Im Südwesten herrscht Kleinstaaterei: 22 Verbünde organisieren die Fahrten mit Bussen und Bahnen. Dabei bleibt es, aber mit dem neuen BW-Tarif kann es dem Kunden egal sein. Er braucht nur noch eine Fahrkarte, egal wohin es geht. Und die ist auch viel billiger.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Eine Fahrkarte, egal wie viele Verkehrsmittel man für seine Fahrt nutzt: Was innerhalb eines Verkehrsverbunds wie dem Stuttgarter VVS längst selbstverständlich ist, wird künftig auch bei Nahverkehrsfahrten über Verbundgrenzen hinweg zur Regel. Vom Fahrplanwechsel am 9. Dezember an gilt im ganzen Land der neue Baden-Württemberg-Tarif (BW-Tarif). Er löst die bisherigen Nahverkehrstickets der Deutschen Bahn ab und besitzt ihnen gegenüber zwei entscheidende Vorteile: Zum einen ist die Weiterfahrt am Start- oder Zielort mit Bussen oder Stadtbahnen schon enthalten. Zum zweiten fällt der Ticketpreis trotz dieser Dreingabe in jedem Fall günstiger aus.

 

So müssen die Kunden künftig zwischen 6 bis 66 Prozent weniger für ihre Fahrt bezahlen. Auch die Bahncard-Ermäßigung gilt. „Wir haben peinlich genau darauf geachtet, dass niemand schlechter wegkommt“, sagte der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Auf den meisten gängigen Verbindungen liege die Ersparnis bei 30 Prozent. Mit 13 Millionen Euro jährlich wird das Land die Preissenkung finanzieren. Es handele sich um das größte verkehrspolitische Reformpaket in seiner Amtszeit, sagte Hermann.

Flickenteppich wie vor Napoleon

Beim Nahverkehr gleicht Baden-Württemberg bisher einem Flickenteppich, der an die alte Kleinstaaterei vor Napoleon erinnert. Die Rekordzahl von 22 Verbünden gibt es im Land, vom großen VVS bis zur winzigen Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw. Hessen reichen vier, Nordrhein-Westfalen acht und Bayern elf Verbünde. Mit der anstehenden Übergabe von Strecken an Bahnkonkurrenten wie Abellio hätten auch diese eigene Tarifsysteme etablieren können. „Der Landestarif verhindert dieses Wirrwarr“, sagte Hermann.

Für einen guten öffentlichen Nahverkehr müsse man „Zonen, Waben und komplizierten Automaten den Kampf ansagen“. Dies alles schrecke Gelegenheitsfahrer vom Umstieg ab. Gegenwärtig sind es allerdings auch die Techniker, die ihren Kampf mit den Automaten ausfechten. Landesweit müssen die unbemannten Fahrscheinverkaufsstellen umgerüstet werden. „Wir werden es bei den meisten Stationen schaffen“, sagte Thomas Balser, der Geschäftsführer der BW-Tarif. Zudem werden die neuen Fahrkarten vom 9. Dezember an über den Navigator der Bahn vertrieben. Auch mit dem VVS werde verhandelt.

Pendler müssen auf zweite Stufe warten

Der Kunde muss dann lediglich den Zielort eingeben und erhält automatisch die richtige Fahrkarte, die von Haustür zu Haustür gilt. Zunächst gibt es das neue System nur für Einzelfahrkarten. In einer zweiten Stufe vom Jahr 2021 an sollen dann auch die Inhaber von Zeitkarten einbezogen werden. Dafür wird das Land weitere sieben Millionen, also insgesamt dann 20 Millionen Euro, zur Verfügung stellen.