Die von sechs großen deutschen Verlagshäusern vorgelegte „Kinder-Medien-Studie“ erfreut Eltern, Pädagogen und vor allem die Verlage selbst: Kinder lesen gerne Bücher und Zeitschriften – trotz der Konkurrenz von Smartphone und Internet, so lautet die zentrale Erkenntnis.

Stuttgart - Wenn Medienunternehmen das Freizeitverhalten ihrer Zielgruppe erforschen lassen, geschieht das selten aus Gründen des Gemeinnutzes; Motor solcher Studien ist selbstredend die Frage, wie man die eigenen Produkte noch besser vermarkten kann. Motive dieser Art dürften sich auch hinter der groß angekündigten „Kinder-Medien-Studie“ verbergen, wie schon die Überschrift der entsprechenden Pressemitteilung verrät: „Trotz Smartphone: Kinder lesen klassisch!“ Adressat dieser Botschaft ist nicht die Allgemeinheit, sondern die werbetreibende Wirtschaft, denn bei den Auftraggebern der Umfrage handelt es sich um sechs große deutsche Verlage.

 

Die „Kinder-Medien-Studie“ ist die Fortsetzung der bereits seit 1993 durchgeführten „Kids VA“ (VA steht für Verbraucheranalyse). Herausgeber war bislang ausschließlich Egmont Ehapa Media (Berlin), die deutsche Heimat von Micky Maus, Asterix und Lucky Luke. Nun haben sich fünf weitere Verlagshäuser angeschlossen. Zwei konzentrieren sich ähnlich wie Egmont Ehapa weitgehend auf Kinder und Jugendliche, beide haben ihren Sitz in Stuttgart: Panini ist dank seiner deutschen Lizenzausgaben der amerikanischen Superheldenschmieden DC („Superman“) und Marvel („Spider-Man“) einer der größten europäischen Comicverlage, Blue Ocean Entertainment gibt Magazine wie „Prinzessin Lillifee“ und „Bibi Blocksberg“ heraus. Die restlichen Mitglieder gehören zu den wichtigsten Repräsentanten im wöchentlichen deutschen Nachrichtenjournalismus: Spiegel-Verlag, Zeit-Verlag sowie Gruner + Jahr. Die Flaggschiffe dieser drei Häuser sind zwar „Die Zeit“, „Der Spiegel“ und der „stern“, aber alle drei haben mit „Leo“, „Dein Spiegel“ sowie „Geolino“ und „Geo mini“ auch Ableger im Kindersegment.

Das Ergebnis ist ganz im Sinne der Auftraggeber der Studie

Im Rahmen der Untersuchung wurden mehr als 1600 Interviews mit Kindern sowie knapp 400 Gespräche mit Eltern geführt. Die Studie soll einen detaillierten Überblick über Medienkonsum und Freizeitverhalten der jungen Zielgruppe geben. Anders als zu Beginn der „KidsVA“ vor 24 Jahren, als sich die Medienwelt der Kinder in die Bereiche Print, TV und Video- oder Computerspiel aufteilte, wird heute in erster Linie zwischen Online und Offline erschienen: Größter Freizeitkonkurrent der Magazinverlage ist das Internet. Kein Wunder, dass die Auftraggeber ihren Anzeigenkunden allen voran zwei „Schlüsselergebnisse“ mitzuteilen haben, die die Bedeutung der Jugendzeitschriften unterstreichen. Die erste gute Nachricht gilt dem „Reiz des Gedruckten“: Kinderbücher und -magazine erreichen laut der Studie mehr Sechs- bis Dreizehnjährige als Youtube und Spielekonsolen. Interessant ist auch die etwas ungelenke Formulierung, dass 72 Prozent der Kinder zwischen vier und dreizehn Jahren selbst im digitalen Zeitalter „mehrmals pro Woche von Papier“ lesen. Manch’ ein Pädagoge wäre schon froh, wenn die Kinder überhaupt läsen; dass sie dies „von Papier“ tun, leuchtet zumindest nicht auf Anhieb als Wert an sich ein. Dennoch dürfte das entsprechende Ergebnis – „Erheblichen Anteil am Erfolg des klassischen Lesematerials haben Kinderzeitschriften“ – ganz im Sinn der Studienauftraggeber sein.

Auch die Erkenntnis „Print wirkt“ ist vor allem ein Signal für Anzeigenkunden. Dass Eltern die Kindermagazine positiver bewerten als andere Medien, ist jedenfalls keine Überraschung, vor allem, wenn mit „andere Medien“ das Internet gemeint ist: Mütter und Väter, die sich über den Medienkonsum ihrer Kinder Gedanken machen, lassen den Nachwuchs in der Regel nur mit gemischten Gefühlen ins Internet, schließlich wissen sie (womöglich aus eigener Anschauung), wie schnell man auf Seiten landen kann, die für Kinder garantiert nicht geeignet sind. Kein Wunder also, dass die befragten Mütter und Väter die Zeitschriften als „sinnvolle Beschäftigung“ betrachten, bei der Kinder etwas lernen können. Würde man nachfragen, käme vermutlich heraus, dass sie „Geolino“ für noch sinnvoller erachten als „Prinzessin Lillifee“; und ein Quervergleich hätte womöglich zum Ergebnis, dass vielfach ausgezeichnete TV-Magazine wie „Wissen macht Ah!“ (WDR) oder „Pur+“ (ZDF) auch nicht zu unterschätzen seien. Immerhin nennt die Studie gute Argumente für die Bevorzugung der Printerzeugnisse: Beim Lesen kann der Nachwuchs nach Ansicht der Eltern „Inhalte in seinem Tempo“ aufnehmen. Außerdem werde die Kreativität der Kinder angeregt; und schließlich würden sie motiviert, selbst aktiv zu werden. Den anderen Medien schreiben deutlich weniger der befragten Eltern solche positiven Bewertungen zu.

Mit Freunden im Freien spielen – längst noch nicht out

Eine weitere gute Nachricht ist das Ergebnis, dass die meisten Kinder nach wie vor am liebsten mit Freunden im Freien spielen oder gemeinsam was mit der Familie unternehmen. Das deckt sich mit den Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs). Im Rahmen dieses Kooperationsprojekts der Landesmedienanstalten Baden-Württemberg (LFK) und Rheinland-Pfalz (LMK) werden regelmäßig repräsentative Studien zum Medienverhalten von Jugendlichen und Kindern veröffentlicht. Seit fast zwei Jahrzehnten resümiert der mpfs Jahr für Jahr, dass die Zielgruppe elektronische Medien in erster Linie nutzt, wenn sie Langeweile hat. Heute ist die Versuchung allerdings ungleich größer als früher, weil jederzeit verfügbar: Laut Kinder-Medien-Studie besitzen bereits 37 Prozent der Grundschüler ein eigenes Smartphone. Bei den jungen Jugendlichen kann man angesichts von 84 Prozent fast schon von Vollversorgung sprechen.