Am Mittwoch feiert „Bridget Jones Baby“ in Berlin Deutschlandpremiere, vom 20. Oktober an läuft der Film in den Kinos. Die Filme mit Renée Zellweger in der Rolle der beliebten Chaotin Bridget Jones sind nicht nur seichte Frauenkost, sie haben ein ganzes Genre revolutioniert .

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Stuttgart - Die Jahrtausendwende ist die Zeit von „Sex and the City“: Dürre Single-Frauen leben in gigantischen Apartments in New York City und stolzieren in Haute Couture von Taxi zu Taxi. Und dann kommt Bridget Jones auf die Leinwand: dicklich, tollpatschig, Anfang 30 und auf der Suche nach dem Mann fürs Leben. Sie wird 2001 über Nacht zur Projektionsfläche von Millionen Frauen.

 

Unvergessen ihr hautfarbener Oma-Schlüpfer (heute würde man sagen: „Farbton nude“, das heuchelt etwas Würde). Und all ihre peinlichen Momente, diese Albträume, die jede Frau manchmal fürchtet: Bridget, wie sie im Halbdunkel des Taxirücksitzes zu viel Rouge aufträgt und später im hellen Ballsaal aussieht wie ein gebratener Gockel. Wie sie glaubt, ihr umschwärmter Chef gäbe ihr durch die Glasscheibe freundliche Handzeichen, zurückwinkt und dann bemerkt, er spricht mit jemandem, der hinter ihr steht. Wie sie im Cabrio ihr Grace-Kelly-Kopftuch verliert und in einem schicken Hotel mit dem Haarschopf von Cindy Lauper ankommt.

An Zellweger scheint nichts Verkleidung oder Verkrampfung zu sein

Bridget Jones ist eine grobschlächtige Heldin, eine, die sich etwas vornimmt, aber es nicht einhält, die raucht, mit der Hand in der Chipstüte einschläft, im Fernsehen Dokus über das Paarungsverhalten des Schabrackentapirs anschaut, sich nie wirklich erwachsen fühlt und hin und her gerissen ist zwischen der Idee, unabhängig zu sein, und dem Wunsch nach einer eigenen altmodischen Lovestory.

Und Renée Zellweger, diese hellhäutige, blond gefärbte Texanerin, die gut als schlecht gekleidete Engländerin durchgehen kann, spielte ihre Rolle immer glaubhaft. Sie ist keine dieser nachdenklich guckenden Filmfrauen, bei denen man immer das Gefühl hat, man muss ihren wahren Kern erst mühsam freilegen wie Dornröschens Schloss. Sie zappelt und grimassiert nicht über die Bildfläche wie eine Keira Knightley. An Renée Zellweger als Bridget Jones scheint nichts Verkleidung oder Verkrampfung zu sein. Das ist angenehm, wohltuend und wohl das offene Geheimnis ihres Erfolgs.

Nach Drehschluss strampelte Zellweger sofort die Kilos wieder ab

Das blieb in den vergangenen Jahren stets so, auch als Zellweger das für Bridget angefutterte Gewicht immer gleich nach Drehschluss wieder abgestrampelt hat. Die Frage für viele Fans ist nun, ob die Dinge anders stehen, wenn am Mittwoch der aktuelle Bridget-Film in Berlin Deutschlandpremiere feiert und in sechs Wochen in die deutschen Kinos kommt – zwölf Jahre (!) nach dem zweiten Teil. Zellweger ist mittlerweile 47 und hat sich ein neues Gesicht zugelegt (zuletzt die Schlagzeile: „Hugh Grant erkennt Kollegin nicht wieder“). Beim Chirurgen ließ sie sich zwar kein starres Botoxlächeln wie Nicole Kidman verpassen, sie verabschiedete sich aber von ihren markanten Schlupflidern. „Das ist nicht mehr unsere Bridget“, riefen die Fans, und man muss zugeben, dass die Schauspielerin seither auf Fotos kaum mehr aussieht wie Everybody’s Darling, sondern eher so Typ gealterte osteuropäische Eisprinzessin.

