Bis zu 400 Studenten sollen in einigen Jahren in Ludwigsburg im neuen Studiengang Digital Engineering and Management unterrichtet werden. Viele Unternehmen machen mit – doch es sind noch Fragen offen.

Ludwigsburg - Schon jetzt ist Ludwigsburg eine Studentenstadt – doch ausgebildet werden vor allem Pädagogen und Verwaltungsangestellte. Von Herbst 2020 an werden auch Informatiker, Ingenieure und Betriebswirtschaftler in der Stadt lernen. Dann soll ein neuer Studiengang Digital Engineering and Management in der Barockstadt etabliert werden – mit kräftiger Unterstützung namhafter Unternehmen, von Porsche über MHP, Bosch, Dürr bis zu Mann + Hummel oder Lapp Kabel.

 

Der Kreis Böblingen ist das Vorbild

Die Idee ist so einfach wie bestechend: Die Stadt gibt jährlich 150 000 Euro, die Unternehmen schießen pro Student 600 Euro pro Monat zu – und erhalten gut ausgebildete Fachkräfte. Zudem können die Studenten Praxisluft in den Betrieben schnuppern. Das Modell hat die Hochschule Reutlingen schon mit dem Kreis Böblingen erprobt – dort ist seit 2013 eine Außenstelle mit 140 Plätzen eingerichtet. „Der große Erfolg dort hat uns ermutigt“, sagt Daniel Geigis. Er organisiert das Projekt für die Reutlinger, die für solche Aktivitäten die Stiftung Knowledge Foundation gegründet haben.

Der Oberbürgermeister Werner Spec hatte dieses Projekt bereits im Wahlkampf angekündigt – nun wird es konkret. Der Gemeinderat hat am Mittwoch grünes Licht gegeben. Bei den Unternehmen wartet man händeringend auf den Startschuss. „Wir benötigen gerade bei der Informationstechnik Fachkräfte“, sagt der W&W-Firmensprecher Immo Dehnert. Auch Markus Müller, Sprecher der Lapp-Gruppe, erklärt: „Wir haben, wie viele andere Unternehmen in der Region eine Herausforderung bei der Gewinnung von Fachkräften im digitalen Bereich.“

Standort ist das Wüstenrot-Areal

Das Wüstenrot-Areal soll der Standort des neuen Studiengangs sein. Spätestens von 2023 an, wenn auf der Ludwigsburger Seite die Altgebäude durch ein neues Quartier ersetzt werden, soll die Hochschul-Außenstelle dort einziehen. Der Unterricht soll allerdings schon zum Wintersemester im September 2020 beginnen. Auch das wäre auf dem Wüstenrot-Areal möglich, allerdings nicht in dem markanten Hochhaus. Das benötigt der relativ dynamisch wachsende Finanzkonzern selbst für seine Geschäftstätigkeit.

Eine Botschaft, die man in Ludwigsburg gerne hört, schließlich war angesichts des neuen W&W-Campus auf Kornwestheimer Markung noch unklar, was mit dem Gebäude geschieht. Klar ist für die Reutlinger, dass sie ein hochwertiges Umfeld benötigen. „Es darf nicht nur digitale Hochschule draufstehen“, sagt Daniel Geigis, „der Anspruch muss auch eingehalten werden.“ Zunächst sollen 40 Bachelor- und 20 Master-Anwärter beginnen. Wenn alle Jahrgänge voll besetzt sind, werden es 400 Studenten sein.

Die Nachfrage der Wirtschaft ist riesig

Der Bedarf der Unternehmen ist allerdings größer. „Wir könnten auch mit doppelt so vielen Studenten beginnen“, sagt Alexander Roßmann, Professor an der Reutlinger Hochschule. Am Ende des berufsbegleitenden Studiums soll ein Absolvent stehen, der sowohl Informatiker als auch Ingenieur ist – und sich im Management auskennt. „Ein breites Fundament“, sagt Geigis, der die Ludwigsburger Kooperation ein „ziemlich großes Projekt“ nennt. Noch sind viele Fragen ungeklärt. Im Gemeinderat sind auch Zweifel daran geäußert worden, wie Transport und Unterbringung der Studenten organisiert werden. „Wie wird die Anfahrt geregelt? Kommen die Studenten in die bestehenden Wohnheime?“, fragt etwa Grünen-Fraktionschef Michael Vierling. Und Daniel O’Sullivan (SPD) hofft, dass sich das Land beteiligt: „Hochschulpolitik ist keine Pflichtaufgabe der Stadt.“

Ein Bahnhalt bei W&W ist möglich

Eine wichtige Botschaft kann Werner Spec dazu jedoch verkünden und einige der Bedenken entkräften: Ein Gutachten der Deutschen Bahn habe ergeben, dass der lange ersehnte Bahnhalt bei Wüstenrot tatsächlich umsetzbar sei: „Nach der Verfügbarkeit der Bahngleise ist ein Viertelstundentakt möglich.“ Die geplante Stadtbahn von Markgröningen könnte also tatsächlich bis zum Campus des Finanzdienstleisters fahren. Und dann auch gleich die neuen dualen Studenten an ihre Ausbildungsstätte bringen.

Andere Stadträte finden die Kritik kleinlich. „Ich wundere mich schon über diese Skepsis, Fachkräfte sind dringend notwendig“, erklärt etwa der Freie-Wähler-Stadtrat Florian Lutz. Und Jochen Eisele (FDP) weist darauf hin, dass auch Informatik- und Ingenieurstudenten gerne Bahn fahren: „Die kommen durchaus nicht alle mit einem Porsche Cayenne.“