Nach dem Achtungserfolg mit den „Rekruten“ vom vorigen Herbst hat die Bundeswehr die ersten Folgen einer neuen Webserie freigeschaltet. Diesmal gewährt sie Einblicke in die Auslandsmission in Mali. Hitze und Staub machen den Protagonisten von sofort an zu schaffen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - „Es ist alles nicht so schlimm, wie man hört – es ist schlimmer!“ Wo solche Sprüche geklopft werden, ist die Bundeswehr meist nicht weit. Weil die Truppe Tausende Soldaten an die Krisenherde der Welt entsendet, exportiert sie ihre Kasernenhofweisheiten gleich mit. Neu ist, dass jeder Internetnutzer dabei sein darf, sofern er die neue Realitydokumentation „Mali“ verfolgt. Zwei Monate lang wird auf dem Youtube-Kanal „Bundeswehr exklusive“ von Montag bis Donnerstag um 17 Uhr eine neue Folge gestartet. Wer da durchkommt, dürfte sein Floskelrepertoire um einiges erweitert haben.

 

Für Liebhaber von Bundeswehr-Videos mag diese Zeit auch ein willkommenes Déjà-vu bringen, hatten die Streitkräfte doch vor einem Jahr mit ihrer Webserie „Die Rekruten“ eine solch große Aufmerksamkeit erzielt, dass sie nun mit ihrem derzeit gefährlichsten Einsatz nachlegen. Dazu wurden acht Protagonisten unter 1000 Soldaten vor und während des Aufenthaltes acht Monate lang begleitet. Die Personalisierung schafft Identifikation.

Anfangs geht es noch betulich zu

Geleitschutz erhält das Projekt erneut von einer massiven Werbekampagne weit über das Internet hinaus. Die alles in allem gut sechs Millionen Euro sind aus Sicht des Verteidigungsministeriums aber sinnvoll angelegtes Geld statt purer Steuerverschwendung. Denn es geht ja nicht nur darum, möglichst große Klickzahlen zu erzeugen und die Fangemeinde zu bespaßen. Vielmehr will das Ministerium auf der händeringenden Suche nach gutem Fachpersonal das ganze Produkt Bundeswehr so zeitgemäß und attraktiv wie nur möglich erscheinen lassen. Und was liegt da näher, als die jungen Männer und Frauen dort abzuholen, wo sie sich ohnehin tummeln.

Viel Transparenz wird für die Reality-Doku versprochen. „Diese Perspektive der Soldaten hat Deutschland noch nicht gesehen“, sagt der Kommunikationsbeauftragte Dirk Feldhaus. Zum offiziellen Start am Montagnachmittag wurden gleich die Folgen eins und zwei freigeschaltet. Darin geht es noch vergleichsweise betulich zu. „Es ist immer Scheiße, sich zu verabschieden“, sagt Hauptfeldwebel Peter trocken, bevor er sich auf dem Kölner Flughafen für die nächsten fünf Monate von den Seinen losreißt: Abflug nach Bamako mit Weitertransport nach Gao ins Camp Castor.

Die Ohren schmerzen rasch

Kein Entrinnen gibt es in Mali vor der Hitze von über 40 Grad oder dem fiesen roten Staub – die widrigen Umstände werden wohl die Dauerbrenner der gesamten Dokumentation sein. Und so behaglich wie auf der heimischen Scholle lebt es sich in einem engen Container für drei Soldaten oder gar in einem Neun-Mann-Zelt auch nicht. Daher hängt Hauptfeldwebel Marko gleich erst mal seine thüringische Flagge auf – wie an jedem seiner Einsatzorte. So gesehen hebt sich die Webserie durchaus von den sonst so blank gewienerten Werbetrailern der Bundeswehr ab.

Die von Youtube, Instagram und Snapchat bekannte Ästhetik soll Authenzität suggerieren – Selfies vom Klo inklusive. Doch Ödnis und Armut des Landes lassen sich in kein Video pressen. Immerhin bieten die etwa zehnminütigen Clips weniger wilde Schnitte und Kameraschwenks als noch bei den „Rekruten“. Die melodramatische akustische Untermalung schmerzt hingegen schon nach dem Anschauen der ersten Folgen in den Ohren. Parallel angeboten wird zudem ein sogenannter Chatbot: quasi ein Dauerfeuer an (Pseudo-)Neuigkeiten via Facebook-Messenger.

Tiger-Absturz vom 26. Juli kaum verkraftet

Kriegseinsatz oder Abenteuerurlaub? Darüber lässt sich noch keine sichere Aussage treffen. Die Bildungsgewerkschaft GEW hatte schon im Vorfeld geurteilt, die Webserie sei dem „Ernst der Lage nicht angemessen“. Auch dürfte der Anspruch der Bundeswehr, sich transparent zu präsentieren, kaum auf den Tiger-Absturz am 26. Juli zutreffen, bei dem zwei Soldaten starben. Das Unglück zu erklären, hat die Armee ohnehin allergrößte Mühe. Obwohl der Hersteller Airbus generelle Probleme in der Steuerung sieht, wurde kürzlich der Flugbetrieb wieder aufgenommen.

Die Youtube-Filmer hatten ihren Auftrag Ende Juli fast abgeschlossen, als sich die Katastrophe ereignete. So blieb ein Kameramann in Camp Castor, um die Stimmung danach einzufangen. Ob es gelungen ist, die Schattenseite des UN-Einsatzes realistisch festzuhalten, mit all ihrer abschreckenden Wirkung auf potenzielle Nachwuchssoldaten, muss bis zum Beweis des Gegenteils bezweifelt werden.