Die frühere französische Ministerin Audrey Azoulay wird voraussichtlich künftig an der Spitze der UN-Kulturorganisation Unesco stehen.

Paris - Sie soll es nun also richten. Die diskrete Audrey Azoulay soll die politisch zerrissene, finanziell klamme, durch den Rückzug der USA und Israel zusätzlich geschwächte Unesco auf Kurs bringen. Die Französin ist zur neuen Chefin der Weltorganisation gewählt worden und gibt sich zuversichtlich. Sie wolle die Glaubwürdigkeit der Unesco wiederherstellen, hat sie im Vorfeld der für den 30. Oktober anberaumten Unesco-Generalversammlung gesagt. Die 45-Jährige hat an den ureigenen Auftrag der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur erinnert: mit erzieherischen Mitteln die Achtung vor der kulturellen Vielfalt der Völker fördern und so zum Frieden beitragen. In Zeiten wachsender politisch-religiöser Intoleranz sei dies wichtiger denn je. Und wenn jemand das kann, dann doch sie.

 

Verbindlich im Ton, aber hart in der Sache ist Frankreichs frühere Kulturministerin. Hinter dem geheimnisvollen Lächeln einer Mona Lisa waltet wilde Entschlossenheit. Die Mutter Schriftstellerin, der Vater Wirtschaftsberater am marokkanischen Königshof, hatte Azoulay zunächst die klassische  Laufbahn einer begüterten französischen Intellektuellen eingeschlagen: Einen Abschluss der als politische Kaderschmiede dienenden Nationalen Verwaltungshochschule ENA in der Tasche, heuerte sie als Ökonomin im Rechnungshof an. Es folgte die Kurskorrektur hin zur Kultur. Als stellvertretende Leiterin des Nationalen Kinozentrums, einer staatlichen Filmfördergesellschaft, kämpfte Azoulay an der Seite des Regisseurs Costa-Gavras dafür, dass das französische Kino im kommerziellen Filmgeschäft nicht noch mehr an den Rand gerät.

Die Französin ist auch der arabischen Welt verbunden

2014 wurde der damalige Staatschef auf Azoulay aufmerksam. François Hollande machte die aparte Französin erst zu seiner Beraterin und Anfang 2016 dann zur Kulturministerin. Und ist Azoulay als praktizierende Jüdin mit franko-marokkanischen Wurzeln nicht auch geradezu prädestiniert, sich am so heiklen, so wichtigen Brückenschlag im Nahen Osten zu versuchen? Den „Antisemitismus des alten Frankreich“ habe sie zu spüren bekommen, hat sie in einem Interview offenbart. Sie habe darunter gelitten. Zugleich ist die zierliche Französin aber auch der arabischen Welt verbunden. Die Eltern leben seit Jahrzehnten in Marokko, wo Azoulay in jungen Jahren ihre Sommerferien verbrachte. Der Vater zählte zu den engsten Vertrauten des früheren Königs Hassan II., den er in Wirtschaftsfragen beriet. Heute steht der frühere Banker dem Nachfolger des Monarchen, Mohamed VI., zur Seite.  

Alles deutet darauf hin, dass sie auch noch die letzte Hürde nimmt

Womöglich vermag Azoulay die USA und Israel gar davon zu überzeugen, dass die Unesco ihnen unter neuer Führung im Nahost-Konflikt nützlich sein könnte. Hätte sich Azoulays Rivale aus Katar durchgesetzt, der bei der Wahl mit 28 zu 30 Stimmen knapp unterlegene Hamad bin Abdulasis al-Kawari (69), sähe das anders aus. Die USA und Israel hätten ein willkommenes Argument für ihre Entscheidung nachgereicht bekommen, der ihrer Meinung nach israelfeindlichen Weltorganisation zum Jahresende den Rücken zu kehren. Abdulasis al-Kawari gilt als Antisemit.

So aber deutet nun alles darauf hin, dass Azoulay auch noch die letzte Hürde auf dem Weg zum neuen Amt nehmen wird. Am 10. November hat die Generalversammlung der 195 Mitgliedsstaaten zählenden Unesco in Paris zu entscheiden, ob sie sich dem vom 58-köpfigen Exekutivrat getroffene Votum zugunsten der Französin anschließt. Sie selbst hat, wie sie sagt, „so richtig Lust auf den neuen Posten“.