Katarina Barley wird beim Parteitag zur Generalsekretärin der Genossen gewählt. Erst vor zwei Jahren zog sie in den Bundestag, jetzt soll sie laut Parteistatut den Wahlkampf managen – wenn ihr Chef sie denn lässt.

Berlin - Ausgerechnet Olaf Scholz, Liebhaber ironischer Spitzen, gab Katarina Barley einen guten Rat mit auf den Weg: bloß nicht ironisch werden. Könnte der munteren Frau schwerfallen, die Spaß und Humor auch in der Politik nicht zu kurz kommen lassen will. Wovon allein schon der Umstand zeugt, dass die in Köln aufgewachsene Juristin seit ihrer Kindheit bekennende Anhängerin des Straßenkarnevals und Mitglied in drei Karnevalsvereinen ist. Anderseits: Ist Parteichef Sigmar Gabriel womöglich nicht auch deshalb auf die 46-Jährige verfallen, weil sie als Generalsekretärin der SPD zugewandter, offener und herzlicher wirken soll als die bisherigen Amtsinhaberin, Yasmin Fahimi?

 

Die gelernte Gewerkschafterin Fahimi wirkte vielen zu spröde und formalistisch. Nach ihrer glücklosen Amtszeit wechselt sie als Staatssekretärin ins Arbeitsministerium. Nun also Barley. Und damit wieder eine Anfängerin. Auch Fahimi hatte ja von außen kommend versucht, im schwer zu steuernden Raumschiff SPD ihren Platz zu finden – wie man weiß: vergeblich. Zwar verweisen Barleys Gönner in der Fraktion darauf, dass sie in Rheinland-Pfalz in ihrer derzeitigen Heimatstadt Trier ausgesprochen gut vernetzt sei. Barley halte auch engen Kontakt zur rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die Gabriel auf das Talent aufmerksam gemacht haben soll. Aber jenseits der rheinland-pfälzischen Landesgrenzen ist die SPD auch für Barley Neuland. Immerhin verfügt sie, anders als Fahimi, über ein Bundestagsmandat. Dies war, neben dem Umstand, dass wieder eine Frau den Posten übernehmen sollte, Gabriels zweite Bedingung.

SPD-Frau mit beachtlicher Karriere

Fraktionschef Thomas Oppermann hält viel von ihrer Zielstrebigkeit, beförderte 2013 die eben erst in den Bundestag gewählte Novizin sofort zur Justiziarin und damit zum Mitglied des Fraktionsvorstands. Barleys beachtliche berufliche Karriere hat sicher eine Rolle gespielt. Die promovierte Juristin bewährte sich als Rechtsanwältin, Richterin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht. Von Schaden dürfte auch nicht gewesen sein, dass sich Barley zwar der Parlamentarischen Linken zuordnet, aber gleichwohl als ausgesprochen pragmatisch und ehrgeizig gilt. Nichts regt sie mehr auf als die hängenden Schultern vieler Genossen, die nicht Stolz auf Erreichtes und hungrig aufs Gewinnen sein können.

Man muss die Tochter eines Briten nur ein paar Minuten erleben, um zu erkennen, wie unverstellt und einnehmend sie auf Menschen zugeht. Mit vielen kleinen Gesten bindet die Mutter zweier Kinder Aufmerksamkeit. Sie sucht Kontakt, nicht Distanz. Das ist außergewöhnlich im politischen Berlin, und vermutlich ist das auch der Grund, weshalb sie trotz ihrer kargen politischen Vita mit überraschend positiven ersten Berichten bedacht worden ist. Aber in der SPD glauben sie nicht, dass sie sich allein mit Herzlichkeit und Sympathie in den Grabenkämpfen des Willy-Brandt-Hauses behaupten kann. Die Zentrale, deren Chefin sie bald ist, gilt als Schlangengrube. Aber Barley weiß, worauf sie sich einlässt. Sie hat sich schlau gemacht, hat nicht nur mit Olaf Scholz gesprochen, sondern auch mit Hubertus Heil und Andrea Nahles, allesamt ihre Vorgänger. Und auch zu Fahimi pflegt sie einen engen Kontakt.

Ein schwieriger Chef

Deshalb wird ihr auch nicht entgangen sein, dass ihr Chef im Umgang mit Menschen zu den schwierigen Zeitgenossen zählt. Die Demütigungen, die Nahles und Fahimi zu erdulden hatten, haben Spuren hinterlassen, die nicht verborgen blieben. Barley zeigt sich davon unbeeindruckt. Gabriel und sie seien aus unterschiedlichem Holz geschnitzt, das ja, sagte sie bei ihrer Vorstellung. Aber warum sollte das nicht von beiderseitigem Nutzen sein? Vielleicht könne man sich ja ergänzen? Er, der Wadenbeißer, sie, die Frau, die in Auseinandersetzungen lieber das Florett führt? Diesen Traum haben allerdings auch schon andere geträumt. Meist folgte ein böses Erwachen.

Und dann ist da ja auch noch Parteivize Ralf Stegner, der sich in den vergangenen zwei Jahren stets als heimlicher Generalsekretär und damit auch gegen Fahimi positioniert hat. Er fühlte sich dazu berufen, weil Gabriel vor zwei Jahren tatsächlich ihn auf dem Posten wollte, dann aber Fahimi nehmen musste, weil seine Führungscrew eine Frau dort sehen wollte. Raubein Stegner wird sich nicht ändern, nur weil die Generalsekretärin bald Barley heißt.

Die nominierte Generalin nimmt all diese Berichte äußerlich gelassen entgegen. Differenzen lächelt sie, wenn irgend möglich, am liebsten weg. Das war schon so, als Parteichef Sigmar Gabriel bei ihrer Vorstellung im Willy-Brandt-Haus Anfang November erst hartnäckig ihren Namen falsch aussprach und ihr anschließend recht unverblümt bedeutete, dass er den Wahlkampf durchaus als seine persönliche Angelegenheit betrachte. Barley blieb heiter, ließ aber keinen Zweifel daran, dass sie sich sehr wohl als federführende Wahlkampfmanagerin betrachte, allein schon deshalb, weil dies die Satzung der SPD so vorsehe. Allerdings sieht sie auch ein, dass ihr die Erfahrung fehlt, um ohne Unterstützung eine Bundestagswahl zu organisieren. Der Wahlkampf werde deshalb sicher keine „One-woman-show“. Eine Lösung könnte darin bestehen, dass der vakante Posten des Bundesgeschäftsführers mit einem erfahrenen Haudegen besetzt wird. Den will sie selbst bestimmen. Mal sehen, ob Gabriel das mitmacht oder ob ihr dann nicht doch das Lächeln vergeht.