Die Band Kniffler's Mum setzt für ihr neues Album auf optische Reize. Nötig hätte sie es nicht, die Musik ist gut genug. Wir haben außerdem fünf weitere sehr hörbare neue Platten und Songs von Stuttgarter Bands aufgetan.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wie immer an dieser Stelle wollen wir einige neue Pop-Veröffentlichungen aus der Stuttgarter Szene vorstellen, von denen wir glauben, dass das Hören sich lohnt.

 

Wenn Sie nur wegen des Artikelbilds auf den Text geklickt haben, können Sie sich ertappt fühlen - oder einfach weiterlesen, denn es geht sogleich um die Band, die der Dame einen Ehrenplatz auf dem Cover ihres neuen Albums zugewiesen hat.

Kniffler's Mum, Album "Backstage schmeckt's am Besten"

Der Crossover-Sound von Kniffler's Mum konnte schon beim Debütalbum überzeugen, war aber ein wenig unentschieden zwischen American-Pie-Teeniemusik und einer ernst zu nehmenden Rock-vs-Rap-Kreuzung. So wie nach dem Abi der Ernst des Lebens (ein bisschen) beginnt, hat sich auch die Band entschieden und den Kiddiekram hinter sich gelassen.

Das Albumcover ist natürlich knallig und textmäßig geht es schon auch mal um Mathe Oberstufe, viel mehr aber Richtung Bilderbuch. Auch die Synthie- und Gitarrensounds klingen stellenweise nach den Wiener Meistern der popmusikalischen Melange.

Insgesamt geht das Album aber vor allem straight nach vorne und macht auch über die lange Strecke Spaß - immerhin sind 15 Songs drauf. Stellenweise scheint die Gruppe sogar Cro Konkurrenz zu machen, der ab und zu ja auch mellow Jazz-Voicings bringt. Wir verstehen das Albumcover einfach mal als verkaufsfördernden Trick und sind gespannt, wo das kommende Jahr Kniffler's Mum hinführt:

Pignon, EP "Holy Shit"

Die Stuttgarter Band Pignon hat sich als Gründungsmythos ausgedacht, dass sie im Altersheim gegründet worden sei. Kann man schonmal machen. Der Gesang klingt, als sei er in der nordwestamerikanischen Studiokabine aufgenommen worden, die schon zu Grunge-Zeiten in Betrieb war.

Wenn das live mit der entsprechenden Artyness dargeboten wird, könnte es was werden mit Pignon. Dass die Band kürzlich unter der Paulinenbrücke gespielt hat, ist schonmal ein guter Anfang.


 

Müll - Album "Dada Müll"

Das Stuttgarter Allscore-Label ist kürzlich mit der Veröffentlichung eines imaginären Kannibalensoundtracks positiv aufgefallen. Jetzt hat der Labelchef Dietmar Bosch Aufnahmen der Stuttgarter Hard- oder Krautrock-Band Müll ausgegraben und mehr als vierzig Jahre nach den Aufnahmen im Diakonissenbunker als CD veröffentlicht - pünktlich zur Vernissage der Ausstellung "Musik im Bunker", die übrigens am Sonntag (13.11.) noch einmal geöffnet hat.

"Dada Müll" ist ein erfreuliches Kapitel der Stuttgarter Musikgeschichte: ausufernde Jams und Gitarrensoli, erstaunlich informiert in Sachen Gitarrensounds, Exotica und den diversen damals aktuellen Spielarten der Rockmusik. Die CD ist überdies schön aufgemacht mit Hochglanz-Inlay. Hier eine Hörprobe:

Jatuna, Album "Es regnete die ganze Nacht und bis zum MIttag durch"

Das Album von Jatuna klingt wie das Ergebnis einer heimlichen Translokation: ein Hamburger-Schule-Singer/Songwriter, der aus irgendwelchen Gründen in Stuttgart gelandet ist. Aber Gisbert zu Knyphausen kommt ja auch aus Rheinhessen. Und Daantje & The Golden Handwerk sind ebenfalls auch von hier. Aber Jens Lindmaier alias Jatuna bestätigt, dass er in Stuttgart geboren ist. Glauben wir ihm!

Die Musik ist wie gesagt recht norddeutsch angehaucht, Lindmaiers Band (neben dem Sänger Jeff Appiah und Marcin Kicyk) selbst sieht sich zwischen Pop, Jazz und Folk - "aber immer entspannt". Gemastert hat Ralv Milberg, insgesamt klingt der Sound reif und wurde gewiss bei sonnigem Wetter aufgenommen, das es ja auch im Norden ab und an geben soll.

Da knallt jedenfalls nichts, diese Platte drückt sich eher wegen der kleinen Dinge ins Ohr: dem herrlichen "So schlimm" über Berliner Hipster etwa, dem oft ganz dezent gemischten Schlagwerk, der Bluesharp zwischendurch.

The Andean Wolf, Video "Drama Tale"

Kommen wir zum ersten von zwei hübschen aktuellen Videos, die uns aufgefallen sind. The Andean Wolf werden mit ihrem Song "Drama Tale" verbindlich. Der Song ist hübsch produziert, eine Art modernes Singer/Songwritertum mit angenehmem Sound.

Die Band hat dem Lied ein tolles Video spendiert, das wir hier gerne zeigen:

Körpa Klauz, Video "King of Graffiti"

Körpa Klauz ist ja nicht nur Musiker, sondern auch ein Urgestein der Stuttgarter Graffiti-Szene. Nachdem er erst Merkel, dann Petry auf den Mond schießen wollte, ist er in seinem neuen Video "King of Graffiti" (und Manu Chaos Bruder im Geiste).

Der Rap-vs-Rave-Zwischenteil gefällt uns besonders gut, auch wenn wir uns natürlich von den im Video dargestellten Sachbeschädigungen und dem offenbar begangenen Hausfriedensbruch distanzieren müssen! 


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