Die Stuttgart-21-Ausstellung bekommt neue Räume – und hat künftiger weniger Platz zur Verfügung. Für Georg Brunnhuber, Vorsitzender des S-21-Vereins, bedeutet das keinen Nachteil. Im Interview erteilt er einem aufwendig gestalteten Gebäude eine klare Absage.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Nach 20 Jahren im Bahnhofsturm zieht die S-21-Ausstellung im Sommer um. Dann verlässt auch Georg Brunnhuber die Spitze des Vereins, der die Ausstellung trägt. Im Interview betont der ehemalige CDU-Bundestagabgeordnete die konstruktive Zusammenarbeit der Partner im Projektverein – und erklärt, weshalb er ein aufwendigeres Ausstellungsgebäude für überzogen hielte.

 

Herr Brunnhuber, eigentlich wollten Sie zum Jahresende den Vorsitz des Projektvereins aufgeben. Nun bleiben Sie länger. Schlagen da die Politikergene durch, die den Abschied aus dem Amt erschweren?

Das könnte man so meinen (lacht). Aber als im September klar war, dass wir den Infoturm Stuttgart als neues Ausstellungsgebäude bauen, hat mich Ronald Pofalla gebeten, so lang im Amt zu bleiben, bis die Ausstellung umgezogen ist. Mir ist die Entscheidung leichtgefallen. Der neue Turm ist das größte Vorhaben, das der Verein je gestemmt hat. Da steckt eine Menge Herzblut drin. Und wir hatten den Vereinsmitgliedern ja noch keinen Nachfolger vorgeschlagen, deswegen ist es auch kein großes Problem, wenn ich etwas länger bleibe.

Ehe Sie mit dem Bau des Infoturms beginnen können, musste der Entwurf in den Gestaltungsbeirat der Stadt. Folgen daraus Änderungen am Konzept?

Der Gestaltungsbeirat hätte daraus einen Turm gemacht, den wir dann wahrscheinlich 2027 zur Internationalen Bauausstellung hätten vorzeigen können. Aber wir müssen unsere finanziellen Mittel im Auge behalten und planen zudem kein Gebäude, das das Stadtbild die nächsten 30 Jahre prägen wird. Unser Limit liegt bei 3,4 Millionen Euro inklusive der Ausstellungstechnik. Da kann man nicht so viele Gestaltungselemente verbauen, wie sich das der Beirat womöglich gewünscht hätte.

Die Projektpartner haben sich relativ geräuschlos auf ihren Beitrag zur Finanzierung geeinigt. Taugt das Projekt nicht mehr für den ganz großen Streit?

Die handelnden Personen im Verein haben untereinander ein gutes Verhältnis. Es gab nicht eine kritische Diskussion wegen der Finanzierung. Stadt, Land und Region geben je 500 000 Euro, von der Bahn kommen 1,9 Millionen Euro. Die Einsicht, dass wir bis zur Inbetriebnahme eine Anlaufstelle für alle Interessierten aus der Stadt, der Region, aber auch aus dem Ausland brauchen, ist bei den Partnern da.

Mit dem Bahnhofsturm fällt dem Verein ein Besuchermagnet weg. Fürchten Sie sich um Ihre Zahlen?

Nein. Wir könnten auf den Baustellen ein Vielfaches an Besuchern gegenüber heute führen – wenn das technisch möglich wäre und den Bauablauf nicht zu sehr stören würde. Uns reicht der Infoturm Stuttgart, um Besucher in einer hoffentlich ähnlichen Größenordnung wie heute zu empfangen, also zwischen 200 000 und 250 000 Menschen im Jahr. Sicher wird in den kommenden Jahren die Zahl der Baustellenführungen zunehmen, wenn man vom zukünftigen Hauptbahnhof immer mehr zu sehen bekommt. Unser Ziel ist, pro Jahr mehr als 100 000 Menschen auf die Baufläche zu bekommen – mit Führungen und Events. Heute sind das rund 80 000.

Kritiker monieren, bei den Führungen gebe es einseitige oder gar irreführende Informationen. Haben Sie ein Qualitätsproblem?

Unsere Führer sind Fachleute, die schon lange im Projekt dabei sind. Nichtsdestotrotz schulen und informieren wir unser Personal regelmäßig. Wir machen ja auch die Führungen für die Neueinsteiger bei der Projektgesellschaft. Da müssen die Fakten stimmen. Alle Rückmeldungen sind positiv.

Wenn die Baustellen so ziehen, wozu dann noch eine aufwendige Ausstellung?

Der Bedarf und das Interesse sind nach wie vor groß. Führungen sind teilweise bis zu sechs Monate im Voraus ausgebucht. In der Ausstellung führen wir ins Projekt ein. Das werden wir zukünftig noch digitaler und mit moderner Informationstechnik machen. Die neue Ausstellung wird so flexibel sein, dass wir etwa von der Darstellung des Rosensteinviertels auf die Belange der Region und den dortigen Nahverkehr umschalten können und wieder zurück zu unserem Projekt. So kann für jede Gruppe das für sie richtige Material angeboten werden.

Sie haben künftig nur noch die Hälfte der Fläche zur Verfügung. Das könnte den einen oder anderen Projektpartner dazu bewegen, auch seine Zuschüsse zu reduzieren. Fürchten Sie ums Budget?

Nein, dieses Mal nicht. Stadt und Region bekommen ja sogar mehr für ihr Geld, da ihre Inhalte dank der modernen Technik präsentiert werden können. Dadurch können sie viel intensiver für ihre eigenen Projekte werben. Nach Stuttgart 21 geht es ja erst richtig los mit der Stadtentwicklung.

Reservieren Sie auch eine Ecke für das neue Zugsicherungssystem ETCS, dessen Einbau derzeit mit aller Macht vorangetrieben wird? Ist nach dem Projekt vor dem Projekt?

Das müssen wir machen. Die Umrüstung des Knotens Stuttgart ist Pilotprojekt für ganz Deutschland. Davon profitieren S-Bahn, Regional- und Fernverkehr. Da wird schon unserer neuer Mitaussteller, die Region Stuttgart, großen Wert drauf legen.

Das Turmforum gibt es nun seit 20 Jahren, Sie stehen seit 2015 an der Spitze des Vereins: Was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen, wenn Sie nochmals am Anfang ihrer Amtszeit stünden?

Eigentlich nur eines: die Vereinsfinanzierung war ursprünglich auf das Datum 2021 hin ausgerichtet, weil man dachte, zu diesem Zeitpunkt Stuttgart21 in Betrieb nehmen zu können. Man hätte von vornherein eine Finanzierung beschließen müssen für den Fall, dass es zu Verzögerungen kommt. Jetzt müssen wir jährlich stressig übers Geld verhandeln.

Wagen Sie eine Prognose. Was ist wahrscheinlicher: Georg Brunnhuber verlässt Mitte 2019 die Spitze des Vereins oder Stuttgart 21 wird 2025 fertig?

Ersteres ist wahrscheinlicher. Aber alle Parameter sprechen dafür, dass der Termin 2025 fürs Projekt gehalten werden kann.