Christian Walter ist jetzt Weil der Städter Bürgermeister – trotz Schwierigkeiten mit einem Mitbewerber.

Weil der Stadt - Um halb neun am Montagmorgen hat Christian Walter an die Weil der Städter Rathaustür geklopft. „Mir geht’s hervorragend“, sagt er und lächelt. Von Rainer Ziegler, dem Chef des Gebäudemanagements der Stadtverwaltung, gibt es die Schlüssel zum Rathaus. Um zehn Uhr begrüßt ihn der Beigeordnete Jürgen Katz im Klösterle, zusammen mit den Amtsleitern.

 

Zuletzt hatte Christian Walter gezittert, ob er an diesem Montag tatsächlich mit der Arbeit beginnen kann. Am 16. August hatten ihn die Weil der Städter im zweiten Wahlgang mit überragenden 82,6 Prozent zu ihrem Bürgermeister gewählt. Der Mitbewerber Helmut Epple, der damals 0,15 Prozent bekam, hatte aber Widerspruch gegen die Wahl eingelegt. Nachdem das Landratsamt diesen abgelehnt hatte, klagt er jetzt vor dem Verwaltungsgericht.

Und nicht nur das: Epple hatte auch per Eilantrag beim Verwaltungsgericht gefordert, dass Walter nicht als Amtsverweser eingesetzt wird, solange nicht über die Klage entschieden wird. Ungewiss war, ob die Verwaltungsrichter diesen Eilantrag rechtzeitig behandeln.

Er ist jetzt „Amtsverweser“

Das haben sie aber getan und ihn am vergangenen Mittwoch abgewiesen. Der Beigeordnete Jürgen Katz darf Christian Walter deshalb die Ernennungsurkunde zum „Amtsverweser“ überreichen. So nennt die Gemeindeordnung die Rathaus-Chefs, die nicht ordentlich eingesetzt sind, weil gegen die Wahl ein Verfahren läuft. Walter darf trotzdem den Titel Bürgermeister führen. Einzige Einschränkung: Er hat kein Stimmrecht im Gemeinderat.

Es ist also ein ungewöhnlicher Arbeitsbeginn im neuen Amt – aber nicht nur deswegen. Christian Walter darf zeitgleich mit dem neuerlichen Teil-Lockdown beginnen, bei dem die Kommunen deshalb gefragt sind, weil sie die Verordnungen umsetzen und kontrollieren müssen. Die Ordnungsämter der Rathäuser sind es zum Beispiel, die den Infizierten eine schriftliche Anordnung der Quarantäne ausstellen und die kontrollieren, ob zum Beispiel die Gasthäuser tatsächlich geschlossen haben. Christian Walter muss sich in all das einarbeiten, den städtischen Corona-Krisenstab soll deshalb weiterhin der Beigeordnete leiten. „Ich werde ihn unterstützen, und wir werden uns eng absprechen“, sagt Walter. Den neuen Bürgermeister beschäftigen diesbezüglich eher strategische Fragen, zum Beispiel, ob sich unter den aktuellen Bedingungen in zwei Wochen der Gemeinderat trifft – mit Verwaltungsmitarbeitern, Presse und Zuschauern eine Versammlung von 30 bis 40 Personen.

Legal wäre das, aber auch legitim? „Ich sehe uns als Vorbild, voranzugehen“, stellt Walter klar und nennt als Beispiel den Stuttgarter Gemeinderat. Dort war er bis Ende Oktober sechs Jahre lang selbst Mitglied und Vorsitzender der Fraktion „Puls“. In Stuttgart hatten sich teilweise nur 15 von 60 Stadträten getroffen, natürlich unter Beibehaltung der Größenverhältnisse der Fraktionen. Die Gemeindeordnung lässt solche Schrumpf-Gemeinderäte zu. „Ich will das mit den Fraktionen besprechen“, sagt er. „Wenn der Wunsch nach voller Besetzung besteht, treffen wir uns natürlich alle.“

Öffentlich ist er in Weil der Stadt bislang nicht aufgetreten

Bis zum Samstag, dem letzten Oktober-Tag, war Christian Walter nicht nur Stadtrat in Stuttgart, sondern dort auch noch Lehrer an einer Gemeinschaftsschule. „Es war seit August eine komische Zeit“, sagt der 30-Jährige. „Man ist gewählt, aber noch nicht im Amt.“ Öffentlich ist er in Weil der Stadt bislang nicht aufgetreten, aus Respekt vor seinem Vorgänger Thilo Schreiber. Im Hintergrund, erzählt er, hat er aber schon viele Gespräche geführt. „Manche Bürgerinnen und Bürger kamen auf mich zu und haben gesagt: Sie wollen mir ihr Thema erklären, bevor ich im Amt bin und mit Arbeit überschüttet werde.“

Auch viele Wünsche hat er sich schon angehört – und er hat schon Gespräche mit dem Kämmerer Ulrich Knoblauch zum Haushalt 2021 geführt und weiß deshalb, dass es kein Geld für Wünsche gibt. „Es gibt eine Sehnsucht nach Transparenz“, hat Walter in den Gesprächen festgestellt. „Man muss immer wieder erklären, warum dieses oder jenes nicht geht.“ Weil die Stadtverwaltung hier vieles nicht leisten könne, sei das ehrenamtliche Engagement in der Stadt umso größer.

Bis Jahresende will sich der neue Bürgermeister um Themen kümmern, die bereits vorgearbeitet sind. Als nächstes steht die Gründung der Stadtwerke an. Inhaltlich hat das Thilo Schreiber abgeklopft. „Allerdings hat der Gemeinderat noch nie in öffentlicher Sitzung darüber eine Strategiediskussion geführt“, sagt Walter. Das sei, betont er, keine Kritik an seinem Vorgänger. Die Amtsübergabe von Thilo Schreiberund auch die bisherige Zusammenarbeit mit dem Beigeordneten Katz sei „hervorragend“. Dennoch wird deutlich, dass Walter die Akzente etwas anders setzen will. „Die öffentliche Debatte über solche Weichenstellungen wie die der Stadtwerke ist wichtig, auch wenn Herr Schreiber das super vorbereitet hat.“

Im kommenden Jahr will er sich um Bürgerbeteiligung kümmern

Und über was hat der neue Bürgermeister seit August nachgedacht? Welche Projekte bringt er mit nach Weil der Stadt? „Im kommenden Jahr will ich mich um moderne Formen von Bürgerbeteiligung kümmern, verknüpft mit Digitalisierung“, sagt er. Eine App sei eine Möglichkeit oder ein Bürgerhaushalt, wie es ihn in Stuttgart gibt. „Der Gemeinderat ist daran nicht gebunden. Es zeigt aber, wo den Bürgern der Schuh drückt“, sagt Walter.

Jetzt muss er aber erst einmal sein Büro einrichten. Den Schreibtisch hat er von seinem Vorgänger übernommen, denn viel Geld für Luxus hat Weil der Stadt selbst für den Chef nicht. Am ersten Arbeitstag muss er auch noch manches organisieren, wie den IT-Zugang. Die meisten Mitarbeiter kann er zunächst nur per Rundmail begrüßen. Christian Walter ist selbst mittlerweile ein bisschen Weil der Städter. Eine Zweitwohnung hat er in der Stadt, im kommenden Jahr will er dann umziehen.

Wann er dann richtiger Bürgermeister mit Stimmrecht im Gemeinderat ist, ist noch nicht absehbar. Bislang gibt es noch nicht einmal einen Verhandlungstermin beim Verwaltungsgericht. In Rutesheim war Susanne Widmaier 15 Monate lang Amtsverweserin.