In der Themenführung „Haarsträubende Geschichten aus Esslingen“ berichtet die Stadtführerin und Autorin Petra Weber-Obrock von kriegerischen Franzosen, grausamen mittelalterlichen Todesstrafen und 700 geraubten Kühen.

Esslingen - Die Realität ist manchmal besser als alles Ausgedachte. In der Stadtführung mit dem Titel „Haarsträubende Geschichten aus Esslingen“, geht die Autorin, Journalistin und Geschichtskennerin Petra Weber-Obrock zwischen historischen Fachwerkhäusern, mittelalterlichen Stadtmauerresten und engen Pflastersteingassen auf mörderische Kriminalfälle, kuriose Anekdoten und spannende Gerüchte ein, die ihr während den Recherchen zu ihren Büchern begegnet sind.

 

„Mir ist viel Unnützes, aber haarsträubendes Wissen vor die Füße gepurzelt“, berichtet Weber-Obrock von der inhaltlichen Entstehung der Stadtführung. An historischen Schauplätzen wie dem Kreuzgang des Dominikanerklosters berichtet sie beispielsweise davon, wie ein schönes Mädchen Esslingen im Jahr 1688 vor der Verwüstung durch französische Truppen bewahrt haben soll. „Es sind Geschichten, die hätte ich mir selbst nicht ausdenken können“, sagt die 55-Jährige. Auch die Versuche eines Esslinger Mönchs, die Bibel in Zahlen zu übersetzen und dann den Weltuntergang für den 19. Oktober 1533 vorherzusagen, beschreibt die Stadtführerin. Immer wieder geht sie während des Spaziergangs durch die Innenstadt auch auf ihre Romane ein und liest einige Passagen daraus vor. Die Teilnehmer werden vor historischer Kulisse mit den atmosphärischen Beschreibungen aus den Büchern auf eine Reise in die frühneuzeitliche Vergangenheit mitgenommen.

Kriege, Pestwellen und Hungersnot

Bereits vier historische Romane mit Lokalbezug zu Esslingen hat Petra Weber-Obrock unter ihrem Pseudonym Pia Rosenberger veröffentlicht: „Die Himmelsmalerin“, „Die Tochter des Gewürzhändlers“, „Die Prinzessin der Kelche“ und „Die Spur des Ultramarins“. Als Charlotte Kern hat sie außerdem den Kriminalroman „Blutiger Regen“ geschrieben.

Wer in Württemberg über Geschichte spricht, kommt an einem Protagonisten kaum vorbei. Der Herzog Ulrich von Württemberg spielt auch in der Esslinger Stadtgeschichte eine wichtige Rolle. „Er war das schwäbische Pendant des Königs Heinrich VIII von England“, sagt Weber-Obrock. Um die Stadt vor den württembergischen Truppen zu verteidigen wurde angeblich der Weg durch die Weinberge unterhalb der Burg in nur einer Nacht geschlagen. Es war das Jahr 1519, als Ulrich die Reichsstadt belagerte. „Er hat Sulzgries verwüstet und 700 Kühe erbeutet“, weiß Weber-Obrock.

Den Esslingern gelang es mit den Kanonen aus dem Dicken Turm der Burg, die Württemberger zu vertreiben. Als Rache für den Angriff seien Zell, Altbach und Berkheim anschließend von den Esslingern geschliffen worden, berichtet die Stadtführerin bei der Agnesbrücke.

Die Frühe Neuzeit war geprägt von Kriegen, Pestwellen, Hungersnöten und der Hexenverfolgung. Die Gewalt machte auch vor den Stadtmauern Esslingens nicht halt. Todesstrafen wurden auf dem Galgenwasen im heutigen Stadtteil Pliensauvorstadt vollstreckt. Auf dem Postmichelbrunnen ist eine Henkersszene eingemeißelt. Die Straftäter wurden gehängt, geköpft, lebendig begraben oder verbrannt.

Der Henker, der einer der Protagonisten der Romane von Pia Rosenberger ist, war kein angesehener Mann. Dabei sei eine mehrjährige Ausbildung für den Job nötig gewesen, erklärt Weber-Obrock. Und die anatomischen Kenntnisse des Henkers wurden gerne in Anspruch genommen, wenn auch nicht öffentlich.

Paracelsus wurde Opfer eines Gewaltverbrechens

Der Hexenverfolgung fielen allein zwischen 1662 und 1665 33 Menschen, davon 20 Männer, zum Opfer. „Es gingen immer mehr Verdächtigungen beim Esslinger Rat ein. Es traf Leute, die vollkommen unschuldig waren“, sagt Weber-Obrock. Ein besonders schwerer Vorwurf war es, in einem Pakt mit dem Teufel zu stehen oder mit einem fliegenden Tier nachts den Hexensabbat besucht zu haben. Denn grundsätzlich sei Magie und Aberglaube in der Frühen Neuzeit nicht verboten gewesen. Ein Zauberspruch gegen Maulwürfe im Garten sei vollkommen in Ordnung gewesen.

Ein besonders eifriger Advokat, Daniel Hauf, habe sich von den Hexenprozessen wohl einen Vorteil für seine Karriere erhofft. Irgendwann wurde es den Esslingern aber zu viel. „Er hat es zu weit getrieben“, sagt die Stadtführerin. Er soll plötzlich tot aufgefunden worden sein, vermutlich sei er vergiftet worden.

Hauf war nicht der einzige, der eines gewaltsamen Todes starb, weil er sich mit den falschen Leuten angelegt hatte. Auch der Apotheker Paracelsus, der um das Jahr 1530 einige Zeit in Esslingen gelebt hatte, wurde das Opfer eines Gewaltverbrechens. Er hatte öffentlich verbreitet, dass das teure Tropenholz der Fugger nicht wie angenommen gegen Syphilis helfe. Ob ein Zusammenhang damit besteht, dass er wenig später mit eingeschlagenem Schädel gefunden wurde, lässt sich heute allerdings nur noch schwer beweisen.