Völlig absurd: der Komiker Helge Schneider hat am Samstag zum ersten Mal beim WDR den Talkmaster gegeben.

Stuttgart - Wer hackt denn nun Holz? Helge Schneider hat nach eigenem Bekunden überhaupt keine Zeit. Und wenn er sie hat, dann macht er Baumstämme klein. Eigentlich. Denn plötzlich heißt es am Samstagabend beim WDR „Helge hat Zeit“. Helge hat Zeit, den Talkmaster zu geben. Ein „Ah“ und ein „Oh“ und ein „der WDR traut sich da aber was“ ging im Vorfeld durch den Blätterwald.

 

Der WDR traut sich was? Im Ernst? Er hat eine Talkshow in die Hände eines Mannes gelegt, der jedes Instrument perfekt zu spielen weiß. Die Klaviatur der Talkshow kommt so einem doch vor wie ein Kinderspielzeug. Und genau so packt der kauzige Alleinunterhalter die Sache auch an, würfelt bunt Sinn und Unsinn ins Studio, führt mit kiloschwerem Schalk im Nacken das Konzept so konsequent aus, bis es der Absurdität preisgegeben ist: Mitten in der Sendung holt er einen zerknautschten Zettel mit Regieanweisungen aus der Tasche, um mal zu gucken, wie es in so einer Talkshow weitergeht, und stellt lapidar fest: „Ist noch nicht so weit, dachte, wär Schluss.“

Dabei kann es ihm ja eigentlich gar nicht langsam genug gehen. Helge Schneider nimmt sich die Zeit, umständlich seine Lesebrille aufzusetzen, vorzulesen, abzuschweifen, ziel- und fadenlos durch die Sendeminuten zu schlittern. Er sagt zu der Schriftstellerin Sybille Berg „Du musst nicht viel reden, ich auch nicht“ und überlegt laut, über was man denn nun überhaupt reden könnte.

Und dann mimt Helge Schneider auch noch Günter Grass

Das Dialog zu nennen, was zwischen Schneider und der Berg oder der Schauspielerin Sandra Hüller oder auch dem Ex-Anarcho-Moderator Kurt Krömer stattfindet, wäre nicht nur Unfug, sondern in diesem Fall sogar eine Beleidigung. Natürlich erfüllt der kluge Clown die Erwartungen eines Talkshow-Publikums nicht, wenn er seinen Kollegen Krömer allen Ernstes nach seinem Alter fragt.

Aber inmitten der Starre der vorhersehbaren Polittalks oder der sich ewig im Kreis drehenden Dauerwerbesendungen wie „3 nach 9“ wirkt diese – ja was eigentlich? Begegnungssendung? Jamsession? Fitze Fatze? – in ihrer Langsamkeit wie halsbrecherisch ausgekugelt.

Der Entschleuniger trifft auf Elfriede Jelinek – als Puppe. Deren Spielerin Suse Wächter lässt die Autorin wirre Worte wie „Ich bin gar nicht da. Ich sitze vor dem Fernseher“ sagen. Suse Wächter sorgt auch dafür, dass Gott aus Stoff „Marmor, Stein und Eisen bricht“ trällert, und Schneider schlüpft – als Gipfel des Urkomischen – in die Rolle von Günter Grass, Zigarre malmend, die Blechtrommel trommelnd, krudes Zeug redend.

Schneider selbst versteckt den Vollblutmusiker in sich freilich nicht. Im Gegenteil. Den lässt er ständig ausbüxen, am allerbesten zeigt er sich bei einer Einlage mit der Beatbox-Künstlerin Butterscotch und bei einem Jazzstück, das wie Schneider so schön auf Schneiderisch sagt, „eine Eigenkomposition von mir“ ist. Weil diese Umschreibung auch zur gesamten Show passt, ist es doch schön, dass der WDR Helge noch mehr Zeit zum Austoben lassen und die Show fortsetzen will.