Erst Missbrauchsvorwürfe und nun möglicherweise noch ein Kind: Ein Mann hat den Verdacht, er könne der Sohn des früheren Essener Kardinals Franz Hengsbach sein. Das zuständige Bistum geht dem Fall nun nach.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Das Bistum Essen hat eine Exhumierung seines im Jahr 1991 gestorbenen Gründerbischofs und späteren Kardinals Franz Hengsbach im Sommer 2024 bei der Stadt Essen beantragt – allerdings erfolglos. Dabei sei es darum gegangen, mit einem DNA-Test Hinweise auf eine mögliche Vaterschaft des Geistlichen zu untersuchen, heißt es in der „WAZ“. Eine Stadtsprecherin bestätigte den Antrag der Diözese.

 

Als Priester zu sexueller Enthaltsamkeit verpflichtet

Die Stadt, die Exhumierungen genehmigen muss, habe den Antrag abgelehnt. Sie habe dabei auf die Totenruhe verwiesen und den Umstand, dass eine mögliche Vaterschaft Hengsbachs sich auch ohne Exhumierung durch DNA-Vergleiche mit Verwandten klären lasse, erklärte die Sprecherin. Katholische Geistliche sollen zölibatär leben - dass heißt, sind zur Ehelosigkeit und sexuellen Enthaltsamkeit verpflichtet.

Laut dem „WAZ“-Bericht hat sich zu Jahresbeginn ein Mann mittleren Alters auf der Suche nach seinem leiblichen Vater beim Bistum gemeldet. Er habe offensichtlich Indizien dafür geliefert, dass es sich dabei um Franz Hengsbach handeln könnte, schreibt die Zeitung.

Missbrauchtäter unter sich: Hengbach (re.) mit dem damaligen Hauptgeschäftsführer von Adveniat und späteren Bischof der ecuadorianischen Diözese Santo Domingo de los Colorados, Emil Stehle (1926-2017). Foto: Imago/Arnold Rennemeyer
Anwalt der Bergleute: Hengsbach schüttelt in Bottrop Bergarbeitern die Hände (Foto aus den späten 1960ern Jahren). Foto: Imago/Werner Otto

Klärung einer möglichen Vaterschaft

„Wir bestätigen, dass uns vor geraumer Zeit eine vertrauliche Bitte um Unterstützung bei der Klärung einer möglichen Vaterschaft von Kardinal Hengsbach erreicht hat“, teilte das Bistum mit. „Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten“ könne die Diözese diesen Vorgang nicht weiter kommentieren.

Der Zeitung zufolge sind die biografischen Bruchstücke, die der Mann offenbart habe, so glaubwürdig und plausibel, dass das Bistum ihm bei der Aufklärung seiner Abstammung behilflich sein wolle.

So sah sich Hengsbach am liebsten: als volksnaher und nachdenklicher Oberhirte. Foto: Imago/Funke Foto Services
Autogrammkarte von Hengsbach aus dem Jahr 1982. Foto: Imago/Funke Foto Services

Ruhrbischof und Missbrauchtäter

Der 1910 im Sauerland geborene Franz Hengsbach war von 1958 bis 1991 erster Bischof des damals neu gegründeten Bistums Essen. Zuvor war er Weihbischof in Paderborn. Die Bistümer Essen und Paderborn hatten 2023 zwei Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen den von vielen verehrten und bis heute vor allem als Anwalt der Arbeiter und Bergleute im Ruhrgebiet populären Geistlichen bekannt gemacht.

Mittlerweile sind sieben weitere Hinweise auf mögliche Fälle sexualisierter Gewalt beim Bistum Essen eingegangen. Foto: Imago/Sven Simon
Die Essener Münsterkirche mit dem Kirchenschiff (Archivfoto). Foto: Imago/Funke Foto Services

Hengsbach soll in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn in den 1950er Jahren eine 16-Jährige sexuell missbraucht habe. Außerdem beschuldigt eine Frau den Geistlichen nach eines weiteren Übergriffs im Jahr 1967 in seiner Essener Zeit als Bischof. Die Vorwürfe waren aber erst später gemeldet und von den zuständigen Bistümern zunächst für unplausibel erklärt worden.

Bistum sucht weitere Zeugen

Mittlerweile seien sieben weitere Hinweise auf mögliche Fälle sexualisierter Gewalt beim Bistum Essen eingegangen, sagte der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer im Oktober. Derzeit läuft eine wissenschaftliche Studie, mit der die Vorwürfe weiter aufgearbeitet werden sollen.

Schwere Bürde: Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer. Foto: Imago/Funke Foto Services
Die Essener Domkirche von außen, vom Burgplatz aus fotografiert (Archivfoto). Foto: Imago/Funke Foto Services
Der Eingang zur „Adveniat“-Krypta unter dem Essener Dom. Foto: Imago/Funke Foto Services
Hier liegt der verstorbene Kardinal und andere Würdenträger des Bistums begraben. Foto: Imago/Funke Foto Services

In der Weihnachtsausgabe des Bistumsmagazins „Bene“ hat das Bistum zudem einen ganzseitigen Aufruf veröffentlicht. Darin bittet es „alle Menschen, die sexualisierte Gewalt durch Hengsbach erleiden mussten, sich zu melden“.

Das Bistum hat sich inzwischen von seinem ersten Bischof distanziert und eine Statue des Kardinals vor dem Dom entfernen lassen. Die Stadt benannte eine nach dem Kardinal benannte Straße um. Das Grab des Kardinals ist in einer Krypta in der Essener Münsterkirche.