Die Spielzeit 2019 der Ludwigsburger Schlossfestspiele wird die letzte unter der Leitung von Thomas Wördehoff sein. Wie der Aufsichtsrat des Festivals am Montag bekannt gab, wird ihm dann Jochen Sandig (48) nachfolgen.
Ludwigsburg - Das kleine Sitzungszimmer im Ludwigsburger Rathauses ist hell erleuchtet: von der Sonne draußen, vom Licht der Erkenntnis drinnen – und natürlich auch vom Zauber eines Neubeginns. In Person seines Vorsitzenden, des Ludwigsburger Oberbürgermeisters Werner Spec, stellt der Aufsichtsrat der Schlossfestspiele am Montagmittag den Mann vor, der nach der Saison 2019 die Festivalintendanz von Thomas Wördehoff übernehmen soll. Einstimmig hat sich das Gremium für den 48-jährigen studierten Psychologen und Philosophen Jochen Sandig entschieden, einen gebürtigen Esslinger, der heute mit seiner Frau, der Choreografin Sasha Waltz, in Berlin lebt: einen Strippenzieher hinter Kulturinstitutionen, einen Künstlerfreund und Kunstermöglicher – und, so Spec, „eine herausragende Persönlichkeit, die die programmatische Arbeit in Ludwigsburg fortführen wird.“
Er freue sich, sagt Sandig – dunkle Haare, dunkler Anzug und ein Leuchten in den Augen –, schließlich sei er schon als Kind hier in Ludwigsburg gewesen, und weil es sei ihm eine Ehre sei, dem innovativen Thomas Wördehoff nachfolgen zu dürfen, den er sehr schätze, werde sein Amtsantritt auch keinen Bruch bedeuten, sondern „eher eine Staffelübergabe“. Vieles wolle er „vertiefen und weiterentwickeln“, und „meine Offenheit, Neugier, Wachsamkeit und Kreativität möchte ich hier einbringen“. Neues, Besonderes soll so in Ludwigsburg entstehen.
In Ludwigsburg soll die Kunst politischer werden
Für Konkretes ist es noch zu früh. Aber über Grundzüge seiner Arbeit und seines Denkens redet Jochen Sandig gerne und ausführlich. Dass die Kunst unbedingt stärker und direkter gesellschaftspolitisch denken und (re-)agieren müsse, dass sie helfen müsse, die soziale Zerrissenheit zu kitten, sagt er zum Beispiel, und dass er diese Qualität von Kunst auch in Ludwigsburg stärken wolle. Also bei einem Festival, dessen Name schon Wichtiges markiere. Schloss: Das sei der ehemaligen Ort des Adels, der heute der bürgerlichen Gemeinschaft gehöre; Fest: Das sei die Feier des Lebens, die im Zentrum stehen müsse; und Spiele: Sie markierten eine Stätte der Kreativität – und eines Zuhörens, „das unsere Gesellschaft heute wieder lernen muss“. „Die gesellschaftliche Relevanz von Kunst“, hakt Baden-Württembergs Kunststaatsekretärin Petra Olschowski ein, „muss uns alle beschäftigen.“
Konkreter: Jochen Sandig schätzt das Festspielorchester, will mit dem derzeitigen Chefdirigenten Pietari Inkinen reden, dessen Programme er „spannend“ findet, möchte aber auch neue Künstler nach Ludwigsburg bringen, „zum Beispiel Teodor Currentzis“. Unter anderem müsse man auf das Beethoven-Jahr 202o reagieren. Sasha Waltz werde nach Ludwigsburg kommen, aber nicht als Einzige – „ich will“, sagt Sandig, „den Tanz hier in großer Bandbreite abbilden und den Dialog zwischen Musik und Tanz zu einem Schwerpunkt meiner Arbeit machen – bis hin zur Aufhebung der Trennung zwischen beiden Kunstsparten in choreografischen Opern“. Viele Vernetzungen soll es geben: zwischen verschiedenen Künsten ebenso wie zwischen verschiedenen (vor allem baden-württembergischen) Institutionen, und als er diese aufzuzählen beginnt, kommt er schier nicht ans Ende. Kooperationen, Partnerschaften, so der designierte Intendant, machten immer dann Sinn, „wenn so Dinge entstehen können, die einer alleine nie machen könnte“. Warum also nicht einmal gemeinsam mit der Oper Stuttgart eine Premiere herausbringen, warum nicht mit dem Tanzfestival „Colours“ zusammenkommen oder mit dem Kunstmuseum Stuttgart?