Vier Monate nach Aufnahme des vollen Flugbetriebs am neuen Istanbuler Flughafen häufen sich gefährliche Vorfälle. Bei fast 180 Flügen mussten Piloten beim Landeanflug durchstarten. Und im Herbst könnte sich die Lage noch deutlich verschlechtern.

Istanbul - Wenn Ende August der Sommer ausklingt, erleben die Bewohner von Istanbul ein eindrucksvolles Naturschauspiel. Am Himmel über der Bosporus-Metropole sammeln sich tausende Störche auf dem Weg nach Süden. In diesem Jahr erwarten einige Istanbuler die Ankunft der Störche allerdings mit einem unguten Gefühl im Magen. Schon jetzt kollidieren kleinere Vogelschwärme mit startenden und landenden Flugzeugen am neuen Flughafen im Norden der Stadt, der in einem Zugvogelgebiet gebaut worden ist. Vier Monate nach Aufnahme des vollen Flugbetriebs häufen sich am Prestige-Airport der Türkei gefährliche Zwischenfälle. Kritiker des Milliardenprojekts sehen sich bestätigt.

 

Rund eine Million Störche passieren jeden Herbst den Bosporus auf dem Weg aus Europa in sonnige Gefilde, wie die Zeitungen berichten. Ein Storch könne ein Triebwerk komplett zerlegen, ließ sich ein Pilot zitieren. Experten und Umweltschützer hatten die Standortauswahl für den neuen Flughafen unter anderem wegen der Gefahr von Vogelschlag kritisiert. Kürzlich wurde eine Maschine der Fluggesellschaft Turkish Airlines bei der Landung durch einen Vogelschwarm so schwer beschädigt, dass sie nicht weiterfliegen konnte.

Vögel sind nicht das einzige Problem. Verkehrsminister Cahit Turhan teilte jetzt mit, in den ersten zweieinhalb Monaten des normalen Flugbetriebs seit April hätten die Piloten in fast 180 Fällen die Landung ihrer Flugzeuge auf dem neuen Flughafen abbrechen und durchstarten müssen. Zu den Gründen zählten unter anderem die schwierigen Windverhältnisse. Auch darauf hatten Kritiker des Projektes vor Baubeginn vergeblich hingewiesen. Häufiger Nebel im Herbst gehört ebenfalls zu den Problemen, sagen Flughafen-Gegner. Minister Turhan räumte auf Anfrage der Oppositionsabgeordneten Gamze Akkus Ilgezdi ein, besonders im Frühling und im Herbst seien lange Wartezeiten für die Passagiere, Durchstarte-Manöver und andere Unannehmlichkeiten zu erwarten.

Passagiere aus Berlin mussten sieben Stunden im Flieger ausharren

Einen kleinen Vorgeschmack gab es bereits. An einem besonders windigen Tag im Mai konnten acht Flugzeuge nicht auf dem neuen Airport landen und mussten umgeleitet werden. Passagiere einer Maschine aus Berlin berichteten damals, sie hätten nach der Landung auf dem Flughafen der Stadt Corlu westlich von Istanbul sieben Stunden im Flugzeug ausharren müssen. Minister Turhan bestätigte dem Abgeordneten Ilhami Özcan Aygun außerdem, dass es für die Pisten des neuen Flughafens kein Heizsystem gibt. Im Winter drohe deshalb eine „gefährliche Lage“, sagte Aygun der Oppositionszeitung „BirGün“.

Schon jetzt gibt es viele Pannenmeldungen vom Flughafen. So rammte eine Maschine auf dem Weg zur Startbahn einen Beleuchtungsmast und beschädigte den rechten Flügel, sodass die Passagiere in ein anderes Flugzeug umsteigen mussten. Der Airport-Betreiber IGA dementierte jetzt Berichte, wonach sich im Asphalt des Vorfeldes plötzlich ein Loch aufgetan habe. Ganz von ungefähr tauchen solche Meldungen nicht auf. Beim Bau des Flughafens war ein Teil des Vorfeldes wegen Arbeiten an einem nahen U-Bahntunnel kollabiert. Damals war der Unfall von der Flughafenleitung zunächst als Falschmeldung abgetan worden.

Schmutzige Toiletten, bröckelnde Bodenplatten und andere Schlampereien

Ohnehin ist der Ruf des neuen Flughafens, der im Endausbau mit einer Kapazität von 200 Millionen Passagieren im Jahr der größte der Welt werden soll, nicht der beste. Die Anfahrt ist wegen der großen Entfernung von der Stadt und des Fehlens einer Bahnverbindung beschwerlich. Die Hast beim Bau und Beschwerden von Reisenden über lange Fußwege sowie über schmutzige Toiletten, bröckelnde Fußbodenplatten und andere Schlampereien nur wenige Monate nach Eröffnung schrecken viele Passagiere ab.

Medienberichten zufolge wurden zwischen April und Juni am neuen Airport weniger Fluggäste gezählt als im Vergleichszeitraum 2018 am inzwischen stillgelegten Atatürk-Flughafen – trotz stark steigender Touristenzahlen in Istanbul. Gleichzeitig erfreut sich der Flughafen Sabiha Gökcen im asiatischen Teil Istanbuls steigender Beliebtheit. Das Projekt Mega-Flughafen sei gründlich danebengegangen, schrieb der Oppositionsabgeordnete Aygun auf Twitter. „Die Skandale nehmen kein Ende.“