Jede Schönheitsoperation hat auch etwas Rührendes, spült ihre Offensichtlichkeit doch ein zerbrechliches Wesen an die Oberfläche, eine Frau, die konstant mit sich unzufrieden ist, etwas ändern will. Das ist für die Macher der Bridget-Filme am Ende kostenfreie PR und für viele Frauen könnte es ein Hinweis darauf sein, dass es den großen Stars auf dem roten Teppich auch nicht anders geht als ihnen selbst und ihrer Heldin Bridget Jones.

Das Schönheitsideal hat sich verändert: heutzutage ist es gesund und stark, statt dürr

Die Filme waren nicht allein ein großer Publikumserfolg, im Rückblick betrachtet zeigten sie als erste einen neuen Frauentypus in einem Genre, das man heute Romantic Comedy nennt. Die Chaotin Bridget hat den Grundstein gelegt für spätere Fernsehheldinnen wie Zooey Deschanel in „New Girl“ oder Lena Dunham in „Girls“: Pummelige oder tollpatschige junge Frauen, die nicht mehr den „idiot friend“ der schönen Hauptdarstellerin mimen, sondern selbst im Mittelpunkt stehen. Frauen spielen Loser, interessant Scheiternde oder Normalos – was für Männer spätestens seit Woody Allen möglich ist.

Die Welt in Film und Fernsehen hat sich seitdem zumindest so verändert, dass junge Darstellerinnen nicht mehr wie einst Zellweger nach Drehschluss abspecken wollen, sondern ihre „Love Handles“ (Fettpölsterchen) und Patschefüße stolz in die Kamera halten, wie so oft Lena Dunham in den sozialen Netzwerken und vergangene Woche in einer neuseeländischen Unterwäschekampagne. Und auch Hollywoods bestverdienende Schauspielerin, die 26-jährige Jennifer Lawrence, hat leichte weibliche Rundungen und sagt: „Ich werde niemals für eine Rolle hungern. Ich möchte nicht, dass kleine Mädchen sagen: ,Oh, ich möchte wie sie aussehen, also werde ich nichts mehr zu Abend essen‘.“ Diese jungen Frauen kennen das zwanghafte Salatessen und Kuchenverkneifen von ihren Müttern und Großmüttern und können darüber nur genervt mit den Augen rollen – ihr Schönheitsideal ist das des gesunden und starken Körpers.

Bridget Jones wickelt sich nicht albern Laken um den nackten Körper

Die Bridget-Filme sind auch unter anderen Gesichtspunkten nie hohle Hausfrauenkost gewesen, setzten sie sich doch augenzwinkernd gerade mit Schmalzfilmen auseinander: mit Schinken wie „Stolz und Vorurteil“ und Colin Firths Reinkarnation des Mister Darcy, mit Aufnahmen in Zeitlupe von aufeinanderzustürmenden Liebenden auf einer Wiese, und Gott sei Dank, endlich mit dieser absurden Art, nackte Brüste im Kino zu vermeiden, indem die Darstellerinnen sich immer diese Laken um den Körper wickeln, wenn sie dem Bett entstiegen – Darcy fragt Bridget: „Was machst du denn da unter dem Zelt?“

Wer die ersten beiden Filme jetzt noch einmal anschaut, kann sich auf eine Zeitreise begeben. Er landet in einem London, in dem es noch keine Wirtschaftskrise, keinen Immobilienboom, keinen Brexit gab. Bei einem Pärchenabend erscheint Bridget allein, ein Typ sagt: „Das ganze Büro ist voll von unverheirateten Frauen über 30, körperlich einwandfrei, kriegen nur keinen Kerl.“ Das klingt in der Rückschau fast putzig. Im neuen Film spielt Zellweger mit 47 Jahren eine Frau, die ein Kind erwartet. In diesem Alter solche Rollen zu bekommen wäre noch vor 15 Jahren im großen Kino undenkbar gewesen. Bridget ist jetzt allerdings sehr viel dünner als in den anderen beiden Teilen, angeblich wollte das der Regisseur so. Jung und rund ist wohl mittlerweile passabel fürs Kino, aber mittelalt und pummelig dann doch etwas zu viel für die großen Leinwände des Jahres 2016.