Merkels Wirtschaftsberater, Jens Weidmann, wird Deutschlands ranghöchster Banker - und die Kanzlerin verliert erneut einen Vertrauten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Berlin - Den wichtigsten Satz sagt Angela Merkel zuletzt. Als sie die Vorzüge ihres Musterschülers Jens Weidmann » aufzählt, der nun zum Präsidenten der Bundesbank befördert wird, lobt sie dessen "höchste Sachkompetenz", würdigt den "brillanten Intellekt" des 42-jährigen Volkswirts und fügt dann hinzu, "dass er ein unabhängiger Kopf ist". Vizekanzler Guido Westerwelle steht daneben und nimmt dieses Werturteil schweigend zur Kenntnis. Und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der zur Verkündigung der hochrangigen Personalie ebenfalls ins Kanzleramt bestellt worden ist, will sich gar nicht äußern. "Man muss ja nicht alles dreimal sagen", brummt er schließlich.

Aus Westerwelles Partei waren durchaus kritische Stimmen zu hören über Weidmanns Karrieresprung aus dem Kanzleramt an die Spitze der Zentralbank. Anlass für skeptische Kommentare » bot just die Frage nach der Unabhängigkeit, die Merkel so betont. "Ich halte es für problematisch, dass jemand direkt aus dem Kanzleramt auf den Präsidentenstuhl der Bundesbank wechselt", mäkelt der liberale Finanzpolitiker Frank Schäffler, der allerdings eher eine Außenseiterrolle in seiner Fraktion spielt. "Optisch" sei die Personalie nicht ganz ideal, ist aus der FDP-Chefetage zu vernehmen, gegen Weidmanns Sachverstand sei aber ganz gewiss nichts einzuwenden.

Westerwelle selbst hatte einen Tag lang gezögert, sein Plazet zur Beförderung Weidmanns kundzutun, und sich auserbeten, im Gegenzug über den Vizeposten der Bundesbank bestimmen zu dürfen. Bei der Verkündigung im Kanzleramt versichert er, alle Experten seiner Fraktion seien von Weidmanns Qualifikation überzeugt. Er merkt aber noch an: Die Personalie habe doch sehr rasch entschieden werden müssen, nachdem der bisherige Bundesbankpräsident Axel Weber seinen Rücktritt erklärt habe. Ansonsten wäre es wohl möglich gewesen, die Nachfolge langfristig vorzubereiten. Das klingt durchaus nicht so, als hielte er das Votum für Weidmann für die beste aller denkbaren Optionen.

Sentimentalität ist für Merkel ein Fremdwort


Während Merkels Wirtschaftsberater einige Etagen höher schon mal seinen Schreibtisch aufräumt, fertigt ihm seine Chefin mit knappen Sätzen ein vorzügliches Zeugnis aus. Sie habe ihn kennen gelernt als einen Mann, der "auch in heiklen Situationen immer ruhig Blut" bewahre – eine Eigenschaft, welche die Kanzlerin schätzt, weil sie ihrem eigenen Naturell entspricht. Der Abschied falle ihr schwer, "sowohl in sachlicher, wie in menschlicher Hinsicht". Für Merkels Verhältnisse ist dies eine fast schon überschwängliche Offenbarung besonderer persönlicher Verbundenheit. Sentimentalität ist für sie ein Fremdwort.

Das Lebewohl an den früheren Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, einen ihrer engsten und einflussreichsten Berater, hörte sich vielleicht eine Spur weniger spröde an, rührselig war es auch nicht. Wilhelm hatte das öffentliche Bild von Merkel entscheidend geprägt. Er zählte zum kleinen Kreis derer, denen die Kanzlerin rückhaltlos vertraute.

Nun schrumpft dieser Kreis weiter – auch wenn Wilhelms Nachfolger Steffen Seibert seinen Job durchaus gut macht. Dem ehemaligen Nachrichtenmoderator sind auf dem glatten politischen Parkett kaum Ausrutscher passiert, sein Auftreten ist formidabel, wie nicht anders zu erwarten war. Er verleiht Merkels Regierung ein freundliches Gesicht. Gleichwohl ist er noch ein Neuling im Berliner Politbetrieb. Es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis seine Ratschläge für die Kanzlerin so wertvoll sind wie die unauffällige Regie seines Vorgängers.

Die wichtigsten Vertrauten sind zwei Frauen


Seit dessen Weggang im Sommer 2010 wird es zunehmend einsamer um die Regierungschefin. Neben Wilhelm und Weidmann wird demnächst auch Merkels europapolitischer Berater Uwe Corsepius das Kanzleramt verlassen. Er zieht im Juni nach Brüssel um, wo er Generalsekretär des Europäischen Rates werden soll.

Ständigen Wechsel in ihrem persönlichen Umfeld schätzt die Kanzlerin so wenig wie respektlose Fotografen, aufmüpfige CDU-Konservative oder Amtskollegen vom Schlage Berlusconis. Deshalb wächst den verlässlichen Konstanten im Kreise ihrer wichtigsten Mitarbeiter umso mehr Bedeutung zu.

Das sind zwei Frauen, was gewiss kein Zufall ist: Büroleiterin Beate Baumann, die seit 1992 für Merkel arbeitet (und ihr übrigens von Christian Wulff empfohlen worden war) und Eva Christiansen, zu Oppositionszeiten noch Pressesprecherin des Unionsfraktion, jetzt Leiterin des Planungsstabes in der Regierungszentrale. Unter den politisch maßgeblichen Abteilungsleitern des Kanzleramts hält Christoph Heusgen der Chefin vorerst die Treue, Merkels Berater für Außen- und Sicherheitspolitik. Ihm werden hartnäckig Ambitionen auf einen Botschafterposten nachgesagt. Das seien nichts als Gerüchte, heißt es dazu aus dem Umfeld der Kanzlerin.

Wer den Wirtschaftsexperten Weidmann beerben wird, steht noch nicht fest. Für Corsepius rückt jedenfalls ein Mann mit prominentem Namen nach: dessen bisheriger Stellvertreter Nikolaus Meyer-Landrut. Der hat als Europa-Fachmann die besten Reverenzen und ist ein leibhaftiger Onkel des Schlagergirlies gleichen Namens. Seiner Nichte Lena, so heißt es, sei er bisher aber nie begegnet. Vielleicht wird er sie eines Tages im Kanzleramt kennenlernen.