Die relativ geringe Reichweite eines Elektroautos gilt als Grund für die schleppende Nachfrage. Bessere Batterietechnologie sollte das Problem lösen, ist die bisher gängige Meinung. Es geht auch anders, wie Bosch mit der E-Achse zeigt.

Stuttgart - Mit einer neuartigen Achse, die die Reichweite von Elektroautos erhöht, hofft der Autozulieferer Bosch auf Milliardenumsätze. Das Neue an der Technologie ist, dass Bosch aus bisher drei Komponenten eine macht: Motor, Leistungselektronik und Getriebe werden kompakt in der sogenannten E-Achse, die auf der Internationalen Automobilausstellung Mitte September in Frankfurt vorgestellt werden soll, kombiniert. Das mache den Antrieb deutlich effizienter, teilt der Zulieferer mit. Spätestens für 2019 sei die Großserie geplant, heißt es weiter. Tests bei Kunden würden bereits laufen.

 

Der Vorteil des neuen Systems liege nicht zuletzt in seiner Effizienz – also der tatsächlichen Nutzung der eingesetzten Energie –, die zwischen 93 und 94 Prozent liege, sagte ein Bosch-Sprecher. Zum Vergleich: Elektroautos mit dem bisherigen Antrieb schaffen einen Wirkungsgrad von 80 Prozent; und hocheffiziente Dieselmotoren erreichen dagegen „nur“ 50 Prozent, so der Sprecher. Um wie viel Kilometer die Reichweite eines Elektroautos steigen könnte, sagte er allerdings nicht. Experten gehen jedoch davon aus, dass ein Stromer mit einer E-Achse seine Reichweite um fünf bis zehn Prozent steigern kann; also statt bisher 200 Kilometer käme er dann 220 bis 240 Kilometer weit.

Weniger Gewicht, höhere Effizienz

Der Effizienzgewinn komme daher, erklärt derweil der Bosch-Sprecher, dass etwa durch die integrierte Bauweise weniger Kupferkabel verwendet werden müssen. Auch brauche das kompakte System, das sowohl an der Vorder- als auch an der Hinterachse montiert werden kann, nur noch eine Kühlung. Beides reduziere das Gewicht.

„Wirtschaftlich kann die E-Achse für Bosch der große Wurf werden“, erklärt Rolf Bulander. Er ist in der Bosch-Geschäftsführung zuständig für das Kraftfahrzeuggeschäft. Und der neue Antrieb sei ein zentraler Baustein für Bosch, um im Massenmarkt von 2020 an weltweiter Marktführer bei Elektromobilität zu werden. Die Stuttgarter erhoffen sich Milliardenumsätze mit diesem Bauteil; Konkrete Zahlen waren nicht zu erfahren. „Jetzt können wir allmählich die Früchte unserer Arbeit ernten“, sagte Matthias Pillin, der bei Bosch für die Elektromobilität zuständig ist.

Bei Bosch laufen mehr als 30 Serienprojekte

Seine Zuversicht begründet der Technologiekonzern nicht zuletzt mit seiner jahrelangen Erfahrung im Bereich Elektromobilität. Derzeit seien weltweit mehr als 500 000 Elektrofahrzeuge und Hybride – also Autos sowohl mit einem Elektro- als auch einem Verbrennungsmotor – mit Komponenten der Stuttgarter unterwegs. Global wurden mehr als 30 Serienprojekte realisiert. Erste elektrische Achsantriebe habe das Unternehmen bereits 2012 auf den Markt gebracht; allerdings nicht in der jetzt angekündigten integrierten Variante. Der Peugeot 2008 und der Fiat 500e nutzen diese Technologie. Im Street-Scooter, dem elektrischen Zustellfahrzeug der Post, steckt Bosch-Technik – so kommt der E-Motor von EM-Motive zum Einsatz, einem Joint Venture von Bosch und Daimler; auch die Leistungselektronik liefern die Stuttgarter. Die E-Achse kann in Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis 7,5 Tonnen eingebaut werden – also in Pkw, Geländewagen und leichten Nutzfahrzeugen.

Als Kunden für die neue Technologie hat der weltgrößte Zulieferer sowohl die etablierten Autohersteller identifiziert als auch junge Unternehmen, die es neu in den Markt der Elektromobilität zieht. In China gebe es „unglaublich viele Start-ups, die sich eher als rollende Smartphones sehen“, sagte der Bosch-Sprecher. Diese konzentrierten sich vor allem auf das Infotainment im Fahrzeug, um sich vom Wettbewerber abzuheben. Auch Unternehmen im Silicon Valley hätten Interesse an der Bosch-Technologie. Zu Namen wollte sich der Sprecher nicht äußern. Der Vorteil für diese Kunden sei, dass sie den Entwicklungsprozess, der in der Autoindustrie im Schnitt bei sechs Jahren liegt, deutlich verkürzen könnten.

Auch ZF und Schaeffler sind dran

Auf der IAA in Frankfurt wird nicht nur Bosch mit seiner Technologie rund um die Elektromobilität auf sich aufmerksam machen. Auch die Zulieferer ZF in Friedrichshafen und Schaeffler im fränkischen Herzogenaurach haben einen elektrischen Achsantrieb im Angebot. ZF hat angekündigt mit seinem System bereits im nächsten Jahr in Serie gehen zu wollen. Produziert werden soll in Schweinfurt. Bosch dagegen nennt keinen konkreten Produktionsstandort. Die Herstellung soll jeweils in der Nähe des Kunden erfolgen, sagt Pillin.