Dass man mit pro- und präbiotischer Kost etwas für die Darmflora tun kann, ist bekannt. Jetzt gibt es einen neuen Trend: Postbiotika. Die Substanzen, mit denen man unter anderem Fischstäbchen anreichern kann, helfen etwa bei der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Sie waren übergewichtig und hatten ein hohes Diabetesrisiko. Die 120 Männer und Frauen, die sich für eine Studie der Universität Rovira i Virgili im katalonischen Reus zur Verfügung gestellt hatten, repräsentierten eine Bevölkerungsgruppe, die es in den Wohlstandsnationen viel zu häufig gibt: noch nicht krank, aber aufgrund ihrer Fettpolster auf dem besten Wege dahin. Doch dann forderte man sie auf, zwölf Wochen lang 50 Gramm eines Fischstäbchens zu essen.

 

Was sie nicht wussten: Die Hälfte von ihnen bekam ein Produkt, das unter anderem mit Bifido-Bakterien angereichert war. Die kennt man von probiotischen Drinks und Joghurts. Doch diesmal wurden sie nicht lebend, sondern abgetötet verabreicht, zusammen mit den Stoffwechselprodukten, die sie zuvor in ihrem Leben produziert hatten.

Günstige Veränderung der Darmflora

Nach drei Monaten zeigte die Postbioten-Gruppe nicht nur niedrigere Insulinwerte und weniger Neigung zur Insulinresistenz, die als typische Vorstufe für Diabetes 2 gilt. Auch das Blutfettprofil präsentierte sich mit einem positiven Trend, und bei den Frauen beobachtete man sogar ein Absinken des systolischen Blutdrucks um knapp 5 mmHg. Das bestätige, so das Resümee der Studienleiterin und Arteriosklerose-Spezialistin Rosà Sola, „dass Fischstäbchen mit postbiotischen und bioaktiven Bestandteilen eine alternative Strategie in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein können“. Wobei wie bei den Prä- und Probioten die Ursache für diesen Effekt letzten Endes in einer günstigen Veränderung der Darmflora läge.

Ob also Fischstäbchen künftig mit postbiotischen Bakterien angereichert sein werden? Entsprechende Nahrungsergänzungsmittel kann man jedenfalls schon über das Internet bestellen. Doch die Postbioten haben auch eine Perspektive jenseits des Functional Food: als Arzneimittel, das man gezielter einsetzen kann als die pro- und präbiotischen Pendants.

Gezielte Therapie möglich

Mit präbiotischen Ballaststoffen unterstützt man das Wachstum der bereits im Darm vorhandenen Bakterien, mit den Probiotika führt man ihnen bestimmte „Partner-Bakterien“ zu. „Und mit den Postbiotika befindet man sich an dem Ende der Kette“, erklärt Mario Zaiss von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. „Nämlich bei den Stoffwechselprodukten der Bakterien.“

Sie hätten, wie der Immunologe ausführt, den Vorteil, dass man sie zur gezielten Therapie nutzen kann. Im Unterschied zu den Pro- und Präbiotika, die in der Regel mehrgleisig fahren. „Das kann zwar in einigen Fällen von Nutzen sein“, betont Zaiss. „Doch wenn ich etwa einen Joghurt mit unterschiedlichen Bakterienstämmen verzehre, habe ich es mit einem außerordentlich komplexen Gebilde zu tun, nicht nur aus Mikroorganismen, sondern auch aus mehreren Substanzen – und möglicherweise brauche ich im Rahmen einer Therapie ja nur eine davon.“

Sie bestehen aus kurzkettigen Fettsäuren

Wer also eine komplexe Wirkung will, fährt mit den Pro- und Präbioten besser, doch gezielter ist die Anwendung eines Postbiotikums. Was zudem den Vorteil hat, dass nichts Lebendiges und damit potenziell Infektiöses zum Einsatz kommt, was insbesondere für Babys, Kleinkinder, Schwerkranke und Menschen mit defekter Darmschranke zum Problem werden kann.

Zu den therapeutisch bedeutsamen Substanzen des Postbiotikums zählen vor allem kurzkettige Fettsäuren wie etwa Butyrat und Propionat. Sie werden im Darm für die Produktion von T-Zellen benötigt, die eine zentrale Rolle in der Steuerung des Immunsystems spielen. Außerdem stärken sie die Darmschranke, sodass weniger schädliche Stoffe in den Blutkreislauf gelangen.

Auch Müsliriegel können Postbiotika enthalten

Zaiss forscht zum Einsatz von Postbiotika in der Prävention von Autoimmunerkrankungen, bei denen sich die Immunabwehr gegen den eigenen Körper richtet. Zu ihnen gehören entzündliche Krankheiten wie Zöliakie, Multiple Sklerose oder auch die Rheumatoide Arthritis. „Sie dröseln oft viele Jahre vor sich hin, bevor sie schließlich ausbrechen“, erläutert der Wissenschaftler. „Unser Ziel besteht nun darin, vorher das Immunsystem durch Postbiotika so zu lenken, dass es erst gar nicht dazu kommt.“ Es könnte also beispielsweise darum gehen, das Immunsystem einer Risikopersönlichkeit, die viele Rheumakranke in ihrer Familie hat, mithilfe der Postbiotika so umzustellen, dass die Erkrankung nicht ausbrechen kann.

Pillen oder Tabletten kommen nicht so gut an

Ein Forscherteam aus Kolumbien, Finnland und Polen fand unlängst heraus, dass Kinder besser vor Durchfallerkrankungen sowie Rachen- und Halsentzündungen geschützt sind, wenn sie postbiotisch versorgt werden.

Verabreicht werden Postbiotika oral, also über den Mund, und das meistens in Gestalt von Pillen oder Tabletten. Doch das hält Zaiss eher für einen Nachteil: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Postbiotika deutlich besser ankamen, wenn man sie etwa in Form eines Müsliriegels verzehren konnte.“

Die drei Bioten-Typen

Probioten
 Probiotische Nahrungsmittel wie Kefir oder Joghurt enthalten lebende Bakterien- und Pilzkulturen, die sich günstig auf die Darmflora auswirken.

Präbioten
Präbiotische Nahrung besteht aus pflanzlichen Ballaststoffen wie Inulin oder Oligofructose, die den probiotischen Bakterien als Nahrung dienen.

Postbioten
Bei den postbiotischen Substanzen handelt es sich um Stoffwechselprodukte von probiotischen Bakterien. Meistens bestehen sie aus kurzkettigen Fettsäuren, die gesundheitsfördernde Effekte für den Menschen haben.