Neuer Chef im Klinikum Leonberg Wenn ein Mediziner zum Manager wird

Michael Beier ist künftig mehr am Schreibtisch als in der Notaufnahme und im OP-Saal. Foto: Simon Granville

Michael Beier, der Chefarzt der Zentralen Notaufnahme im Krankenhaus Leonberg, wird die Klinik künftig auch als Direktor führen. Doch ist diese herausfordernde Doppelfunktion für einen einzigen zu schaffen?

Leonberg: Thomas K. Slotwinski (slo)

Seine Arbeitstage sind für Michael Beier zumeist ausgesprochen stressig. In der Zentralen Notaufnahme des Leonberger Krankenhauses ist stets viel zu tun. Fast 30 000 Patienten sind hier im vergangenen Jahr behandelt worden. „Das sind 7000 mehr als 2023“, bemerkt der Chefarzt nicht ohne Stolz. „Wir sind im ganzen Klinikverbund Südwest nach Sindelfingen die zweitgrößte Notaufnahme.“ Und wenn dann noch, wie am Mittwoch, sich die Patientenzahl wegen Blitzeis buchstäblich über Nacht verdreifacht, geht das hart an die Grenzen der Mediziner und der Pflegekräfte.

 

Der Chef hat also genug zu tun, sollte man meinen. Und doch tritt Michael Beier am 1. Februar, einen Tag nach seinem 51. Geburtstag, ein weiteres wichtiges Amt an. Der Notfallmediziner wird Direktor des Krankenhauses Leonberg. Direktor: das klingt nach Verwaltung, nach Zahlen und Controlling. Baier verhehlt denn auch nicht, dass es bei dieser Aufgabe natürlich um Kosten geht. Das Gesamtdefizit des Klinikverbundes, dem neben Leonberg die Krankenhäuser in Böblingen, Calw, Herrenberg, Nagold und Sindelfingen angehören, tendiert in Richtung 60 Millionen Euro.

Die roten Zahlen des Klinikverbundes sind symptomatisch für das komplette Gesundheitswesen in Deutschland. Gleichwohl will der Geschäftsführer Alexander Schmidtke die Kosten drastisch senken. Bis zum Jahr 2030 ist eine schwarze Null angestrebt.

Dabei muss nun, was das Krankenhaus Leonberg betrifft, Michael Beier helfen. Zu einer Verschlechterung des medizinischen Angebots, wie man jetzt vermuten könnte, sollen die Bemühungen des künftigen Direktors, der seine Position als Chefarzt der Notaufnahme behält, auf keinen Fall führen. Ganz im Gegenteil: „Patient first“ – der Patient steht an vorderster Stelle – ist das Motto des Mediziners, der als Elfjähriger beim Jugend-Rotkreuz an Fußballplätzen in seiner Heimatstadt Esslingen in Bereitschaft gestanden hatte.

Großer Teamgeist

Aber die Strukturen will Beier ändern. Bestimmte ausgetretene Wege müssten verlassen werden, um die vorhanden Ressourcen besser zu nutzen. Das freilich gehe nur im Zusammenspiel mit dem gesamten Team. Dafür wiederum müsse die interne Kultur in Teilen geändert werden: „Es gibt keinen Unterschied zwischen den Leuten in der Pflege, in der Medizin oder in der Verwaltung“, sagt Beier. „Wir arbeiten alle für unsere Patienten und für unser kleines, aber feines Krankenhaus Leonberg.“

Dass der Teamgeist extrem ausgeprägt ist, hat sich für den Chefarzt am Glatteis-Mittwoch gezeigt: „Da kamen ganz viele, egal ob Pfleger oder Mediziner, morgens zu uns in die Notaufnahme, um mit anzupacken. Das hat mich wirklich berührt.“

Weniger Leihkräfte

Michael Beier weiß natürlich, dass eine Umstrukturierung hin zu mehr Effizienz nicht ohne Schmerzen verlaufen wird. „Mein Vorteil ist, dass ich als Mediziner die Schwachstellen wie auch die Bedarfe genau kenne. Deshalb kann ich mit den Kolleginnen und Kollegen gemeinsam nach dem besten Weg suchen.“

Heißt der auch Personalabbau? Beier verneint. „Im Gegenteil: Wir haben sogar offene Stellen, die wir gerne schnell besetzten möchten.“ Reduzieren will er allerdings die Zahl der Leihkräfte, mit denen der Klinikverbund die größten Lücken in allen Häusern füllt: „Die sind sehr teuer, nicht immer die besten und haben oft nicht die Identifikation mit ihrer Klinik.“

Klinikverbund-Chef sehr zufrieden

Bleibt trotzdem die Frage, ob ein Mensch das komplette Klinikum und gleichzeitig eine der wichtigsten Abteilungen führen kann? „Ich habe einen guten sozialen Rückhalt, eine tolle Familie und klasse Kollegen“, antwortet er. „Ich liebe Herausforderungen und sehe einen ganz großen Sinn darin, unser Leonberger Krankenhaus auf Spur zu bringen.“

Keinen Zweifel an seinem neuen Statthalter in Leonberg hat auch der Chef des Klinikverbundes: „Dr. Beier hat mit seiner Persönlichkeit und seinem Konzept nicht nur mich überzeugt, sondern zudem die Berufungskommission, der der Ärztliche Direktor Professor Wolfgang Steurer und die anderen Chefärzte angehört haben. Er sieht die Dinge aus Patientensicht.“ Die Zentrale Notaufnahme werde wegen der neuen Aufgaben des Chefarztes nicht leiden. Zwei Oberärzte werden ihr hausintern zugeordnet.

Schmidtke betont ausdrücklich, dass es trotz allem Finanzdrucks um „Medizin für Menschen“ gehe. Dies sei ein wesentlicher Teil der Kostendämpfung: „Wenn die Qualität stimmt, werden auch die Betriebsergebnisse besser.“

Die Personalie Michael Beier ist nur ein Teil einer kompletten Neuausrichtung der Führungsstruktur im Klinikverbund. Bisher war ein Direktor jeweils zwei Häusern zugeordnet. „Die Herausforderungen machen aber eine Rund-um-die Uhr-Präsenz an allen Standorten nötig“, sagt Schmidtke. Nicolai Stolzenberger, der bisherige Regionaldirektor für Leonberg und Herrenberg, wird vom 1. Februar an mit Christine Kaul die Häuser in Böblingen und Sindelfingen führen.

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