Was man über die Esslinger Frauenbewegung weißt, steht in dem Buch „Weibliches Wählen und Wissen.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Esslingens Anteil an der Frauenbewegung hat die Frauengeschichtswerkstatt in dem neuen Buch „Weibliches Wählen und Wissen“ beleuchtet. Zwei Themen sind es, denen sich die Mitstreiterinnen um Gudrun Silberzahn-Jandt gewidmet haben: Dem allgemeinen Frauenwahlrecht und der Volkshochschule in Esslingen. Beides feierte unlängst Geburtstag. Im November 1918 wurde das preußische Dreiklassenwahlrecht abgeschafft und damit das Frauenwahlrecht eingeführt. Die erste Volkshochschule in Esslingen wurde 1919 eröffnet. Beides hat miteinander zu tun: „Wer wählt, muss politisch gebildet sein“, so erklärt Silberzahn-Jandt die Ideen der Gründerväter und –mütter der Esslinger Schule.

 

Lernen des Lernens

In ihren ersten Jahren war die Volkshochschule eine private Institution um Otto Wilhelm, der Professor am Esslinger Lehrerseminar war. Von ihm geht der heute viel zitierte Grundsatz vom „Lernen des Lernens“ aus. Lehrer und Schüler sollen sich gleichberechtigt in der Volkshochschule weiterbilden. Es ging um Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Gesundheit und Erziehung. Berufliche Fortbildung wurde bewusst ausgelassen.

Die Ur-VHS tagte im Gebäude der Maschinenbauschule, jetzt Hochschule Esslingen, und finanzierte sich über Kursgebühren, die sich jedermann leisten konnte. Damals wie heute handelten die Lehrer mehr aus Idealismus. Der Vorteil der Ur-VHS war, dass sie von einer breiten Bürgerschaft getragen wurde und zeitweise die bestbesuchteste Volkshochschule Württembergs war. Otto Wilhelm zeigte Zivilcourage bis zuletzt: Als 1933 die Volkshochschule im Sinne der Nazis gleichgeschaltet werden sollte, zog er es vor, die Schule aufzulösen.

Eugenie von Sodens Handbuch für Frauen

Zunächst waren es adlige und bürgerliche Frauen, die mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein ausgestattet für die Gleichberechtigung und vor allem für das Wahlrecht stritten. Für Esslingen wichtig war die 1853 geboren Eugenie von Soden, die 1913 mit einem Handbuch für Frauen reichsweit bekannt wurde. Darin beschrieb sie Karrierechancen, Möglichkeiten zum Studium und zum Beruf, gab aber auch Tipps für die Haushaltsführung, die Finanzen und rechtliche Hinweise. Im Buch werden auf einer Bildtafel auch die Vorreiterinnen der Frauenbewegung gezeigt. Mitten drin hat sich Eugenie von Soden selbst platziert, zurecht übrigens.

Die Frauengeschichtswerkstadt hat weitere interessante Biografien zutage gefördert, beispielsweise die Geschichte der Esslinger Ärztin Else Kienle, die mit dem Arzt und Dramatiker Friedrich Wolf zusammenarbeitete. Letzter hatte mehrere Jahre in Hechingen gelebt. Sie überwiesen sich gegenseitig Frauen und nahmen Abtreibungen vor. Weil Abtreibungen strafbar waren, wurden sie verhaftet und mussten aus Deutschland fliehen, Else Kienle ging in die USA, der Kommunist Friedrich Wolf in die Sowjetunion.

Das Buch, lesenswert in allen Facetten, zeichnet auch die Esslinger Geschichte der Frauenbeauftragen, des Frauenhauses und der Frauenwochen nach. Dank der Sponsoren, wie der Hans Weiler Zukunftsstiftung, gibt es das 99-seitige Werk gratis. Es ist erhältlich bei der Stadt, dem Stadtmarketing und den Esslinger Büchereien.