Ist es sinnvoll, Lkws mit einem Oberleitungssystem wie bei Zügen fahren zu lassen? Siemens hat ein Konzept zur Elektrifizierung des Güterverkehrs auf der Autobahn vorgestellt.

Stuttgart - Templin, nördlich von Berlin, war einst größter Militärflugplatz der DDR. Am Samstag wurde dort die Zukunft des Fernlastverkehrs in Deutschland erprobt. Ein Oberleitungssystem wie bei Zügen oder Straßenbahnen spannt sich über eine 1,7 Kilometer lange Teststrecke. Darunter surren 18-Tonner mit Stromabnehmern dahin. „Es ist unumgänglich den Lkw zu elektrifizieren“, glaubt Roland Edel. Er ist Technologiechef der Siemens-Mobilitätssparte und für das vom Bund seit zwei Jahren geförderte Elektroprojekt verantwortlich. Wenn es nach ihm geht, erhalten Autobahnen bald Oberleitungen, die Hybrid-Lkws mit Strom versorgen.

 

Wenn Deutschland die ausgegebenen Klimaziele erreichen will, muss sich beim Schwerlastverkehr etwas tun. Darüber sind sich die Experten einig. Eine Lösung hat aber bisher noch niemand gefunden. Fast ein Drittel aller Schadstoffemissionen des Verkehrs verursachen Lastwagen. Zudem wird dem Güterverkehr bis 2050 hierzulande mehr als eine Verdoppelung vorausgesagt. Durch Optimierung der Logistikströme und Verlagerung auf die Schiene allein ist das Umweltproblem Lkw nicht zu lösen, sagen die Experten des Sachverständigenrats für Umweltfragen.

Große Lkw-Hersteller sind skeptisch

Sie setzen ebenfalls auf Lkws mit Oberleitung. Sinnvoll sei es, die rechte Spur der am stärksten von Lastwagen befahrenen 5700 Autobahnkilometer zu elektrifizieren. Das würde gut 14 Milliarden Euro kosten, was aus der Lkw-Maut oder von Stromnetzbetreibern finanziert werden könne. Die erste kommerzielle Strecke der von Siemens eHighway genannten Technologie dürfte aber nicht in Deutschland, sie könnte vielmehr in der Nähe von Los Angeles entstehen. 35 000 Lkws pendeln dort täglich zwischen Hafen und Verteilzentren im Hinterland. Das wichtige Teilstück, der 30 Kilometer lange Highway 710, soll elektrifiziert werden. In Los Angeles hofft man auf einen Startschuss schon 2013.

Große Lkw-Hersteller reagieren skeptisch auf solche Entwicklungen. „Der Aufbau der Infrastruktur ist unglaublich aufwendig“, heißt es in ihrem Kreis. Die Probleme mit dem Mautsystem Toll Collect hätten gezeigt, das auch im Hightechland Deutschland nicht jede neue Technologie funktioniert. Um einen echten Umwelteffekt zu haben, müsse es zudem viele Hybridlastwagen geben; doch Spediteure würden mit spitzer Feder kalkulieren. „Das ist eine Schnapsidee, wir geben dem keine Realisierungschance“, sagt die Umweltexpertin des Verkehrsclubs Deutschland, Heidi Tischmann. Auch sie verweist auf die Milliardensummen, die besser in einen Ausbau des Schienennetzes investiert seien. Solange immer noch Kartoffeln zum Waschen nach Polen gekarrt werden, solle niemand sagen, dass anschwellender Güterverkehr gottgegeben sei, fügt sie hinzu.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr (BGL) reagiert „vorsichtig zuversichtlich“ auf die Pläne. „Man muss alle Möglichkeiten weg vom Öl prüfen“, sagt BGL-Vize Adolf Zobel. Ein Oberleitungssystem biete eine interessante Alternative. Im Betrieb sei ein Hybrid-Lkw eventuell günstiger als ein Diesellaster. Bei der Anschaffung sei möglicherweise eine Förderung nötig. Im Bundesumweltministerium, das das 5,5 Millionen Euro teuere eHighway-Projekt mit 2,2 Millionen Euro mitfinanziert hat, ist man optimistisch. „Die Ergebnisse sind recht vielversprechend“, sagt ein Sprecher.