Berthold Huber geht – und sein Nachfolger Detlef Wetzel tut sich noch schwer in die Fußstapfen seines Vorgängers zu treten. Etwa ein Viertel der IG-Metall-Delegierten verweigerten ihm und seinem Vize Jörg Hofmann die Gefolgschaft.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Frankfurt - Seine Enttäuschung konnte Detlef Wetzel nicht verbergen: „Ja, herzlichen Dank – ich nehme die Wahl an“, sagte der neue Vorsitzende der IG Metall so knapp wie freudlos, nachdem die 75,51 Prozent bekannt gemacht wurden, die ihm die 458 Delegierten in Frankfurt zugedacht hatten. Das Lächeln wollte kaum gelingen. 333 Delegierte hatten mit Ja gestimmt, 108 mit Nein. Neben Wetzel in der ersten Reihe sitzend vernahm der Vorgänger Berthold Huber das Resultat mit versteinerter Miene – 2007 und 2011 hatte er selbst Ergebnisse von über 90 Prozent eingefahren. Es war das zweitschlechteste Ergebnis in der IG-Metall-Geschichte nach dem Krieg. Nur Jürgen Peters wurde 2003 – auf dem Höhepunkt der Gewerkschaftskrise – noch deftiger, mit 66 Prozent, abgefertigt.

 

Direkt im Anschluss kam somit der Kür des Vize Jörg Hofmann plötzlich eine größere Bedeutung zu. Während Wetzel auf eine persönliche Vorstellungsrede verzichtet hatte, nutzte der Stuttgarter Bezirksleiter die Gelegenheit zur Präsentation mit einem schwungvollen Auftritt. „Wir brauchen nicht nur eine Vorstellung über die Arbeitswelt der Zukunft, wie wir sie gerne sehen wollen – wir brauchen einen Plan, der uns dorthin führt“, sagte Hofmann und ließ klar durchblicken, dass er sich in der Tradition des Pragmatikers Huber sieht. Nach einem breiten Diskussionsprozess werde man ein Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre erarbeiten. „Ganz oben steht: Sicherheit des Arbeitsplatzes, auskömmliches Einkommen“, betonte er.

Vielleicht war es auch seine Vorstellungsrede, die dem Stuttgarter noch ein Wahlergebnis von 77,73 Prozent bei 342 Ja- und 98 Neinstimmen bescherte. Damit ging er knapp besser durchs Ziel als der erste Vorsitzende, wenngleich Hofmanns Resultat auch erst viermal von einem Vize seit 1950 unterboten wurde. Das ist kein glänzender Start für einen, der später Chef der IG Metall werden will. Dennoch reagierte er vergleichsweise unerschrocken und versprach: „Wir werden eine gute Arbeit abliefern – da könnt ihr euch sicher sein.“

Der unbequeme Wetzel hat sich nicht überall Freunde gemacht

Tröstlich für Wetzel also, dass sein zweiter Mann nicht allzu weit vor ihm gelandet ist. Sofort begann im Saal die Wahlanalyse – allerdings hinter vorgehaltener Hand, weil die IG Metall seit dem Desaster von 2003 um Jürgen Peters und Huber nicht mehr offen über Personalfragen diskutiert. Deutlich wurde, dass Wetzel sich bei der Umsetzung seiner Kampagnen nicht nur Freunde gemacht hat. Der bisherige Cheforganisator hat radikal unbequeme Neuerungen gegen Widerstände durchgedrückt und die Spielräume der Verwaltungsstellen eingeengt. So erhalten die Geschäftsführer zwar mehr Geld, um neue Mitglieder zu gewinnen, müssen dieses aber zweckgebunden einsetzen. Es ist möglich, dass gerade Belegschaftsvertreter aus dem selbstbewussten Bezirk Baden-Württemberg ihrem Unmut per Stimmzettel Luft gemacht haben.

Sowohl Huber als auch Hofmann wiesen in ihren Reden darauf hin, dass sie mit Vorliebe unbequeme Fragen stellen, um Veränderungen einzuleiten. Dies sei bezeichnend, sagt ein intimer Kenner der IG-Metall-Führung: Wo Huber Fragen gestellt habe, wolle Wetzel gleich die Antworten geben. Dieser Arbeitsstil komme nicht bei allen Funktionären an. Ähnliches dürfte für die Politik gelten: Die Kanzlerin dankte Huber ausdrücklich für die Erkenntnisse in „sehr persönlichen, auch für mich weitergehenden Diskussionen“. Er sei ein „gradliniger und zuverlässiger“ Gewerkschaftsführer gewesen, sagte Angela Merkel.

Zum dritten Mann der neuen Führung wählten die Delegierten den Augsburger Jürgen Kerner mit 97,1 Prozent zum neuen Hauptkassierer. Harmonie war also doch möglich auf diesem Gewerkschaftstag.