Ende des Jahres schließt ein Stuttgarter Pflegeheim des Wohlfahrtswerks. Das Haus hätte saniert werden müssen und erfüllt die Landesvorgaben nicht. Die Umsetzung der sogenannten Landesheimbauverordnung macht den Trägern in Stuttgart besonders zu schaffen. Denn hier fehlt es an Flächen.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Gerüchte, dass das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg sein Pflegeheim an der Karlshöhe schließt, gab es schon seit Jahren. Nun steht fest: Bis zum 31. Dezember wird das Pflegeheim der Eduard-Mörike-Seniorenwohnanlage den Betrieb einstellen. Neben der dringend fälligen Sanierung des 1974 erbauten Hauses liegt dies dem Träger zufolge an der Landesheimbauverordnung. Sie muss spätestens im September 2019 umgesetzt sein und beschäftigt die Branche immens. „Die meisten Heime müssen baulich wegen der Landesheimbauverordnung etwas ändern“, sagt Stefan Kinkelin, der Leiter der städtischen Heimaufsicht.

 

Wie berichtet, sind von September 2019 an Doppelzimmer in Pflegeheimen tabu, Wohngruppen dürfen nicht mehr als 15 Bewohner, und die Heime sollen insgesamt nicht mehr als 100 Plätze haben. Auch der Brandschutz wurde verschärft.

Laut Thomas Göbel, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Wohlfahrtswerks, kam für den Standort an der Karlshöhe deshalb nur ein Neubau infrage. Das Betreute Wohnen im Haus fällt nicht unter die Verordnung und wird „mittelfristig aufrecht erhalten“, doch vor dem Abriss muss es ebenfalls weichen. Entstehen soll laut Göbel ein neues Wohn- und Pflegezentrum.

Ein Umzugshelfer kümmert sich um die Bewohner

Kürzlich wurden die Pflegeheimbewohner vom Aus informiert. Die Begeisterung soll sich in Grenzen gehalten haben, die Überraschung allerdings auch. Schon länger sind Plätze nicht mehr neu belegt worden. Von ursprünglich 98 Plätzen seien nur noch 41 belegt, berichtet Göbel. Den Umzug in ein anderes Stuttgarter Pflegeheim zahle das Wohlfahrtswerk – die Bewohner profitierten mehrheitlich davon, wenn er vor dem Jahreswechsel erfolge (siehe Infokasten). Zudem hat der Träger einen Umzugshelfer im Einsatz, der sich um die Sorgen der Menschen kümmern soll. Damit will man Verwürfnisse vermeiden, sagt Göbel.

Einen Protest wie am Killesberg möchte man vermeiden. Dort wehren sich wie berichtet die Bewohner des Seniorenzentrums „Haus am Killesberg“ des Roten Kreuzes gegen den geplanten Abriss. Das DRK will neu bauen. Der Auszug der Bewohner, die nach Feuerbach ziehen könnten, soll im Herbst 2017 sein. Auch hier wird vom Träger die Landesheimbauverordnung mit als Grund für die Planung angeführt. „Einige Bewohner tun sich sehr, sehr schwer, das ist auch weiterhin so“, sagt der DRK-Sprecher Udo Bangerter. Man sei wegen des Projekts im Dialog mit der Stadt. Ein Ergebnis: die stationären Pflegeplätze, die der Träger im Neubau eigentlich aufgeben wollte, sollen nun doch erhalten bleiben.

Nur 20 Prozent haben ihre Unterlagen eingereicht

Der Heimaufsicht ist bisher wegen anstehender Neubauten nur „vereinzelt“ der Wegfall von Pflegeheimplätzen bekannt. Allerdings weiß die Heimaufsicht bisher weniger als ihr lieb ist von den Plänen der Träger. 80 Prozent der Einrichtungen hätten ihre Unterlagen, wie sie die Vorgaben zu erfüllen gedenken, noch gar nicht bei ihnen eingereicht, berichtet Kinkelin. Da die Behörde nur mit zweieinhalb Stellen ausgestattet ist, könnte das noch zu einem Problem werden. „Da geht es um Millionenbeträge, die investiert werden“, äußert Kinkelin Verständnis für das Zögern der Träger.

So mancher könnte sich auch bewusst bedeckt halten. „Wir haben schon überlegt, ob wir es nicht drauf ankommen lassen, uns aber dagegen entschieden“, berichtet die Leiterin eines Hauses, die anonym bleiben will. Im eigenen Fall stünden wegen der Brandschutzvorgaben umfangreiche Umbauten an, die wirtschaftlich nicht darstellbar wären. Die letzte Renovierung ist zwölf Jahre her und noch nicht abbezahlt. Der Träger beantragt daher eine Fristverlängerung für weitere zehn Jahre. Sollte diese nicht gewährt werden, wäre das „ein Riesenproblem“. Man habe nur das eine Haus.

Kleine Träger, so heißt es in der Branche, könnten die nun nötigen Neubauten kaum stemmen. Sowohl Thomas Göbel vom Wohlfahrtswerk als auch Florian Bommas, der Geschäftsführer der Diak Altenhilfe, gehen davon aus, dass sich die Zahl der Träger in Stuttgart verringern wird.

Diak Altenhilfe investiert 22 Millionen an dem Standort

Bei der Diak Altenhilfe steht der Neubau des Pflegezentrums Bethanien in Möhringen an. Es ist mit seinen 218 Plätzen das zweitgrößte Pflegeheim in der Stadt. 218 sollen es auch in Zukunft sein. Wie das möglich ist, obwohl die Verordnung nur 100 erlaubt? Die 218 Plätze verteilen sich in Zukunft auf mehrere Gebäude auf dem gleichen Gelände. Der Standort wird wie zwei Pflegeheime behandelt: eines entsteht auf der Ostseite, eines auf der Westseite des Geländes. Hinzu kommt ein neues Gebäude aus dem Bestand, in dem die Demenzerkrankten untergebracht sind. Bei dem Großprojekt ist es möglich, das bestehende Pflegeheim erst abzureißen, wenn der Neubau fertig ist. 22 Millionen Euro werden voraussichtlich investiert.

Bommas ist froh, dass keine Plätze wegfallen und die Heimaufsicht und das Sozialministerium ihr Okay gegeben haben. Was er an der Landesheimbauverordnung kritisiert: dass man bestehende Heime nicht vergrößern kann durch zusätzliche Etagen. „Es gibt in Stuttgart keine Grundstücke, um den Bedarf zu befriedigen“, stellt er klar.

Auch das Wohlfahrtswerk erklärt, dass es seit Jahren erfolglos in Stuttgart nach einem Grundstück für einen Neubau gesucht habe. Je mehr Plätze auf ein Grundstück kämen, desto weniger Kosten hätten die Bewohner, sagt Bommas von der Diak Altenhilfe, weil die Investitionskosten auf sie umgelegt werden. „Dass Einrichtungen vergrößert werden geht nicht“, sagt Kinkelin hierzu – nicht nur wegen der Verordnung. Meistens stünden dem baurechtliche Gründe entgegen.