Die Barockstadt Ludwigsburg zieht jede Menge Touristen an. Und denen wird jede Menge geboten. Die klassischen Stadtführungen werden nun um ein digitales Angebot erweitert. Ganz billig war das nicht.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Ludwigsburg - Rund eine Million Menschen kommen jedes Jahr auf den Barockweihnachtsmarkt, das Blühende Barock zieht rund 600 000 Tagesgäste an, und das Schloss besichtigen weit mehr als 300 000 Menschen jährlich. Zahlen, auf die die hiesigen Tourismusmanager stolz sind und mit denen sich Ludwigsburg im Vergleich mit anderen Städten ähnlicher Größe nicht verstecken muss. Das Angebot für Touristen ist groß – so groß, dass viele längst nicht alles sehen können. Und: Um in den Genuss einiger Veranstaltungen zu kommen, muss man zu einer ganz bestimmten Jahreszeit in der Barockstadt sein. Im Sommer gibt es keinen Weihnachtsmarkt, im Winter ist es für eine Schifffahrt auf dem Neckar zu kalt.

 

Das soll sich nun mit Hilfe eines digitalen Rundgangs ändern. Jeder soll möglichst viel von Ludwigsburg mitbekommen, egal wann er in die Stadt kommt.

25 000 Euro für zehn Brillen

Zwei Jahre lang hat eine Ludwigsburger Agentur im Auftrag der Tourismus und Events Ludwigsburg an einer Führung mit sogenannten Virtual-Reality(VR)-Brillen getüftelt. Der Nutzer kann mit Hilfe der Brille ein paar Hundert Meter über dem Residenzschloss schweben und dabei einen 360-Grad-Rundumblick genießen. Schwindelfrei sollte man also sein, wenn man ins virtuelle Ludwigsburg eintaucht. Wer den Flug übers Schloss hinter sich gebracht hat, kann man mit der Brille beispielsweise auch in einem Schiff bei Poppenweiler über den Neckar schippern oder an einem venezianischen Maskenball teilnehmen.

Experten diskutieren seit Längerem über Einsatzmöglichkeiten der VR-Technik, häufig wird sie für Spielereien genutzt. Die Tourismus und Events hat aus ihrer Sicht eine sinnvolle Nutzung gefunden. Geschäftsführer Elmar Kunz sieht das Angebot als „Ergänzung, um Ludwigsburg zu entdecken“. Angst, dass sich die Touristenzahlen deshalb zurückgehen, hat er nicht. Besucher würden beim virtuellen Rundgang Einblicke bekommen, wozu sie sonst selten oder gar nicht die Möglichkeit hätten, sagt Kunz.

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Für den Blick hinter die Kulissen hat der städtische Eigenbetrieb keine kleine Summe auf den Tisch gelegt. 25 000 Euro haben die zehn Brillen der Marke Oculus gekostet, wobei die Programmierung des virtuellen Rundgangs den größten Teil des Geldes verschlungen hat. Elmar Kunz rechtfertigt die Ausgaben auch damit, dass man den einheimischen Besuchern im Stadtmuseum nun mehr bieten kann als „nur trockene Exponate“. Im MIK können die Besucher di Brillen bald ausprobieren – und zwar umsonst.

Der Rundgang sei einzigartig, sagt Kunz. „Ich weiß zumindest von keiner anderen Stadt, die so etwas zu bieten hat.“ Das neue Angebot wollen die Tourismusmanager auch nutzen, um weiter für die Stadt zu werben – zum Beispiel bei Reiseveranstaltern. Und die Nachfrage ist groß.

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Die Besucher kommen aus der ganzen Welt. Inzwischen führen Ortskundige neben englisch-, französisch- und spanischsprachigen Gruppen auch Russen, Japaner, Italiener und Chinesen auf Touren in deren Landessprachen durch die Stadt. An rund 500 Führungen nahmen im vergangenen Jahr etwa 9200 Menschen teil. Elmar Kunz geht davon aus, dass die eigentliche Zahl sogar noch höher ist, da viele Gruppen ihre Tour direkt beim Stadtführer buchen. „Für uns ist das okay. Hauptsache Ludwigsburg“, sagt Kunz.

Von Belle Epoque und alten Patenten

Hauptsache Ludwigsburg, gilt aber nicht für die neuen Erlebnisführungen. Sie beschäftigen sich mit besonderen, ganz speziellen Seiten der Stadt.

Die neue Führung „Pillen, Perlen, Pergamente“ zum Beispiel mit historischen Maschinen, denkmalgeschützten Gebäuden, alten Patenten und traditioneller Handwerkskunst in der Stadt; eine neue Kostümführung widmet sich ab April der „Belle Epoque“ um das Jahr 1900, schon vom kommenden Sonntag an gibt es auch eine Stadtführung speziell für Kinder. Wie die Stadtführungen soll auch das Angebot der virtuellen Rundgänge nach und nach erweitert werden. „Wir werden weitere Themen suchen, die dafür geeignet sind“, sagt Elmar Kunz.