Im Prozess um den Tod der Studentin Tugce Albayrak sagen Freunde des Angeklagten aus. Sie wollen Sanel M. entlasten. Der Richter bleibt skeptisch, berichtet die StZ-Autorin Wiebke Ramm.

Darmstadt - Richter Jens Aßling ermahnt den jungen Mann, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen – „ohne, dass ich Ihnen jetzt misstraue“, fügt er noch hinzu. Doch Misstrauen scheint angebracht. Die Skepsis des Richters wird im Laufe der Befragung immer größer. Denis S. ist 19 Jahre alt, Abiturient. Er war in der Nacht auf dem 15. November 2015 dabei, als sein Freund Sanel M. im hessischen Offenbach auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants die 22-jährige Tugce Albayrak schlug. Die Studentin fiel zu Boden, knallte mit dem Kopf auf den Asphalt und starb an den Folgen ihrer Schädelverletzungen. Sanel M. muss sich vor dem Landgericht Darmstadt wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten.

 

An diesem Montag nun sagt Denis S. als Zeuge im Prozess aus – und das, was er über die Nacht von Offenbach erzählt, klingt ganz anders als das, was die Freundinnen von Tugce zuvor berichtet hatten. „Es ist alles friedlich abgelaufen“, sagt Denis S. vor Gericht. Er und sechs Freunde hätten bei Mc Donald’s gegessen. Tugce und ihre Freundinnen seien auch dort gewesen. „Es ist eigentlich nichts passiert“, sagt der 19-Jährige. Tugces Freundinnen hatten zuvor noch berichtet, sie seien gleich beim Betreten des Restaurants heftig beleidigt worden. „Transe“, „Schlampe“, „Hure“ – solche Sachen. Denis S. sagt nur: „,Transe’ habe ich nicht gehört.“

Erst ein entspannter Flirt, dann Beschimpfungen?

Laut Anklage ist es vor der Attacke auf dem Parkplatz auf der Damentoilette des Schnellrestaurants zu einer Auseinandersetzung zwischen Tugce und Sanel gekommen. Tugce soll dort zwei Mädchen geholfen haben, die von Sanel und seinen Freunden belästigt worden seien. In der Version des Freundes klingt das so: Sanel und ein weiterer Freund hätten ganz entspannt mit den Mädchen gesprochen. Denis S.: „Sie flirteten mit den beiden Mädchen.“ Dann sei Tugce hinzugekommen und habe die jungen Männer wüst beschimpft und sie von der Damentoilette verscheuchen wollen. „Wir haben nur gelächelt“, behauptete Denis S. bei der Polizei. Vor Gericht gibt er zumindest zu, dass es doch zu gegenseitigen Beleidigungen kam.

Denis S. sagt vor Gericht, bevor Tugce hinzugekommen sei, hätten sie mit den beiden Mädchen quasi nur geplaudert. „Es war eine sehr lockere Stimmung.“ Richter Aßling hakt ein: „Naja, die kleinen Mädchen fanden es nicht so locker. Sie haben sich schon ein bisschen bedrängt gefühlt, haben sie uns gesagt.“ Die beiden Minderjährigen sind an einem vorherigen Prozesstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt worden.