Vor mehr als einem Jahr ahnt Karsten Wildberger wohl selbst noch nicht, dass er mal Digitalminister werden könnte – oder überhaupt Politiker. Im Januar 2024 ist der Vorstandsvorsitzende des Elektronikhändlers Ceconomy, zu dem die Ketten Mediamarkt und Saturn gehören, als Gast in einem Podcast und wird gefragt, was ihn antreibt. „Ich brauche Geschwindigkeit, ich hasse Stillstand“, sagt Wildberger. Er sei von Natur aus neugierig und brauche Action. Und: „Was ich überhaupt nicht mag, ist Bürokratie und mentales Schach, wo sich dann am Ende nichts bewegt.“
Nun hat sich Wildberger für einen Job entschieden, in dem ihn all das gleichzeitig erwarten könnte – Action und Geschwindigkeit, aber auch viel Bürokratie, im schlimmsten Fall mentales Schach. Der Manager, 1969 in Gießen geboren, soll Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung werden. Das Ressort wird neu geschaffen. Wildberger gilt als eine der größten Überraschungen der CDU-Personalien im neuen Kabinett.
Wer ist der neue Digitalminister? Und vor welchen Herausforderungen steht er?
Physiker, Unternehmensberater, Manager
Angefangen hat Wildberger als Physiker, er promovierte in Festkörperphysik. Anschließend arbeitete er als Unternehmensberater, danach übernahm er Führungspositionen bei verschiedenen Telekommunikationsunternehmen. Er wurde Vorstand beim Energiekonzern Eon, 2021 dann Vorstandschef der Mediamarkt-Saturn-Gruppe.
Außerdem ist Wildberger Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU und engagiert sich beim Handelsverband Deutschland (HDE), dem Spitzenverband des deutschen Einzelhandels. Organisationen wie Lobbycontrol sehen die Personalie deshalb kritisch. „Mit Herrn Wildberger wird nicht nur ein Unternehmer, sondern auch ein Top-Lobbyist zum Minister gemacht“, sagte Lobbycontrol-Sprecherin Christina Deckwirth nach Bekanntgabe der Besetzung. „Es ist fraglich, wie unabhängig Wildberger über Fragen von Digitalisierung und Staatsmodernisierung entscheiden kann.“
Digitalisierung bei Ceconomy
Insgesamt fallen die Reaktionen auf Wildberger aber überwiegend positiv aus. Zwar gilt die von ihm geführte Ceconomy nicht als digitaler Pionierkonzern. Das soll aber weniger mit Wildberger zu tun haben als mit dem Zustand, in dem er das Unternehmen übernommen hat. Er soll die Digitalisierung dort ein gutes Stück vorangetrieben haben. Auch die Unternehmenszahlen gingen unter ihm nach oben.
Mit seinem neuen Amt steht Wildberger nun allerdings vor einer neuen und riesigen Aufgabe. Im Vergleich mit anderen Ländern hängt Deutschland bei der Digitalisierung weit hinterher. Es geht dabei um viel mehr als schnelles Internet. Die gesamte Verwaltung soll effizienter, moderner und digitaler werden. Gar nicht einfach in einem föderalen System mit Bund, Ländern und Kommunen. In einigen Behörden wird bis heute gefaxt. Wildberger soll Abläufe verschlanken und Personal einsparen.
Ein Ministerium, das es noch nicht gibt
Doch zuerst muss er sich selbst in die Strukturen einfinden – und neue aufbauen. Das Ministerium, das Wildberger übernimmt, gibt es noch nicht. Das gehört wohl zu den Paradoxien des Amts: Der Mann, der dem Staat Personal einsparen soll, muss erstmal eigenes einstellen.
Was es nicht einfacher macht: Was genau in der Zuständigkeit des Ministeriums liegt, ist schwer einzugrenzen. Wenn das Gesundheitsministerium die elektronische Patientenakte einführt oder die Forschungsministerin sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen will, dann betrifft das auch Wildbergers Haus. Er wird eng mit seinen Kabinettskollegen zusammenarbeiten müssen. Anders als die meisten von ihnen ist er allerdings in kein Partei-Netzwerk eingebettet.
Und dann ist da die Sache mit der Geschwindigkeit, die Wildberger eigentlich liebt. In einer öffentlichen Behörde herrscht eine andere Mentalität als in einem Unternehmen – und ein anderes Tempo. Es sind auch andere Fähigkeiten gefragt. Das kann sowohl Chance als auch Herausforderung sein. Gelingt es Wildberger, sich darauf einzustellen – und trotzdem etwas zu bewegen?