Dietmar Woidke folgt Matthias Platzeck als Ministerpräsident in Brandenburg. Der Genosse gilt als solide und bodenständig. Allerdings ist er kein Lächler, keiner, der Leute im Flug mitnimmt wie Platzeck.
Potsdam - Der Respekt vor dem Amt ist groß: Als Dietmar Woidke vor gut drei Wochen neben Matthias Platzeck saß und zuhörte, wie der brandenburgische Ministerpräsident seinen Rückzug von allen Ämtern verkündete, wirkte sein Gesicht unbeweglich. Er wusste, dass Platzeck ihn sogleich als seinen Nachfolger vorschlagen würde und sprach mit leicht belegter Stimme von einer „großen Herausforderung“. Berufsziel Ministerpräsident – das hätte Dietmar Woidke sicher sehr lange Zeit in seinem Leben so nicht formuliert.
Nun wird er am Mittwoch aller Voraussicht nach von der rot-roten Regierungskoalition zum neuen Landesvater in der Mark gewählt werden. Politik ist eben nicht planbar. Es sei ein Schock gewesen, berichtete Woidke von jenem Moment, als er gerade mitten im Urlaub vor der Küste Norwegens auf einem Kreuzfahrtschiff weilte und das Handy klingelte: Matthias Platzeck, 59 Jahre alt, seit elf Jahren Ministerpräsiden, teilte seinem Innenminister Dietmar Woidke mit, dass er nach seinem leichten Schlaganfall von Juni und reiflichem Nachdenken nun beschlossen habe, sich von allen Ämtern zurückzuziehen.
Woidke wuchs in die Rolle des Favoriten hinein
Mehrfach habe er versucht, Platzeck umzustimmen, sagt Woidke. „Vergeblich, wie man sieht.“ Nun wird er an die Spitze des Bundeslandes rücken. Das kommt zeitlich unverhofft, aber Woidke ist in den vergangenen Jahren doch allmählich vom Regionalpolitiker in die Rolle des Favoriten hineingewachsen – vor allem, seit er 2010 vom SPD-Fraktionschef im
Woidke übernahm das Innenressort zu einer Zeit, in der die brandenburgische Polizei gerade wegen einer großen Reform in Aufruhr war. Hier erwarb er sich einen sehr guten Ruf als Manager der Veränderungen und gewann des Vertrauen der Beamten. Den Job machte er ausgesprochen gerne: „Es fällt mir wahnsinnig schwer, mich von ihnen zu verabschieden“, sagte er vor ein paar Tagen in Richtung der brandenburgischen Polizisten und Feuerwehrleute – da hatte der als nüchtern geltende Mann Tränen in den Augen.
Geboren ist Dietmar Woidke in der Lausitz nahe der deutsch-polnischen Grenze in Naundorf bei Forst. Dort lebt er bis heute mit seiner Familie, diese Wurzeln sind ihm wichtig. Er wuchs auf einer LPG auf, protestantisch erzogen, aber nicht in großer Nähe zur Kirche. Die Landwirtschaft, mit der er groß wurde, machte er dann auch zu seinem Beruf. Bis 1987 studierte er Agrarwissenschaften und Tierproduktion an der Humboldt- Uni in Berlin und beschäftigte sich dann als wissenschaftlicher Assistent mit Tierfutter. Nach der Wende arbeitete er bei einem bayerischen Tierfuttermittelhersteller – aber bald zog es ihn zurück in die Heimat.
Ruhig, bodenständig, zurückhaltend
Der „Berliner Zeitung“ erzählte Woidke, dass 1993 die CDU bei ihm angeklopft habe. Allerdings hätten dieselben Menschen um ihn geworben wie zu DDR-Zeiten, als die Blockpartei ihn gewinnen wollte. Er trat der SPD bei. Für die Sozialdemokraten saß er seit 1994 im Landtag – und erlebte Manfred Stolpe und später Matthias Platzeck als große Vorgänger. 2004 wurde Woidke in Platzecks großer Koalition Agrarminister und musste das Amt 2009 im rot-roten Regierungsbündnis aufgeben – angeblich auch, weil er dem Bündnis eher kritisch gegenüberstand. Allerdings wurde Woidke dann Fraktionschef im Landtag und entwickelte eine stabile Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner.
Stabil, solide – so kann man sich den künftigen Regierungs- und Parteichef vorstellen. Woidke ist kein Lächler, keiner, der Leute im Flug mitnimmt wie Platzeck. Wegbegleiter beschreiben ihn als ruhig, bodenständig, zurückhaltend – aber durchaus als einen, der seinen klaren Kurs hat und halten kann. Ein erster Hinweis darauf dürfte seine Entscheidung sein, den Aufsichtsratsvorsitz der Flughafengesellschaft für den BER abzulehnen. Das schmeckt nicht allen. Aber Woidke bleibt hart.