum grenzüberschreitenden Eisenbahnausbau zwischen Deutschland und der Schweiz geschlossen worden sei. Bis heute sei auf deutscher Seite praktisch nichts geschehen. Er mahnt nach der Wahl eine „zeitnahe Realisierung“ an. Inzwischen hat der Aspekt Klimaschutz für den Bahnverkehr erheblich an Gewicht gewonnen.
Steffen Bilger sagt, man wolle verschiedene Gesetzesänderungen zur Planungsbeschleunigung nutzen. Da erst die Vorplanung anstehe, „kann derzeit noch keine Aussage zum Zeitablauf erfolgen“.