Die beiden Staatsunternehmen Deutsche Bahn und China Railway verstärken ihre Zusammenarbeit – vor allem beim Güter- und Hochgeschwindigkeitsverkehr. Die deutsche Bahnindustrie beobachtet die Allianz besorgt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn (DB) und China Railway (CR) wollen enger zusammenarbeiten. Dazu haben DB-Chef Richard Lutz und CR-Präsident Dongfu Lu eine neue Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, die neben dem Ausbau der Güterzugverbindungen besonders den verstärkten Technologieaustausch umfasst.

 

In der DB-Mitteilung sind besonders die Hinweise auf die Kooperation im Hochgeschwindigkeitsverkehr bemerkenswert. Der Konzern könne „von den Erfahrungen aus den extrem hohen Laufleistungen der chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge lernen und Rückschlüsse für die Instandhaltung der DB-Flotte ziehen“. Damit erkennt das führende Transportunternehmen Europas die technologischen Erfolge in Fernost ausdrücklich an.

In China sind bereits 1200 Hochgeschwindigkeitszüge unterwegs

China hat seit der Jahrtausendwende sein riesiges Schienennetz mit gewaltigem Aufwand modernisiert und ausgebaut. In den nächsten Jahren sollen nochmals mehr als 300 Milliarden Euro fließen. Allein die Hochgeschwindigkeitsverbindungen (HGV) sind bereits 16 000 km lang, das sind fast 40 Prozent der weltweiten Strecken für Tempo 250 aufwärts. Für die CR sind schon 1200 HGV-Züge unterwegs, ein Drittel aller Züge weltweit. Zum Vergleich: Die ICE-Flotte der DB umfasst nur rund 270 Züge.

Beide Unternehmen kooperieren seit Jahren. Schon ein im Frühjahr 2016 geschlossener Vertrag sah unter anderem die Beratung für die CR bei der Instandhaltung von HGV-Zügen vor. Allerdings hat die DB selbst schon lange massive Probleme mit ihrer Flotte, beim ICE zum Beispiel mit schadhaften Achsen, ausfallenden Klimaanlagen und Toiletten sowie gefährlichen Trafo- und Zugbränden wie jüngst bei Montabaur. Solche Vorfälle sind aus China bisher nicht bekannt geworden.

Die hiesige Bahnindustrie fordert Schutzräume von der Politik

Pekings Planwirtschaft treibt den Aufstieg zur führenden Nation im Schienenverkehr generalstabsmäßig voran. Der mit weitem Abstand größte Bahnhersteller der Welt, der Staatskonzern CRRC, baut die chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge und hat unlängst eine neue Europazentrale in Wien eröffnet. Die Expansion wird bei der hiesigen Bahnindustrie mit ihren 52 000 Beschäftigten besorgt registriert.

Der Branchenverband VDB verwies einen Tag vor der DB-Kooperationsvereinbarung auf die Marktmacht der Chinesen und forderte mehr Staatshilfen bei Export und Forschung. Zudem sollte der Einstieg außereuropäischer Investoren bei hiesigen Firmen besser überwacht und bei Ausschreibungen von Zugaufträgen nur Firmen mit wenigstens 50 Prozent Wertschöpfung in Europa zugelassen werden.

Auch die DB könnte sich vorstellen, Züge in China zu bestellen

Die hiesige Bahnindustrie um Siemens & Co. fürchtet schon lange, dass die Asiaten weiter den Markt erobern. Als eine Reaktion will Siemens mit dem direkten Konkurrenten Alstom in Frankreich fusionieren, die EU-Kommission hat jedoch bisher nicht zugestimmt. Denkbar ist, dass auch der größte Kunde der deutschen Zughersteller, die DB, nach einigen negativen Erfahrungen umsteuert und in Zukunft erstmals Züge in China bestellt. Die kurzzeitige DB-Technikchefin und frühere Siemens-Managerin Heike Hanagarth hatte das 2015 bereits öffentlich angekündigt, den Konzern aber bald wieder verlassen.

Bisher verhindert dem Vernehmen nach auch politische Einflussnahme, dass der deutsche Staatskonzern in China bestellt. Den neuen ICE 4 liefert erneut Siemens, bei Regionalzügen jedoch könnte CRRC ins Geschäft kommen, wenn die Zulassungshürden in Europa gemeistert werden. Beim Lokhersteller Skoda in Tschechien war ein Einstieg bereits im Gespräch.

Auch bei der neuen Seidenstraße kooperieren DB und CR

DB-Chef Lutz bilanziert eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Asiaten und nennt als gutes Beispiel die wachsenden Transporte über die eurasische Landbrücke, an denen DB Cargo beteiligt ist. Bis Ende 2018 werden demnach 90 000 Container auf den Frachtzügen zwischen Fernost und Deutschland transportiert worden sein. Der erste Chinazug auf der mit 10 000 Kilometern längsten Eisenbahnverbindung der Welt startete 2008. Allein 2017 wuchs die Zahl der Container von 30 000 auf 80 000.

Die DB Engineering & Consulting unterstützt die Chinesen zudem seit Jahren bei Infrastrukturprojekten in Drittländern. Vor allem in Afrika sind die Asiaten aktiv und setzen komplette Schienenprojekte inklusive Finanzierung um. Im Gegenzug erhält China Zugang zu wichtigen Rohstoffen. Auch bei der Seidenstraßen-Initiative „One belt – one road“ wollen CR und DB kooperieren, geplant sind Infrastrukturprojekte für schnellere Landverbindungen zwischen Europa und Asien.