Sein Lampenfieber, sagt er, könnte kaum größer sein: Im Weltweihnachtscircus tritt der Artist Martin Bukovsek das Erbe seines künstlerischen Freundes an. Nach dem Tod von Moderator Peter Goesmann war lange unklar, wer ihm folgen kann. Ein Stuttgarter macht’s nun, der seiner „inneren Stimme“ folgt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Er war der ruhende Pol, die gute Seele des Zirkus, der stilvoll im Frack die Kunst der Präzision und klaren Worte wie kaum ein anderer beherrschte: 19 Jahre lang hat der Ostfriese Peter Goesmann als Moderator zum großen Erfolg des Weltweihnachtscircus auf dem Cannstatter Wasen beigetragen. Er lebte Zirkus-Romantik mit Herzblut. Wenn er „Hier in Stuttgart“ ausrief, sprachen viele leise mit. Sein Tod mit gerade mal 60 Jahren kam überraschend und war ein Schock für seine Kollegen und Fans.

 

Lässt sich ein Mann mit so einer Klasse und Persönlichkeit ersetzen? Henk van der Meyden, der holländische Produzent der Erfolgsshow, ließ sich Zeit mit seiner Entscheidung. Im Sommer 2014 war Goesmann gestorben. Jetzt präsentiert der Chef den Nachfolger, den er in Stuttgart fand.

Premiere ist am 8. Dezember auf dem Wasen

Seine Wahl fiel auf den 46-jährigen Zirkuspädagogen Martin Bukovsek, bekannt als Luftartist Carismo mit seinem getanzten Gebet am Tuch (unter anderem ist der gläubige Katholik damit beim Evangelischen Kirchentag auf dem Stuttgarter Schlossplatz aufgetreten). Viele Jahre lang waren Bukovsek und Goesmann befreundet. Sie trafen sich in jeder Spielzeit des Weltweihnachtscircus mehrfach, ohne ahnen zu könen, dass sie Vorgänger und Nachfolger sind. Der Ältere gab dem Jüngeren Tipps für dessen artistische Laufbahn. Tipps für die Rolle des Moderators gab er nicht. Goesmanns Tod kam viel zu überraschend – natürlich auch für Martin Bukovsek, der einen Freund und künstlerischen Berater verloren hat.

Der Druck ist gewaltig, der vor der Premiere am 8. Dezember auf dem 46-Jährigen lastet. „Peter lässt sich nicht ersetzen“, sagt der Neue, der ein großes Erbe in der Stuttgarter Weihnachtsmanege antritt. Er wolle Goesmann nicht kopieren, sondern versuchen, die eigene Person durchschimmern zu lassen. Der amtierende Weltmeister im Stillstehen (16 Stunden, 16 Minuten, 16 Sekunden) holt sich Halt und Kraft im christlichen Glauben. Bei Facebook ist er nicht, besitzt keinen Fernseher. Seine Freunde schätzen seine Ruhe, seine Ausgeglichenheit, seine Klugheit, seine Menschlichkeit, sein Lächeln. Was wird er bei seiner Nervosität davon ins Zirkuszelt mitnehmen können?

Sein Freund Peter soll stolz auf ihn sein

Martin Bukovosek will alles geben, damit Freund Peter stolz auf ihn sein kann, wenn er vom Himmel zuschaut. Eine „innere Stimme“, sagt er, habe ihn aufgefordert, sich um die Nachfolge zu bewerben. „Meine Knie schlotterten, als ich Henk van der Meyden vor zwei Jahren im Weltweihnachtscirucs in Stuttgart ansprach“, erinnert er sich. So vieles hat er mit Goesmann gemeinsam, die Liebe zum Zirkus und die große Freude daran, unterschiedliche Menschen in Lachen und Staunen zu versetzen, jung wie alt, Professoren wie Kassiererinnen. Der Weltweihnachtscircus ist schließlich etwas ganz Besonderes. Er pflegt die Tradition, ist aber gleichzeitig immer dabei, sich zu erneuern. Stuttgart ist bei den Artisten bekannt für sein spektakuläres Zirkuspublikum. Bukovsek liebt – so wie auch Goesmann – die disziplinierte, internationale Truppe mit 150 Frauen und Männern, in der jeder, vom Techniker bis zum Trapezkünstler, auf die Sekunde ganz genau weiß, worum es geht. Es geht um das Publikum!

Im April dieses Jahres kam das Angebot aus Holland. Der Stuttgarter Artist wurde zum Vorsprechen eingeladen. Produzent van der Meyen erkannte das Zirkusherz des Bewerbers. Vielleicht spürte er sogar etwas von Goesmanns Geist. Bis zum nächsten Treffen trainierte Bukovsek mit einem Sprecherzieher. In Amsterdam wurde er für die Pressefotos stilvoll eingekleidet: weiße Reiterhosen, rote Frackjacke mit Kordeln, weißes Hemd, weiße Fliege. Gewohnt klassisch will er die Ansagen machen. Dabei hätte Martin noch viel mehr gekonnt. Er hätte vom Zirkusdach hinunterschweben oder auf einem Pferd in die Manege reiten können. Der neue Moderator aber will wie sein beliebter Vorgänger das Publikum seriös und präzise informieren über die einzelnen Programmpunkte. Da kommt Bukovsek entgegen, dass er Zirkuspädagoge ist.

Weltrekord im Stillstehen

Manchmal wird er von seinen Schülern gefragt, ob er mit seinem Weltrekord im Stilstehen ins Guinnessbuch kommen wollte, um berühmt zu werden. Seine Antwort lautet dann: „Damit wollte ich zeigen, dass man ein Ziel erreichen kann, wenn man es sich nur fest genug vorgenommen hat.“ Er wolle vorführen, wie lohnend es ist, nicht aufzuhören, bevor etwas zu Ende ist. Und er wollte klarmachen, dass Stillstand zuweilen die beste Fortbewegung sein kann – die Fortbewegung der Gedanken im Kopf.

Bis zum 8. Januar wird es bei Martin, der das seltene Glück hat, einer von (natürlich drei) Drillingsbrüdern zu sein, hektisch werden – bei bis zu drei Auftritten am Tag. „Das ist für mich eine reiche Bescherung“, sagt er. Sein Freund Peter Goesmann wird dabei sein, er trägt ihn mit sich. Martin will dem Publikum zeigen: Gute Freunde können einem über den Tod hinaus Kraft geben.

Für alle Vorstellungen des Weltweihnachtscircus vom 8. Dezember bis zum 8. Januar gibt es noch Karten, wenn nicht auf www.weltweihnachtscircus.de, dann an der Zirkuskasse auf dem Wasen oder unter Telefon 07 11 / 6 74  47  70.