Herr Nordwald, Museumsbesucher werden oft mit Faktenwissen bombardiert. In Ihrer Ausstellung im Stadtpalais Stuttgart gibt es keinen Text. Wollen Sie nicht belehren?
Nein. Es geht nicht nur um Fakten und Zahlen, sondern auch darum, Geschichten zu erzählen. Wir sind keine Paläontologen und Archäologen, deshalb haben wir wie bei einer Reportage mit denen gesprochen, die die Expertise haben und die Objekte betreuen. Es ist gut, dass wir den Abstand haben, denn die Leute, die zu uns kommen, sind auch keine Fachexperten.
Es wird radikal wenig gezeigt: nur 25 Objekte.
Das war die Idee. Uns ist die BBC-Reihe „History of the world in 100 objects“ eingefallen – und so hat unser Direktor Torben Giese die Konzeption entwickelt mit vier Ausstellungen mit jeweils 25 Objekten.
Was ist überhaupt die Aufgabe von Museen? Möglichst viel Wissen weiterzugeben?
Das ist schwierig. Museen sind extrem breit gefächert. Naturkundemuseum, Stadtmuseum, Technikmuseen haben komplett verschiedene Prinzipien und Konstruktionen. Das Stadtpalais ist auf jeden Fall keine Ausbildungsstätte. Wir probieren Dinge, die so noch nicht gemacht wurden. Ich habe zum Beispiel damit zu kämpfen, wie im Museum gesprochen und geschrieben wird: Für wen ist das? Wer soll das verstehen?
Sie haben für „Urknall Stutengarten“ den Audioguide wie ein Hörspiel inszeniert. Gab es dafür Vorbilder?
Nein. Unser Direktor hatte die Idee, die Texte wegzulassen. Wir haben geschaut, wie Geschichten-Erzählpodcasts funktionieren. So ist das nach und nach entstanden.
Warum machen meist Experten Ausstellungen, die keine Kenntnisse in Didaktik haben?
Ich hadere persönlich mit dem Begriff des Kurators. Er wird sehr hoch gehängt. Es ist ein Fehlschluss zu denken, dass der, der am meisten weiß, der ideale Kurator sei. Es müsste ein Zusammenspiel sein zwischen denen, die das Fachwissen haben, und jenen, die dieses Wissen übersetzen.
Haben Sie Sorge, dass die Publikumsnähe bei einer wissenschaftlichen Karriere schadet?
Das sehe ich nicht so. Im Museumsdiskurs wird schon lange davon gesprochen, dass sich Museen öffnen müssen. Es ist undankbar, dass bei uns keine Publikationen herauskommen, die ich in meinen Lebenslauf schreiben kann. Aber mich macht persönlich glücklich, dass auch Jüngere kommen und sagen „mich interessiert das Thema null, aber ich fand es total spannend“.
Stuttgarter Geschichte im Blick
Person
Yannick Nordwald ist seit zwei Jahren Ausstellungsleiter des „Stadtpalais – Museum für Stuttgart“. Er hat in Tübingen Anglistik/Amerikanistik und Empirische Kulturwissenschaft studiert und seine Doktorarbeit über die Digitalisierung von Museumsobjekten geschrieben. Er unterrichtet auch an der Uni Tübingen zum Thema Stuttgarter Frauengeschichte. adr