Neue Restaurants in Stuttgart Vegan goes Mainstream – mit Rostbraten und Döner

Andreas Kuch hat jahrelang getüftelt, um schwäbische Gericht auf rein pflanzlicher Basis servieren zu können. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bei Doen Doen ist der vegane Kebab keine Alternative mehr, sondern die Hauptsache. Den Verzicht auf Fleisch sollen die Kunden nicht schmecken. Im Hotel Köhler wurde derweil am perfekten Rostbraten getüftelt. Rein pflanzliche schwäbische Küche soll es dort demnächst geben.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Merhaba steht auf der Eingangstüre, Doen Doen auf den Scheiben und etwas kleiner darunter „planted Kebab“. Abdullah Budik will gar nicht in den Vordergrund stellen, dass sein Döner vegan ist. „Wer ihn isst, sollte nichts vermissen“, erklärt er. Eine Alternative mit Fleisch bietet er erst gar nicht an, denn Doen Doen ist der erste rein pflanzliche Döner-Imbiss in Stuttgart und, wie sein Chef hofft, bald „die neue Normalität“. Dass die vegane Ernährung zum Mainstream wird, ist auch im Osten der Stadt zu beobachten: Im Köhlerstüble werden demnächst Zwiebelrostbraten mit Spätzle und Schnitzel mit Kartoffelsalat ohne tierische Zutaten gekocht. Andreas Kuch hat für „das richtige Kaugefühl“ jahrelang getüftelt.

 

Kartoffel-Polenta-Nocken bei Körle & Adam

Fast ein Dutzend Restaurants bieten in Stuttgart mittlerweile rein vegane Kost an. Vor allem im vergangenen Jahr waren zahlreiche Neuzugänge wie das Energetic Life Café, Heaven’s Kitchen oder Vegalena zu vermelden. Auf höchstem Niveau kocht nach wie wie vor und seit Jahren ohne tierische Produkte Thomas Adam in Feuerbach: Gebratene Kartoffel-Polenta-Nocken auf provenzalischem Gemüsereis ist gerade die Hauptspeise in einem seiner drei Menüs. Thaicurry und Risotto Verde stehen im Vegalena auf der Speisekarte, im Energetic Life Café gibt es Bowls, Wraps und Süßkartoffel-Falafel. Tacos, Asia Noodle Salad und Pasta mit Walnuss-Bolognese und Austernpilzen hat Katharina Bretsch von Super Jami Kitchen zu bieten.

Der Holzgerlinger Holger Huthmacher war wahrscheinlich der erste Gastrounternehmer, der das „neue Normal“ ausgerufen hat – mit „Burger, die wie Burger“ schmecken. In seiner rein veganen Fast-Food-Kette sollen Fleischesser ebenfalls nichts vermissen. Vergangenen Oktober ging er mit einer Filiale im Einkaufszentrum Milaneo an den Start, in Karlsruhe folgte eine zweite. Im Februar wurde allerdings ein Insolvenzverfahren gestartet: Weil Nic bei steigenden Kosten und Inflation nicht genug Umsatz machte, sind neue Investoren gesucht.

Ein Döner wie das Original – nur vegan

„Es ist Zeit für einen Change“, findet auch Abdullah Budik. Er ist seit ein paar Jahren Vegetarier, weil „der massenhafte Fleischkonsum einen krassen Impact auf die Umwelt hat“. Mit Doen Doen am Josef-Hirn-Platz liefern er und seine Mitgründer Norman Schmidt und Timo Schillings den Deutschen eines ihrer Lieblingsessen, das je nach Liste und Studie hinter Pizza und Sushi oder Currywurst steht, aber immer vor den Burgern. Drei Millionen Stück davon sollen täglich in Deutschland verkauft werden. Vegane Döner hat die Konkurrenz zwar auch im Programm. In der Neuen Dönastie heißt die Variante „Der vitale Gourmet“. Aber das Mehrkornbrot wird mit Gemüseseitan, Rotkraut, Cranberrys, Avocadocreme und Paprika-Tomaten-Sauce gefüllt.

Abdullah Budik „will das Rad nicht neu erfinden“. Der Doen-Doen-Kebab soll zu 100 Prozent ein Originaldöner sein, nur statt Fleisch ist das Produkt Planted der Schweizer Firma drin. Dabei handele es sich momentan um den saubersten Ersatz mit nur vier natürlichen Zutaten, betont er. Mit 7,90 Euro will sich Abdullah Budik auch preislich nicht weit vom klassischen Döner entfernen. Bei Google bekam die Neueröffnung 4,9 von fünf Sternen. Das Essens- und Geschmackserlebnis sei exakt wie bei einem „echten Yufka“, lobte ein Kunde, „und das macht mich wirklich glücklich!“

Vegane Hausmannskost wird selten serviert

In diesen Zustand wollen Daniela Glinksi und ihr Mann Andreas Kuch die Gäste des Köhlerstüble auch demnächst versetzen. Ende März, Anfang April werden sie das Restaurant vom Hotel Köhler am Stöckach wieder eröffnen – mit rein veganer und rein schwäbischer Speisekarte. Nach fast zehn Jahren hatten die beiden das Lokal kurz vor der Coronapandemie bereits in Betrieb genommen. Damals fuhren sie noch ein vorsichtig zweigleisiges Konzept. Weil die Gäste fast nur vegane Gerichte bestellten, haben sie das Fleisch beim Neustart komplett gestrichen. „Man bekommt selten Hausmannskost“, sagt Daniela Glinski. Meistens werde für Veganer international gekocht.

Außerdem hatte Andreas Kuch viel Zeit zum Experimentieren. Mit seinem selbst gemachten Steak aus Linsen und Seitan sind er und seine Frau ganz zufrieden. Es hat Fasern, ist ein bisschen zäh und komplett ohne Chemie hergestellt. „Es war eine Herausforderung, aber wir halten uns gerne in der Küche auf“, sagt er. Dazu gibt es ein Trollingersößle, geschmelzte Zwiebeln und geschabte Spätzle. Das panierte Schnitzel besteht aus Soja. Ihre Maultaschen würde sie nach urschwäbischem Rezept machen, betont die Hotelfachfrau, statt Hack mit Sojagranulat. Und ihr Kartoffelsalat werde ohne Rinderbrühe „schön schlonzig“. Pilze, Rauchsalz, fermentierter Pfeffer nimmt sie unter anderem als Ersatz für Knochen in der Gemüsebrühe. Daniela Glinski hat einen Ruf zu verteidigen: Ihre Mutter Christa sei die Spätzlesqueen von Stuttgart gewesen, erzählt sie.

Anmerkung der Redaktion

Korrektur
In einer früheren Version der Bildergalerie zu diesem Artikel stand unter einem Foto von der Inneneinrichtung des Köhlerstübles eine falsche Bezeichnung der Sessel: Es handelt sich natürlich um Kunstledersessel und nicht um Ledersessel.

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