Armin Petras soll 2013 das Schauspiel Stuttgart übernehmen. In Berlin hat er Erfolgsgeschichte geschrieben. Dort ist die Verwunderung groß.
Berlin - Das Chefbüro ist karg möbliert. Schreibtisch, Sofa, Stuhl, sonst nichts - und Stuhl, Sofa, Schreibtisch sind derart verschlissen, dass sie ihre Herkunft aus dem Theaterfundus gar nicht verbergen können. "So residiert ein Berliner Intendant", sagt Armin Petras und weist mit ironischer Geste in den Raum, dessen Einrichtung aus verschrammtem Biedermeier und abgewetztem Bauhaus besteht. Dieses Schmuddelbüro hat nichts, aber auch gar nichts bürgerlich Repräsentatives an sich. Im Gegenteil: es ist eine reine, bis hin zur Raufasertapete ausgenüchterte Arbeitskammer und passt insofern bestens zu dem Mann, der sich hier asketisch eingerichtet hat. Petras ist ein Workaholic - und wenn der Intendant, der gleichzeitig noch als Regisseur und Autor arbeitet, galgenhumorig auf die Ärmlichkeit seines Zimmers hinweist, dann zielt er symbolisch auf das ganze Haus, dem er sich mit aller Leidenschaft widmet. Chronisch unterfinanziert sei das Gorki-Theater, sagt Petras - und weil er die Bittstellerei leid sei, wechsle er von Berlin nach Stuttgart.
Nach Stuttgart? Zu den Schwaben? Geht's noch?
Die Verwunderung, mehr noch die Fassungslosigkeit war groß, als vor drei Wochen bekannt wurde, dass der Bühnen-Allrounder im Sommer 2013 das Stuttgarter Schauspiel übernehmen soll. Der Verwaltungsrat der Staatstheater muss dem Personalcoup auf seiner Sitzung am 14. November zwar noch zustimmen, weil aber daran kaum ein Zweifel besteht, hat sich die Kulturszene schon jetzt allerorten über den Vorgang erregt. Allerorten - und am heftigsten in Berlin - werden die Köpfe geschüttelt über eine Entscheidung, die in den Augen der Kopfschüttler nichts als eine klassische Fehlentscheidung ist. Petras und Stuttgart, das passt nicht zusammen, sagen sie, beide hätten sich in ihrer Wahl gründlich geirrt. Petras sei ein "Ossi des Herzens" und werde nie im satten kapitalistischen Stuttgart ankommen, bei dieser Verbindung handle es sich um keine Liebesheirat, sondern allerhöchstens um eine Vernunftehe - doch selbst die Vernunft wird dem Votum des 47-jährigen Intendanten noch abgesprochen: Wie nur, fragen Skeptiker sinngemäß, könne man die Berliner Mitte, wo die Luft brennt, gegen den Stuttgarter Kessel eintauschen, wo es nach Bohnerwachs rieche?
Dass in der Diskussion um seinen Wechsel die dümmsten, ja allerdümmsten Vorurteile über Schwaben mitschwingen, ist Petras nicht entgangen. Eben darum, weil sie abgrundtief dumm und wirklichkeitsfremd sind, will er sich jetzt auch nicht weiter mit diesen Klischees auseinandersetzen, die von nichts anderem genährt werden als von borniertem Hauptstadtdünkel. Weg mit dem blöden Geschwätz, signalisiert Petras, der mittlerweile auf einem Lederstuhl Platz genommen hat, der aus den Aufbaujahren der DDR stammen könnte. Und dann kontert er die Verwunderung über seine Stuttgart-Entscheidung mit einer Frage, die alle Kritiker mit einem Schlag alt aussehen lässt: "Haben Sie je gehört, dass sich ein Manager dafür rechtfertigen musste, eine größere Firma zu übernehmen?"