Baden-Württemberg bleibt eine Topadresse für Feinschmecker. Im „Guide Michelin“ für 2023 sind neun Restaurants erstmals mit einem Stern ausgezeichnet worden, zwei haben den zweiten bekommen. Die Hochburg für Fine Dining befindet sich im Schwarzwald. Aber auch Stuttgart darf sich wieder über einen Newcomer freuen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Für Gourmets hat Baden-Württemberg wieder einige neu dekorierte Ziele zu bieten: Der „Guide Michelin“ hat neun Restaurants in die Ein-Stern-Kategorie gehoben, zwei haben in der Ausgabe 2023 den zweiten Stern erhalten. Im Bundesvergleich schneidet das Land weiterhin überdurchschnittlich ab mit jetzt 64 Ein-Sterne-Lokale, zehn Zwei-Sterne-Restaurants und zwei mit der höchsten Auszeichnung. Außerdem wurde von den Testern kein Koch degradiert.

 

Baiersbronn bleibt die Hochburg

Die Feinschmecker-Hochburg bleibt Baiersbronn, wo die Hotels Traube Tonbach bereits seit 1993 und Bareiss zum 16. Mal drei Sterne abgeräumt haben. Zumal auch die Ein-Sterne-Lokale Schlossberg und das 1789, das zur Traube gehört, in dem Ort im Kreis Freudenstadt sind, der noch zu Württemberg gehört. Überhaupt sind der Schwarzwald und Baden geografisch betrachtet die diesjährigen Gewinner der „Michelin“-Verleihung, die in Karlsruhe stattgefunden hat.

„Noch ganz überwältigt“ ist der Hoteldirektor Marius Tröndle vom Boutiquehotel Mühle Schluchsee, schreibt er in Facebook am Tag danach: Der 29 Jahre alte Niclas Nussbaumer steht dort erst seit 2021 am Herd und holte schon den zweiten Stern. Markus Tröndle ist „dankbar jenseits von Worten für die enorme Leistung“ des Teams. Sein Koch gehört zu einer Reihe von Nachwuchsstars, die bei Christian Jürgens im Drei-Sterne-Restaurant Überfahrt am Tegernsee Station machten und mittlerweile in Eigenregie Spitzenleistung abliefern. „Sie müssen Feuer haben, die zehntausend Meter mehr gehen wollen“, erklärte er seine Auswahlkriterien für Mitarbeiter. Eine schnelle Steigerung legte auch Thorsten Bender mit seinem Karlsruher Restaurant Sein hin: 2017 eröffnete er, 2019 kam der erste Stern, nun der zweite.

Freiburg legt gewaltig zu

„Eine Ansage“ sind die drei neuen Sterne für Freiburg, findet Martin Fauster vom Restaurant Zur Wolfshöhle. Er hatte sich erst im vergangenen Jahr im Breisgau selbstständig gemacht, dass es gleich den ersten Stern gab, mache ihn „ein bisschen stolz“, sagte er bei der Preisverleihung. „Ich wollte eigentlich einfacher kochen, das geht aber anscheinend nicht“, ergänzte er.

Außerdem ist das Restaurant im Fünf-Sterne-Hotel Colombi mit einem Stern ausgezeichnet worden und auch Federico Campolattano, der seit 2019 italienisches Fine Dining in der Eichhalde anbietet, darf sich über die Auszeichnung freuen. Mit Die Burg in Donaueschingen und Das Garbo im Löwen in Eggenstein-Leopoldshafen gehen zwei weitere neue Sterne über Baden auf.

Marco Akuzun holt wieder einen Stern

Immerhin kann Württemberg stolz auf die einzige Aufsteigerin sein: Alina Meisner-Bebrout hat für ihr Lokal bi:braud in der Ulmer Altstadt einen Stern bekommen und ist zugleich mit dem Young Chef Award geehrt worden. Die 30-Jährige eröffnete das Lokal bereits vor acht Jahren. „Das gilt zu 100 Prozent meinem großartigen Team“, sagte sie bescheiden. Im Kreis Biberach hat es das Esszimmer im Oberschwäbischen Hof in Schwendi ebenfalls in den Rang geschafft. Auch ein Erfolg für Stuttgart ist der erste Stern für Marco Akuzun in seinem eigenen Restaurant Markos in Weingarten bei Ravensburg, schließlich kochte er im Top Air am Stuttgarter Flughafen seit 2013 bis zu dessen Schließung 2020 auf diesem Niveau.

Schlossgartenhotel ist geschlossen

Obwohl der Landeshauptstadt in der Coronapandemie zwei weitere Sterne-Lokale verloren gingen – das Hotel am Schlossgarten ist wegen Renovierung bis 2025 außer Betrieb und das Hotel Graf Zeppelin gab sein Restaurant Olivo auf –, herrscht dennoch Dynamik. Vergangenes Jahr gab es einen Stern für das Ritzi, 2019 stiegen der Zauberlehrling und Hupperts auf.

Dieses Mal war das Hegel Eins an der Reihe. Mit dem ehemaligen Museumsbistro haben die „Michelin“-Tester auch kein klassisches Gourmetlokal ausgezeichnet: In der kleinen Küche kreiert der 28-jährige Küchenchef Felix Herp sieben Gänge mit viel Aufwand und ungewöhnlichen Zutaten. Eine buttrige Sellerie-Rolle kombiniert er beispielsweise mit Kaffee und Rhabarber. „Über die Auszeichnung sind wir sehr glücklich“, sagte Restaurantinhaber Jan Tomasic. Seit fünf Jahren arbeitete er auf den Stern hin, erst mit Daniel Mästling am Herd, dann übernahm dessen Souschef Felix Herp. „Es ist völlig verrückt“, erklärte Tomasic in Karlsruhe.

30 Jahre lang immer einen Stern

Außerdem zeichnet sich Baden-Württemberg durch Kontinuität aus, viele Köche kochen seit Jahrzehnten auf hohem Niveau. „Einen Stern zu bekommen, ist das eine, ihn 30 Jahre lang zu halten, ist eine andere Klasse“, findet Evangelos Pattas, dessen Stuttgarter Restaurant Délice seit 1996 zu den Topadressen zählt. Gestrichen wurden von der Liste nur drei Lokale – wegen Schließung: das Goldberg in Fellbach, das Nova in Herrenberg und Le Corange in Mannheim.