Noch ist die 9 A des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Feuer und Flamme dafür, Holz zu hacken und eine Hütte zu bauen. Doch Bäumefällen bedeutet auch Verantwortung – unsere Redaktion begleitet die Schüler ein Jahr lang bei ihrem Projekt, in dem sie einen eigenen Hektar Wald bewirtschaften.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Degerloch - Wer heute in die neunte Klasse geht, zählt zur Generation der sogenannten Digital Natives – jener Jahrgänge, die ein Leben ohne Internet und Smartphones gar nicht mehr kennen. Doch dafür, dass die Klasse 9 A des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Sillenbuch zu genau dieser Generation zählt, wirkt sie im Stuttgarter Wald alles andere als verloren. Ein Jahr lang werden die Schüler dort einen Hektar Waldgelände in Kooperation mit dem Haus des Waldes, einer Bildungseinrichtung des Landes, bewirtschaften. Am Mittwoch haben die Schüler damit begonnen.

 

Und Cosima Plathner reagiert recht gereitzt darauf, wenn sie gefragt wird, ob sie als Digital Native einen Draht zur heimischen Flora und Fauna habe. „Ich gehe oft mit dem Hund in den Wald“, sagt die 14-Jährige. Birkenholz erkenne sie problemlos. Und auch vom Fluchten habe sie schon vor Projektbeginn gehört.

Biotop oder Holzhütte?

Die Schüler schultern seitdem nämlich eine Menge Verantwortung. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens haben sie fast unbegrenzten Handlungsspielraum, was sie mit ihrem Waldstück anfangen. Ein Biotop, in dem sie der natürlichen Entwicklung freien Lauf lassen? Denkbar. Eine Hütte bauen und im Frühling nächsten Jahres unter freiem Himmel dort nächtigen, wo man es sich komfortabel eingerichtet hat? Zum jetzigen Zeitpunkt schon wahrscheinlicher. Alle Entscheidungen, was mit dem Wald passiert, treffen die Schüler selbst auf demokratischer Basis.

Katharina Falkenburger vom Haus des Waldes ist schon sehr gespannt darauf, wie sich der Umgang der Jugendlichen mit der Natur entwickeln wird. „Jetzt sind erstmal alle Feuer und Flamme für Abenteuer. Aber was wird, wenn es wirklich darum geht, einen Baum zu fällen?“, fragt sie. Ihrer Erfahrung nach ist es nämlich nicht unbedingt nur von Glücksgefühlen begleitet, wenn zum Beispiel eine Buche fällt, die eine Viertelstunde mit der Säge bearbeitet wurde. „Dann wird vielen klar, dass der Baum jahrelang gewachsen ist“, sagt Katharina Falkenburger.

Das Schicksal der Bäume

Doch bevor über das Schicksal von Bäumen diskutiert wird, müssen erst einmal etliche Vorbereitungen getroffen werden, um das Projekt zu überblicken. Wo wir wieder beim Fluchten wären. Dabei geht es darum, im Wald gerade Linien zu ziehen und so ein Gebiet abzustecken. Schülerin Cosima Plathner erklärt: „Wir machen das mithilfe eines Kompasses und eines Stabs. Außerdem haben wir unser Schrittmaß gemessen, um Entfernungen besser einschätzen zu können.“

Nachdem die filigranen Messarbeiten der Mädchen abgeschlossen sind, kommen die Jungs zum Zug. Marvin Eckmann freut sich schon, gleich mit seinem großen Kunststoffhammer ans Werk gehen zu dürfen. „Thors Hammer!“, da geht mit ihm die Fantasie wohl ein bisschen durch – wobei er mit dem Donnergott wahrscheinlich weniger die Erscheinung aus der germanischen Mythologie meint, als die gleichnamige populäre Comicfigur aus dem Marvel-Universum.

„Oktopus“ kommt zum Einsatz

Mit dem Hammer „Mijölnir“ bewaffnet jedenfalls haut der 14-jährige Schüler den Pfosten in den Waldboden. Wo das Erdreich zu fest für Marvin allein ist, kommt der „Oktopus“ zum Einsatz; ein vierbeiniges Stampfgerät, mit dem die jungen Förster die Grenzpfosten gemeinsam in den Boden schlagen.

Damit sind die Vorbereitungen für den nächsten der insgesamt sieben Waldbesuche auch schon fast abgeschlossen. Die Mitarbeiter des Hauses des Waldes vermitteln der 9 A noch etwas Theorie. Zum Beispiel über die Tiere, die im Wald heimisch sind: Rehe, Eichhörnchen, Füchse, Spechte, Dachse oder Hasen. Manche der Schüler scheinen ein bisschen enttäuscht, dass die Tiere heute etwas scheu waren und sich kein einziges hat blickenlassen.

Der Winter naht

Das wird beim nächsten Waldbesuch vermutlich nicht anders werden. Denn bald bricht der Winter herein. „Die ideale Zeit, um Brennholz zu hacken“, sagt Katharina Falkenburger. Das können die Schüler dann verkaufen – und den Ertrag wieder in ihr Waldstück reinvestieren. „Wir wollen die Kinder sowohl für Ökologie als auch für Ökonomie sensibilisieren“, erklärt Falkenburger weiter.

Doch es dürfte fraglich sein, ob die Sillenbucher Schüler ihr mühselig gehacktes Brennholz überhaupt verkaufen. „Es ist jetzt schon ziemlich kalt“, sagt Cosima Plathner aus der 9 A. Wer weiß, vielleicht wird nächstes Mal ein kleines Feuer gemacht – natürlich unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten.