Seit gut zwei Wochen sitzt mit Jens Millow ein anderer im Weissacher Chefsessel. Richtig arbeitsfähig ist die neue Verwaltung aber noch nicht – erst müssen die Lücken im Personalbestand gefüllt werden.

Schön ist es zwar, viel Wert auf das Design seines neuen Büros legt er aber nicht, erzählt Jens Millow. Vor rund zweieinhalb Wochen ist der neue Bürgermeister in das Weissacher Rathaus eingezogen. Von seinem alten Platz in Löchgau mitgenommen hat er: „Eine Handcreme und einen Kaktus.“ Der neue Chef der Strudelbachgemeinde hat dieser Tage wahrlich andere Dinge zu tun – nicht nur das Einfinden ins neue Amt steht an, Millow muss gleich zu Beginn seiner Amtszeit außerdem Lücken eines stark unterbesetzten Verwaltungsteams füllen.

 

Ein Neuanfang für Weissach?

Umso mehr fühlt sich sein Antritt nach dem oft beschworenen Neuanfang an: Die Greensill-Insolvenz, eine von beiden Seiten kritisierte, holprige Zusammenarbeit zwischen Gemeinderat und Verwaltung und sinkendes Vertrauen hatten in Weissach in den vergangenen Monaten für Unruhe gesorgt, einen Neustart wünschten sich nicht nur die Gemeinderäte. Im Wahlkampf punktete Millow mit Verwaltungserfahrung, aber auch mit dem neutralen Blick von außen und dem Wunsch nach einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Auch aus den Reihen der Gemeinderäte wurde vermehrt der Wunsch nach einem „neuen Miteinander“ laut. Ob auf Worte nun Taten folgen, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen – über die Zusammenarbeit mit Gemeinderat und Rathausteam äußert sich Jens Millow im Interview aber durchweg wohlwollend.

Herr Millow, wie voll ist Ihr Terminkalender dieser Tage?

Ich habe heute das erste Mal seit drei Tagen 15 Minuten Mittagspause gemacht. Aber das war zu erwarten. Ich muss gerade viele Strukturen, Mitarbeitende und Einrichtungen kennenlernen. Und es beginnt auch schon die richtige Arbeit, etwa bei Terminen mit Ingenieurbüros und Baustellenbegehungen. Da hat sich einiges angestaut. Aber das ist die Natur der Dinge bei einem solchen Übergang.

Ihr Vorgänger war dafür bekannt, dass in seinem Büro öfter auch noch spät am Abend Licht gebrannt hat. Ist das bei Ihnen auch schon so?

Nein, da bekomme ich Ärger mit meiner Familie. Ich versuche, das in Grenzen zu halten. Aber viel Freizeit habe ich in der Anfangszeit nicht. Auch am Wochenende lese ich mich in Unterlagen und Themen ein. Aber wenn man mal drin ist, wird einiges nicht mehr mit so viel Aufwand verbunden sein.

Sie haben vom Kennenlernen gesprochen. Wo hat dieser Austausch denn bereits stattgefunden?

Den intensivsten Austausch gab es mit dem Rathauspersonal. Das war auch einer der Punkte auf meiner Agenda, die ich wirklich zügig angehen wollte. Bisher habe ich aber recht gutes Feedback bekommen und bin da zuversichtlich. Es sind schon etliche Auswahlverfahren angelaufen. Die Verwaltung war in den vergangenen Wochen nicht untätig, hat die Ausschreibungen vorbereitet und bereits Bewerbungen entgegengenommen.

Dass Sie mit einem unterbesetzten Rathaus starten, war klar. Wie haben Sie die Lage dann nach ihrem Start wahrgenommen?

Welche Stellen unbesetzt sind, ist im Organigramm klar einsehbar. Ich hatte auch einen innigen Austausch mit Herrn Töpfer, er hatte vorgeschlagen, die Ausschreibungen zu starten und so zu terminieren, dass ich gleich nach dem Amtsantritt erste Bewerbungsgespräche führen kann. Wir haben damit bestimmt einen guten Monat gespart.

Wie arbeitsfähig ist das Rathaus gerade?

Dadurch, dass einige, auch leitende, Stellen nicht besetzt sind, wird die ganze Arbeit auf den Schultern einiger weniger getragen. Ich habe einige Mitarbeitende, die machen gerade den Job von zwei oder drei Angestellten. Aber alle schlagen sich tapfer. Das Team ist jung und hochmotiviert.

Ging es in den letzten Wochen und Monaten um schlechte Stimmung im Rathaus und im Gemeinderat, waberte auch immer die Sorge mit, dass sich das negativ auf die öffentliche Wahrnehmung der Gemeinde auswirkt. Wie ist Ihr Eindruck mittlerweile: Ist Weissach durch negative Presse als Arbeitgeber unbeliebter?

Nein, ich würde nicht sagen, dass Weissach einen schlechten Ruf hat. Wir haben Bewerbungen in durchschnittlicher Zahl bekommen. Was vielleicht abschreckt, ist, dass wir momentan so wenige sind. Aber dafür haben wir ein richtig schönes Betriebsklima. Die Mitarbeitenden unterstützen einander, wissen um die Not und fangen neue Kollegen deshalb auch schnell auf.

Gibt es denn einen Lichtblick in Sachen Personallücken?

Auf jeden Fall. Unser neuer Kämmerer kommt am 1. November und ist dann gleich am Auswahlverfahren seines Stellvertreters beteiligt. Ab März ist das Liegenschaftsamt wieder besetzt. Bereits jetzt haben wir eine neue Mitarbeiterin im Einwohnermeldeamt und einen neuen IT-Mitarbeiter. Für die Bauamtsleitung läuft das Verfahren. Ich denke, wie werden im ersten Quartal des kommenden Jahres relativ vollständig sein.

Herr Töpfer hatte vor dem Ende seiner Amtszeit immer wieder versprochen, er wolle ein „aufgeräumtes Rathaus“ hinterlassen. Hat er das?

Hat er. Als aufgeräumtes Rathaus definiere ich ein Rathaus, in dem das Getane sauber dokumentiert ist. Und das ist hier wirklich vorbildlich, umfangreich und sogar alles digital. So digital, dass ich mich selbst erst in das System einarbeiten muss.

Ihr Vorgänger hat gleich zu Beginn seiner Amtszeit das Rathaus ordentlich umgekrempelt. Bleibt bei Ihnen erst einmal alles, wie es ist – oder möchten Sie gewisse Dinge anders machen?

Normalerweise sagt man ja, man lässt das erst mal hundert Tage auf sich wirken. Bis jetzt habe ich aber nichts Akutes, was ich ändern würde. Das ist ein laufendes System. Selbst bei Kleinigkeiten würde ich gerade die Finger davon lassen, weil wir noch eine Weile in einer Einarbeitungsphase stecken werden. Das muss erst geschafft sein, und dann lässt sich Veränderung anstoßen.

Schon während des Wahlkampfs haben sich Themen herauskristallisiert, die die Bürgerinnen und Bürger besonders beschäftigen, etwa die Unterstützung der Vereine. Wie schnell können Sie diese Themen angesichts der Personallage im Rathaus überhaupt angehen?

Ich habe von Anfang an kommuniziert, dass zwei Punkte mit Priorität zu behandeln sind: das Rathausteam und die Kindergärten. Da sind wir schon mittendrin. Gerade bin ich noch dabei, erst mal die Betreuungseinrichtungen und den aktuellen Sachstand kennenzulernen. Und dann werde ich mich mit unseren Einrichtungsleitungen zusammensetzen und herausfinden, wie wir die Situation verbessern können. Die Herausforderungen sind groß. Was mich aber ein wenig beruhigt, ist, dass wir damit nicht alleine sind. Es geht jeder Kommune so.

Wie sehr bindet Sie gerade das Thema Energiekrise?

Sehr. Die Gasmangellage als Gefahr ist relativ neu. Deshalb war es eine meiner ersten Maßnahmen, mich mit unserem Klimamanager zusammenzusetzen und zu schauen, wie wir aufgestellt sind. Welche Gebäude laufen mit Gas, welchen Plan B haben wir? Zusammen mit dem Bauhof, dem DRK und der Feuerwehr wollen wir einen Plan erstellen, der umfasst, wie wir auf verschiedene Situationen reagieren und uns vorbereiten können. Im November wollen wir ein fertiges Konzept haben.

Das ist zackig.

Die Gasmangellage beschleunigt das Thema natürlich. Aber das wird diesen Winter sowieso nicht und nächsten Winter wahrscheinlich auch nicht behoben sein. Das ist auch eine Kostenfrage, die Ausgaben werden vervielfacht. Wir arbeiten mit Steuergeldern, wir müssen wirtschaftlich sein. Wir werden uns also Anfang des kommenden Jahres intensiv damit befassen, ob es beispielsweise sinnvoll ist, auf andere Energiequellen umzusteigen.

Kommt die Sorge vieler Bürgerinnen und Bürger in Sachen Energie auch bei Ihnen an?

Eigentlich nicht. Und wenn, könnten wir auch nicht wirklich helfen. Wenn es ganz schlimm kommt, können wir Wärmepunkte oder beheizte Schlafstätten anbieten. Die Katastrophen können wir mildern, darüber hinaus sind andere gefragt.

Sie waren der einzige von vier Bewerbern, der Weissach vorher nicht kannte. Hat sich Ihr erster Eindruck von der Gemeinde inzwischen gewandelt?

Nein. Es wurde oft gesagt, der Gemeinderat oder die Bevölkerung seien schwierig. Aber das sehe ich nach wie vor gar nicht so. Aus der Bevölkerung bekomme ich weiterhin Zuspruch. Vieles ist für mich eine Kommunikationsfrage. Manchmal muss man Einbußen hinnehmen, aber man kann viel gewinnen, wenn man es den Menschen sauber erklärt. Und auch die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat ist bis jetzt sehr innig. Wenn das so weiterläuft, freue ich mich sehr darauf.

Welches Ziel setzen Sie sich für die nächsten Wochen?

Einen ersten Eindruck gewinnen. Ich muss erfassen, wie die Situation ist. Die Prozesse sind hier sehr komplex, es läuft viel digital. Das bin ich so gar nicht gewohnt. Ich will außerdem mit jedem Mitarbeitenden mindestens einmal ausführlich gesprochen haben, um die Sorgen kennenzulernen und auch zu erfahren, wo die nächsten Handlungsfelder liegen. Die meisten Mitarbeitenden sind deutlich näher an der Materie als der Bürgermeister.