Olaf Kieser wird vom 1. April 2016 die Stadtwerke leiten – bisher ist er einer von zwei Vorständen bei der deutlich größeren Energie Steiermark in Österreich. Kiesers klarer Auftrag: er soll die urbane Energiewende voranzubringen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - In einem Punkt verschlechtert sich der 49-jährige Olaf Kieser, der zum 1. April neuer Geschäftsführer der Stadtwerke Stuttgart wird, auf jeden Fall: Während er heute von Graz aus in weniger als einer Stunde zur Bergtour auf den Schöckl oder den Hochlantsch aufbrechen kann, bleiben ihm künftig nur noch die Wangener Nordhänge oder der Albtrauf als Wandergebiet.

 

Ansonsten aber ist sich Kieser sicher, mit der neuen Stelle eine sehr gute Wahl getroffen zu haben. Vor allem böten die Stadtwerke fast nur Chancen und kaum Risiken, sagt Kieser, der in Salzgitter geboren wurde und seit 2009 einer von zwei Vorständen bei der Energie Steiermark in Graz ist. Die Stadtwerke besäßen nicht wie viele andere Energieunternehmen Altlasten in Form von Kohle- oder gar Kernkraftwerken: „Da lässt sich wirklich etwas aufbauen.“

Dies sei der Hauptgrund, weshalb er sich in Stuttgart beworben habe – auf den ersten Blick ist das nämlich nicht ganz erklärlich. Denn während Kieser in Graz für 1700 Mitarbeiter, 600 000 Kunden und einen Jahresumsatz von 1,37 Millionen Euro verantwortlich war, sind es in Stuttgart gerade 50 Mitarbeiter, 14 500 Kunden und ein Umsatz von 243 000 Euro. Neben diesen Chancen der Stadtwerke gab es aber noch einen anderen Grund: Kieser räumt ein, dass es ihn nach Deutschland zurückgezogen hat. Ein Grazer Insider sagt, Kieser habe sich schwer getan, in die recht geschlossene Grazer Gesellschaft hineinzufinden. Auch das Gehalt dürfte nicht schlechter werden: Der bisherige Geschäftsführer Michael Maxelon verdient laut neuestem Beteiligungsbericht inklusive aller Gehaltskomponenten 376 000 Euro im Jahr.

Ausbau der Fotovoltaik wird eine der Hauptaufgaben sein

Umgekehrt ruhen auf Olaf Kieser ziemlich viele Hoffnungen. Er soll die urbane Energiewende in Stuttgart bewerkstelligen, die bisher ganz am Anfang steht. Ein neuer Schwerpunkt der Stadtwerke, erst jüngst auf einer Sitzung des Aufsichtsrats beschlossen, ist der starke Ausbau der Fotovoltaik. Tatsächlich hat Kieser darin Erfahrung: Die Energie Steiermark habe vor einem Jahr eine eigene Firma mit 50 Mitarbeitern gegründet, die den Kunden Fotovoltaik-Komplettangebote für ihr Hausdach machen. Ein solches Modell existiert bei den Stadtwerken ebenfalls schon; mit Kiesers Know-How soll stark expandiert werden.

Zudem habe die Energie Steiermark zuletzt mit Kieser „keinen Stein auf dem anderen gelassen“, heißt es in Pressemitteilungen; man wollte sich vom klassischen Energieversorger in einen modernen Dienstleister verwandeln. Stark wurde in die Energieeffizienz und in die Elektromobilität investiert. Vor Ort sieht man das allerdings teilweise differenzierter. Es sei „krass übertrieben“, dass sich die Energie Steiermark völlig neu aufgestellt hätten, von einem epochalen Durchbruch könne keine Rede sein. Allerdings hört man auch über Kieser: Er habe nichts falsch gemacht und könne insgesamt eine gute Bilanz vorweisen.

Kieser kennt das Land gut – er war früher bei der EnBW

Bei den Investitionen in erneuerbare Energien überflügeln aber die winzigen Stadtwerke den Energiekonzern um Längen: Während die Energie Steiermark laut Geschäftsbericht 2014 gerade 9,3 Millionen Euro in einen Windpark investiert hat, lag die Quote der Stadtwerke laut Beteiligungsbericht bei 164 Millionen Euro. Zu erwähnen ist übrigens, dass der Maschinenbauingenieur Olaf Kieser von 1997 bis 2009 im Land gearbeitet hat – bei der EnBW in Karlsruhe, beim großen Konkurrenten der Stadtwerke, der zugleich der große Partner beim Netzbetrieb ist.

Den EnBW-Stallgeruch dürfte Olaf Kieser auf der Grazer Freiländeralm abgelegt haben. Und vielleicht nutzen ihm die alten Kontakte bei manch anstehender schwieriger Verhandlung sogar.