Neue Technik aus Stuttgart Wie KI für bessere Straßen sorgen soll

Das Smartphone zeichnet während der Fahrt automatisch die Straßenschäden auf. Foto: Lichtgut/ Julian Rettig

Im Kampf gegen den immer schlechter werdenden Zustand der Straßen in der Landeshauptstadt könnte eine neue Technik helfen.

Mehr als ein Viertel aller Straßen in Stuttgart sind in einem desolaten Zustand – trotz steigender Investitionen. Das geht aus dem letzten Untersuchungsbericht des Tiefbauamts hervor. Dafür hatten die städtischen Mitarbeiter Fahrbahnen mit einer Länge von rund 1320 Kilometer unter die Lupe genommen. Ein aufwendiges Verfahren. Das muss nicht sein, sagt Bastian Rosato von Vialytics. Das Stuttgarter Unternehmen hat eine Software entwickelt, mit der die Erfassung des Zustands des Straßennetzes mittels künstlicher Intelligenz erfolgt. „Und das sozusagen im Vorbeifahren und immer brandaktuell“, betont der Pressesprecher.

 

Stuttgarter Büro ist bereits in sieben Ländern aktiv

Erste Gespräche zwischen Vialytics und der Stuttgarter Verwaltung haben bereits stattgefunden, die Untersuchung wurde als Testlauf begleitet. Sollte es zu einer Einigung kommen, müssten die städtischen Mitarbeiter die Untersuchung nicht mehr selbst durchführen – und sie würde auch nicht mehr nur alle fünf Jahre stattfinden.

Damit würde der Software-Anbieter sprichwörtlich auch endlich vor der eigenen Haustüre ankommen. Seit 2018 am Markt, hat das Stuttgarter Büro inzwischen mehr als 1000 Kunden in sieben Ländern, mit eigenen Niederlassungen in Frankreich und den USA. Neben diesen beiden zählen auch Kommunen in Tschechien, Slowenien, Österreich, der Schweiz und in ganz Deutschland zu den Partnern. Das Hauptaugenmerk liegt aber nach wie vor in Süddeutschland. So vertrauen unter anderem auch Esslingen, Ludwigsburg, Weinstadt, Leinfelden-Echterdingen oder auch Tübingen auf die Technik aus der Landeshauptstadt.

Denn die Anwendung ist „denkbar einfach“, verspricht Rosato. Die Analyse der Straßen erfolgt per Smartphone. Vialytics stellt dafür die Hardware zur Verfügung, die App kann aber auch auf jedes gängige Handy aufgespielt werden. Mit Hilfe einer Halterung an der Frontscheibe des Autos, wird das Smartphone auf die Straße ausgerichtet. Das Programm nimmt dann eigenständig den kompletten Straßenraum automatisch auf, erkennt Schäden am Belag, Unebenheiten und Risse. Über die Jahre habe man die Software kontinuierlich weiterentwickelt. So werden inzwischen auch alle Regenrinnen und Gullis oder Verkehrsschilder auf mögliche Schäden gescannt. Aber auch Fahrradspuren können so kontrolliert werden. Nicht zuletzt soll der immer wiederkehrende Kritikpunkt, dass das System bislang noch keine Gehwege erfassen kann, bald der Vergangenheit angehören. „Wir arbeiten bereits daran“, stellt Rosato die nächste Ausbaustufe in absehbarer Zeit in Aussicht.

Der Anwender kann per Auslöser, der am Lenkrad angebracht wird, zusätzliche Fotos machen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das Programm macht alle vier Meter ein Foto. Jederzeit kann der Anwender zusätzlich selbst ein Bild machen – unter anderem mit einem Auslöser, der am Lenkrad befestigt wird. So entsteht ein lückenloses Bild des Zustands der Straßen auf das die betroffenen Ämter Zugriff haben. Die Daten werden automatisch auf das Programm von Vialytics übertragen. „In Echtzeit und nicht nur alle paar Jahre in mühevoller händischer Kleinarbeit“, betont Rosato.

Der Vorteil liegt für die Softwareentwickler auf der Hand. In der Praxis hätten Kommunen oft „keine Zeit, kein Geld und vor allem kein Personal“ für derartige Erhebungen. Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz und der eigen entwickelten Software könne der „Teufelskreis“ durchbrochen werden, dass bislang gute Straßen nicht mehr rechtzeitig erhalten und die Schäden dadurch immer größer würden, was noch höhere Investitionen erfordere.

Die Erfassung könnte die SSB übernehmen

Zwar könne Vialytics die Straßen nicht selbst abfahren, aber „wir liefern die Daten, damit rechtzeitig die passenden Maßnahmen ergriffen werden können, um das Straßennetz in einem guten Zustand erhalten zu können“. Die Aufgabe der Erfassung könnte dabei von städtischen Ämtern oder Behörden übernommen werden, die sowieso auf allen Straßen unterwegs sind. Aber auch eine Fremdvergabe ist denkbar. In der tschechischen Hauptstadt Prag hat die Stadtverwaltung zum Beispiel einen Vertrag mit dem örtlichen Taxiunternehmen geschlossen. In der schwäbischen Landeshauptstadt kämen unter anderem die Busse der Stuttgarter Straßenbahnen AG oder auch die Müllfahrzeuge der Abfallwirtschaft Stuttgart in Frage.

Das Anwendungsgebiet kann zudem ohne Probleme ausgeweitet werden. So hat die Stadt Goslar zum Beispiel bei Kontrollgängen auch Gräber auf Friedhöfen und Spielplätze ins Portfolio aufgenommen. „Es sind fast keine Grenzen gesetzt“, sagt Rosato. Möglich sei zum Beispiel in der Mineralwasserstadt Stuttgart auch die Erfassung von Brunnen – einfach im Vorbeifahren und immer aktuell.

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